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Minsker Runde hält an Vereinbarung fest

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, Russlands Staatschef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko haben einen „Bruch“ des Waffenstillstands in der Ostukraine angeprangert. Alle im Abkommen von Minsk vereinbarten Maßnahmen müssten „streng“ umgesetzt werden, forderten die vier Spitzenpolitiker am Donnerstag in einem Telefonat.

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Nach Angaben des Elysee-Palastes besprachen die vier Spitzenpolitiker die Auswirkungen der Ereignisse in der ostukrainischen Stadt Debalzewe auf das Minsker Abkommen. Dort hatte es trotz des seit dem Wochenende geltenden Waffenstillstands in den vergangenen Tagen erbitterte Kämpfe gegeben. Die Ukraine gab daraufhin den strategisch wichtigen Eisenbahnknotenpunkt auf und zog rund 2.500 erschöpfte Soldaten aus der Stadt ab. Mindestens 90 Soldaten wurden nach Angaben aus Kiew gefangen genommen, 82 weitere werden vermisst.

„Waffenstillstand ohne Ausnahme“

Das Minsker Friedensabkommen werde von den Unterhändlern aber nicht für gescheitert erklärt. Im Einzelnen hätten Merkel, Hollande, Putin und Poroschenko einen „Waffenstillstand an der gesamten Frontlinie ohne Ausnahme“ gefordert, teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Schwere Waffen müssten abgezogen und die Umsetzung dieser Maßnahmen müsse durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überprüft werden, so Seibert.

Auch der Prozess zur Befreiung von Gefangenen solle beschleunigt werden. Putin habe zugesagt, in diesem Sinne auf die Separatisten einzuwirken. Die Außenminister der vier Länder wollen noch am Donnerstag miteinander sprechen, um über die Umsetzung der geplanten Überwachung der Maßnahmen zu beraten.

Moskau warnt Kiew vor Friedensmission

Poroschenko hatte am Mittwoch eine internationale Mission im Krisengebiet bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats vorgeschlagen. „Ich rege an, die Einladung einer UNO-Friedensmission zu diskutieren, die gemäß einem Mandat des Weltsicherheitsrats handeln wird - das für uns beste Format ist eine Polizeimission der Europäischen Union“, sagte der Staatschef.

Karte der Ukraine

APA/ORF.at

Moskau wiederum hatte Vorbehalte gegen eine EU-Mission geäußert, weil die EU parteiisch in dem Konflikt sei. Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin warf Poroschenko vor, damit in der Ostukraine das Abkommen von Minsk zu gefährden. Wenn Kiew, statt die Vereinbarungen umzusetzen, nun schon ein „neues Schema“ vorschlage, rufe das den Verdacht hervor, dass das Minsker Abkommen „zerstört“ werden solle, sagte Tschurkin laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Donnerstag.

Nach der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Debalzewe in der Ostukraine durch prorussische Separatisten steigt aber der Druck auf Moskau, die Rebellen an die kurze Leine zu nehmen. Wenn Russland und die Separatisten die Friedensvereinbarung von Minsk nicht umsetzten und weiter Kämpfer und Ausrüstung aus Russland in die Ukraine gelangten, werde der Preis erhöht, den Russland dafür zu zahlen habe, warnte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki.

Kiew: Separatisten setzen Angriffe fort

Die prorussischen Separatisten setzten unterdessen laut ukrainischen Angaben ihre Angriffe auf die Regierungstruppen fort. 46-mal seien ukrainische Stellungen mit Raketen, Artillerie und Panzern beschossen worden, teilte die Armee am Donnerstag mit. Auch die Hafenstadt Mariupol sei mit Panzern und Artillerie unter Feuer genommen worden.

Auch die Separatisten warfen Kiew Verstöße gegen die Waffenruhe vor. Die ukrainische Armee habe mehrere Stellungen unter Feuer genommen, teilten die Separatisten mit. Die OSZE hatte zuletzt von mehreren Schusswechseln im Konfliktgebiet gesprochen, eine konkrete Schuldzuweisung aber vermieden. Die Separatisten in Donezk und Lugansk begannen unterdessen nach eigenen Angaben mit dem vereinbarten Abzug schwerer Waffen aus der Krisenregion. „Wir werden das fortsetzen, wenn die Führung in Kiew auch Bemühungen zeigt“, sagte Separatistenführer Denis Puschilin.

OSZE-Beobachter forderten Sicherheitsgarantien

Unterdessen forderten die OSZE-Beobachter uneingeschränkten Zugang zum Konfliktgebiet sowie Sicherheitsgarantien. Die Mitarbeiter seien zuletzt erneut nicht nach Debalzewe gelassen worden, sagte OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw am Donnerstag in Kiew. Angaben der Aufständischen über den Abzug schwerer Waffen bestätigte er nicht. „Die Beobachter haben keinen Abzug gesehen, lediglich eine Bewegung“, so Bociurkiw.

Die Organisation rief die Konfliktparteien in der Ukraine zudem zur Umsetzung des Minsker Friedensabkommens auf. „Alle Seiten müssen die in Minsk vereinbarten Maßnahmen einhalten“, sagte der OSZE-Vorsitzende Ivica Dacic am Donnerstag in Wien.

London verärgert Moskau

Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon forderte die Bündnispartner auf, sich auf die Gefahr einer russischen Aggression gegen NATO-Länder im Baltikum vorzubereiten. Es gebe eine „reale und präsente Gefahr“, dass Russland seine auf der Krim und in der Ostukraine angewandten Taktiken der hybriden Kriegsführung auch gegen NATO-Nachbarn wie Litauen, Estland und Lettland anwende. „Die NATO muss gewappnet sein für jede Art russischer Aggressionen, was immer auch dafür nötig ist“, sagte Fallon während eines Fluges nach Sierra Leone zu Journalisten. „Und die NATO wird gewappnet sein.“

Moskau reagierte verärgert. Das russische Außenministerium erklärte, die Äußerungen stellten einen eklatanten Verstoß gegen diplomatische Gepflogenheiten dar. Fallons Charakterisierung Russlands sei absolut intolerabel. Russland werde einen Weg finden, darauf zu antworten. Wiederholt hatte Russland den Vorwurf zurückgewiesen, die Separatisten in der Ostukraine mit Kämpfern und Waffen zu unterstützen. Aus russischer Sicht war es der Westen, der den Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch betrieben hat.

Zwei russische Militärflugzeuge näherten sich unterdessen dem britischen Lufttraum. Britische Typhoon-Kampfflugzeuge seien aufgestiegen, um den russischen Flugzeugen zu folgen, gab das Verteidigungsministerium am Donnerstag in London bekannt. Die russischen Jets seien aber nicht in den britischen Luftraum eingedrungen. Zu dem Zwischenfall kam es den Angaben zufolge am Mittwoch im Südwesten vor der Küste von Cornwall.

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