Themenüberblick

Alles eine Frage der Interpretation

Etwas mehr als drei Wochen bleiben SPÖ und ÖVP noch, um sich auf einen gemeinsamen Nenner für ihre Steuerreformpläne zu einigen. Knackpunkt war bis zuletzt das Thema Vermögensbesteuerung - unterschiedliche Interpretationen inklusive. Nun gibt es offensichtlich eine Annäherung.

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Auch Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann beharrt nun nicht mehr grundsätzlich auf einer Besteuerung von Vermögenssubstanzwerten zur Finanzierung der Reform. Wohl aber pocht er auf Vermögenszuwachssteuern. „Der Wiener Bürgermeister (Michael Häupl, SPÖ; Anm.) hat zum Ausdruck gebracht, die SPÖ ist kompromissbereit. Aber verzichtet kann überhaupt nicht werden - im Gegenteil: Es wird dann hart danach zu messen sein, ob mehr Netto vom Brutto bleibt“, sagte Faymann am Freitag.

Eine „klare Linie“

Beim Parteitag im vorigen November hatte die SPÖ die „Millionärsabgabe“ noch explizit als Möglichkeit für die Gegenfinanzierung der Steuerreform beschlossen - neben einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, Strukturreformen sowie der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung.

Am Donnerstagabend sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos bei einem Pressegespräch in Wien, die Sozialdemokraten stünden nach wie vor hinter der „Millionärssteuer“, nachdem zuvor Häupl eine „Vermögenssubstanzbesteuerung“ infrage gestellt hatte. Die ÖVP freute sich anschließend über ein Umschwenken der Sozialdemokraten, das diese wiederum keineswegs als solches verstanden haben wollten. Man dürfe „jetzt die Nerven nicht verlieren“, so Darabos Donnerstagabend in der ZIB2, es gebe eine klare Linie der Sozialdemokratie, es gebe ein klares Bekenntnis zu „Vermögens- und Millionärssteuern“, diese benötige man zur Gegenfinanzierung der Steuerreform.

„Substanzbesteuerung sowieso so eine Sache“

Häupl hatte zuvor gegenüber dem „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) gesagt, er sei „überzeugt, dass wir zwischen SPÖ und ÖVP zu einem Abschluss kommen. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig.“ Zu möglichen Kompromissen hielt der Wiener Bürgermeister, selbst im Verhandlerteam für die Steuerreform, fest: „Wenn man genau hinhört, sprechen alle von ‚keine Vermögenssubstanzbesteuerung‘. Das ist ein Wegweiser, der zeigt, wohin es gehen kann.“

Substanzbesteuerung sei „ja sowieso so eine Sache“, für Betriebe sei sie zu Recht abgeschafft worden. Daher diskutierten mittlerweile „alle miteinander eh schon in die richtige Richtung“. Eine Vermögenszuwachssteuer sei „Verhandlungssache“. Der Unterschied: Bei der Substanzbesteuerung (etwa Erbschafts- und Schenkungssteuer) werden grob gesagt auf bestehende Vermögenswerte Abgaben fällig, bei der Vermögenszuwachssteuer auf Erträge.

„Da bleiben wir kompromisslos“

Am Freitag war Häupl gegenüber der APA um Präzisierung bemüht und betonte, nicht von der Forderung nach einer „Millionärsabgabe“ abzurücken. Er forderte eine „Präzisierung“ und tritt für Vermögenszuwachs- statt für Substanzsteuern ein. Die Erbschaftssteuer sieht er als Zuwachssteuer, die er auch als Reformfinanzierungsmaßnahme empfiehlt.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) betonte in einer Aussendung, es gehe darum, „dass die Menschen am Schluss mehr Netto vom Brutto haben. Da bleiben wir kompromisslos.“ Es gehe um das Ergebnis, so Hundstorfer. Insgesamt ist Hundstorfer überzeugt, dass die Steuerreform wie vorgesehen im März (vorgesehen ist der 17.) beschlossen wird, wenn sich die ÖVP nun bewege.

Er könne beim Thema Vermögenssteuern keinen Schwenk der SPÖ orten, so Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) zur APA. Das Modell, die Substanz mit 0,5 Prozent zu besteuern, sei weiterhin zu diskutieren. „Das ist ja nicht entschieden, dass die SPÖ jetzt grundsätzlich sagt: Wir wollen keine Millionärssteuer im herkömmlichen Sinn, wir wollen ja eine Zuwachssteuer“, so Niessl. Die „Millionärssteuer“ müsse man „differenziert“ sehen.

Schelling: Unterschiedliche Meinungen in SPÖ

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist von den kolportierten SPÖ-Plänen für ein Abgehen von der Vermögenssteuer „offiziell nichts bekannt“. Er könne das nicht beurteilen. „Ich sehe auch innerhalb der SPÖ unterschiedliche Meinungen“, sagte Schelling am Freitag und verwies darauf, dass erst zuletzt ÖGB-Präsident Erich Foglar wieder auf dem vom Gewerkschaftsbund erarbeiteten Steuerkonzept beharrt habe. „Wir werden uns morgen damit befassen, welche Richtungen jetzt die gültigen sind.“ Jedenfalls „hoffen wir, einen guten Schritt weiterzukommen“, so der Finanzminister. Vor allem werde es darum gehen, „konventionelle Gegenfinanzierungsmaßnahmen“ zu besprechen.

Foglar hält an ÖGB-Konzept fest

Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Erich Foglar, pochte auf eine Entlastung der Arbeitnehmer und Pensionisten. „Der ÖGB hat keinen Grund, von seinem Konzept abzuweichen“, sagte er am Freitag zur APA. In diesem sind zwei Mrd. Euro an Einnahmen aus Vermögenssteuern vorgesehen.

Foglar bezeichnete es als „bemerkenswert“, dass die Verhandlungen mit der ÖVP nun offensichtlich über die Medien geführt würden. Oberste Priorität müsse die Klärung der Frage haben, wie hoch die Entlastung durch die Steuerreform tatsächlich sei und wann sie komme. Und: „Wir werden darauf achten, dass nicht Arbeitnehmer und Pensionisten die Zahler werden.“ Die Sorge, dass es dazu beim nun signalisierten Abgehen von einer Vermögenssubstanzbesteuerung kommen könnte, sei „berechtigt und groß“.

Auch die Volkshilfe hält an Vermögenssubstanzsteuern fest. „Nicht abrücken“, lautete am Freitag der Appell von Bundesgeschäftsführer Erich Fenniner an Faymann. „Reichtum ist in Österreich sehr ungleich verteilt“, kritisierte Fenninger. „Eine gerechte Steuerreform muss darauf abzielen, dass weiteren Vermögenskonzentrationen entgegengewirkt wird. Die Einführung der Vermögenssteuer ist außerdem wichtig, um den Wohlfahrtsstaat auf eine solide Basis zu stellen.“

Für FPÖ von Entlastung „ohnehin keine Rede mehr“

Die ÖVP reagierte positiv: „Jetzt ist selbst die SPÖ der Meinung, dass Substanzsteuern keinen Sinn machen“, so der knappe Kommentar von Parteichef Reinhold Mitterlehner, den er über seine Sprecherin ausrichten ließ. ÖVP-Parteistratege Gernot Blümel hatte bereits am Donnerstag gesagt: Dass die SPÖ nun offenbar umschwenke, zeige, dass „wir den richtigen Zug erwischt haben“. Er glaube, „wir sind der Lösung einen Schritt näher gekommen“.

Das glaubt auch die Opposition und geht davon aus, dass größere Sprünge bei der Steuerreform Kompromissen um einer Einigung willen zum Opfer fallen werden. SPÖ und ÖVP lägen in Wirklichkeit gar nicht so weit auseinander, sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Sie hätten sich dabei gefunden, „dass von einer Steuerentlastung ohnehin keine Rede mehr sein kann“. Es gehe nur noch darum, „Belastungen umzuverteilen“.

NEOS befürchtet „lauwarme" Reform“

NEOS-Bundesgeschäftsführer Feri Thierry erwarte eine „lauwarme Steuerreform“ ohne große Entlastungen, wie er sagte. Die Regierungspartner würden sich weiter bis 2018 „aneinanderklammern“. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Stefan Wallner, glaubt „nicht, dass bei dieser Reform etwas herauskommt“, es würden derzeit „eher Mauern hochgezogen als Brücken gebaut“.

Der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Werner Kogler, sagte am Freitag: „Erwartungsgemäß rückt die SPÖ-Spitze von der Vermögenssteuer im klassischen Sinne ab.“ Das mache Raum und Köpfe „für die wirklich entscheidende Komponente eines Beitrags der Reichen und Superreichen zur notwendigen Gegenfinanzierung einer Einkommensteuersenkung“ frei. Kogler schwebt eine Abgabe „auf Millionenerbschaften“ vor. „Jetzt ist entscheidend, dass die SPÖ bei dieser praktikablen und durchsetzungsfähigen Steuerpflicht für Millionenerben nicht wieder umfällt.“

Gerüchte über Banken als „Geldgeber“ dementiert

Spekulationen gab es zuletzt auch zum Thema Gegenfinanzierung. Die „Salzburger Nachrichten“ („SN“) mutmaßten, der Bankensektor könnte einen Einmalbetrag in Milliardenhöhe - kolportierte 1,5 bis 2,5 Mrd. Euro - an den Bund überweisen. Der könnte so die versprochene Lohnsteuersenkung finanzieren. Dafür würden die Banken künftig von der Bankenabgabe befreit, so die „SN“ unter dem Titel „Jetzt sollen die Banken die Steuerreform retten“.

Das Finanzministerium dementierte gegenüber der APA entsprechende Überlegungen. „Das ist nicht Gegenstand der Steuerreformverhandlungen. Das stimmt nicht“, hieß es am Donnerstagabend. Das Bundeskanzleramt wollte die Spekulationen nicht kommentieren.

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