Mit vollem Tempo in Richtung Abgrund
Mit der Gründung einer Niederlassung im italienischen Udine hat die Kärntner Hypo - damals noch als Landes- und Hypothekenbank - 1986 das erste Mal einen Fuß über die Grenzen Österreichs gesetzt. Danach folgten eine rasante Expansion vor allem Richtung Südosteuropa und einige durchaus fette Jahre. Doch 2008 war der Traum vom großen Kärntner Reichtum ausgeträumt.
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Dazwischen hatte die Hypo erstmals 2006 Negativschlagzeilen wegen Spekulationsverlusten von fast 330 Mio. Euro gemacht, 2007 wurde sie mehrheitlich an die Bayerische Landesbank (BayernLB) verkauft, es fiel der berühmte Satz von den „Hypo-Millionen für Generationen“, der aus heutiger Sicht wie blanke Ironie klingt.
Auf dem Höhepunkt ihres Expansionskurses war die Bank mit 384 Geschäftsstellen in zwölf Ländern zwischen Montenegro, Slowenien, Ungarn und der Ukraine präsent. 2008 belief sich die Bilanzsumme laut dem damaligen Geschäftsbericht auf 43,3 Mrd. Euro - und damit auf beinahe die Hälfte der Bilanzsumme des gesamten österreichischen Hypothekenbankensektors, wie es im Bericht der 2014 vom Ministerrat eingesetzten Hypo-Untersuchungskommission (Griss-Bericht) heißt.
Ein „internationaler Riese“ aus Kärnten
Gemessen an der Bilanzsumme hatte die Hypo ihre Expansion nach dem Jahr 2000 stark vorangetrieben. Beim Einstieg der Grazer Wechselseitigen Versicherung (GRAWE) als Minderheitsaktionär 1992 hatte sich die Bilanzsumme der - damals noch - Kärntner Landeshypothekenbank AG auf 25,8 Mrd. Schilling (1,87 Mrd. Euro) belaufen. 1999 - aus der Landesbank war inzwischen die Hypo Alpe-Adria-Bank AG geworden und Jörg Haider (damals FPÖ) zum zweiten Mal Kärntner Landeshauptmann - hatte die Bank knapp über vier Mrd. Euro in ihren Büchern stehen.

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Es ging weiter steil bergauf: 2001 waren es 7,3 Mrd. Euro, im Jahresabstand ein Plus von 35 Prozent. Die Bank hatte inzwischen ihren Expansionskurs in Richtung der Staaten Ex-Jugoslawiens vorangetrieben, der Mitarbeiterstand hatte sich seit 1992 verzehnfacht. Aus der Hypo sei in zwölf Jahren ein „internationaler Riese“ geworden, hieß es in der Bilanzpressekonferenz 2004 mit den beiden damaligen Vorständen Wolfgang Kulterer und Günter Striedinger. Kulterer war nach dem GRAWE-Einstieg in den Hypo-Vorstand geholt worden. Er wurde später wie Striedinger auch zu einer Haftstrafe verurteilt.
Trotz Bilanzskandals: Kulterer wollte seine Gage weiter
Im Jahr 2006, der BAWAG-Skandal („Karibik-Geschäfte“) war gerade aufgeflogen, geriet auch die Kärntner Hypo in schiefes Licht und Kulterer unter Beschuss. Die Bank hatte 328 Mio. Euro mit Derivatgeschäften (Swaps) in den Sand gesetzt, die Bilanz von 2004 musste umgeschrieben werden und wies nun - erstmals - einen Verlust aus. Die Finanzmarktaufischt (FMA) erstattete Anzeige.
Kulterer räumte - um ein Verfahren zu vermeiden, wie es hieß - seinen Vorstandsessel und wechselte in den Aufsichtsrat, was für heftige Kritik sorgte, noch dazu weil er nicht auf seine Vorstandsgage verzichten wollte. Das schiefgegangene Geschäft bezeichnete er damals in einer ZIB2 als einmaligen Fehler, sprach von „Bandbreiten bei der Bilanzierung“ und verwies außerdem auf seinen Beitrag zum Aufbau des „großartigen Unternehmens“. Kulterer betonte außerdem, er habe „einen Basisvertrag, einen sehr moderaten“, bei der Hypo gebe es keine Privilegien. Auf eine mögliche Rückkehr in den Vorstand wollte er sich nicht festlegen lassen, „weil man nicht weiß, was ist in zwei, drei oder in fünf Jahren“.
Heute weiß man es: Zwei Jahre später, 2008, brauchte die Hypo (seit 2006 Hypo Group Alpe-Adria, HGAA, und ab 2007 mit dem Mehrheitsaktionär BayernLB) erstmals Geld aus dem Bankenrettungsfonds. Drei Jahre und einige Monate später hatte die Republik die inzwischen komplett marode Bank übernommen. Fünf Jahre später, 2011, gab es Hypo-Eigentum schon im Abverkauf.
Einstieg von Tilo Berlin und Verkauf an BayernLB
Doch zurück in das Jahr 2006: Nach dem Rückzug Kulterers stieg anlässlich einer Kapitalerhöhung der deutsche Investor Tilo Berlin mit seiner luxemburgischen Berlin & Co Capital S.A.R.L. und einem Anteil von 4,76 Prozent bei der HGAA ein. 2007 kaufte die Gruppe ein weiteres Aktienpaket von der GRAWE und stockte auf 25 Prozent plus eine Aktie - also eine Sperrminorität - auf.
Im Mai 2007 kaufte sich die BayernLB mit vorerst 50 Prozent und einer Aktie bei der Hypo ein. Der Verkaufspreis betrug 1,62 Mrd. Euro. Haider, der keine 15 Monate später tödlich verunglückte, sprach damals von einer „historischen Chance“ und den Bayern als „starken Partnern“ für eine weitere Expansion „im Rücken“.
„Kärnten wird reich“
Kärnten sei gegen „geldfressende Ungetüme“ wie Cerberus (Haider spielte auf den Kauf der BAWAG durch den gleichnamigen US-Hedgefonds Cerberus Capital Management an) „abgeschirmt“. Den Vorwurf eines Notverkaufs an die Bayern wies Haider (zu dem Zeitpunkt schon BZÖ) zurück. Dass die Wiener Banken keine Freude hätten, weil sie gerne „das Schnäppchen Hypo zum Billigsttarif gehabt hätten, das steht auf einem anderen Blatt“, sagte Haider in der ZIB2 am 21. Mai 2007.
Zwei Tage zuvor hatte er schon in einer Aussendung versprochen: „Kärnten wird reich. Kärnten ist und bleibt auf Zukunftskurs.“ Nach dem Verkauf werde man „den Löwenanteil der Hypo-Millionen für die kommenden Generationen anlegen“. Aus den Stimmen der „Kritiker und Querulanten“ spreche lediglich der blanke Neid.
Baldiges böses Erwachen für Bayern
Später verkaufte auch Berlin seinen Anteil an die Bayern. Nach einer Kapitalerhöhung hielten diese schließlich über 67, die GRAWE als zweitgrößter Aktionär etwa 20,5, die Kärntner Landesholding (KLH) rund 12,5 Prozent. Berlin übernahm im April 2007 den Vorstandsvorsitz, 2009 schied er nach Differenzen mit den Bayern aus. Auch er wurde später - nicht rechtskräftig - zu 26 Monaten Haft verurteilt.

APA/Herbert Pfarrhofer
Der seinerzeitige KLH-Aufsichtsratschef Martinz, Haider, BayernLB-Vorstandschef Schmidt, Berlin und Ex-Hypo-Chef Kulterer (v. l. n. r.) nach der Mehrheitsübernahme der HGAA durch die BayernLB am 9. Oktober 2007 in München
Schuldenberg wuchs ab Finanzkrise rasant
Nach dem Crash der US-Großbank Lehman Brothers auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Herbst 2008 steckte auch die Hypo bereits in massiven Turbulenzen. Ende 2008 sagte das Finanzministerium eine Tranche von 900 Mio. Euro Partizipationskapital aus dem Bankenrettungsfonds zu. Die Bilanzsumme belief sich in diesem Jahr auf 43,3 Mrd. Euro, das Konzernergebnis wies ein Minus von 520 Mio. Euro (2009 sollte es fast 1,6 Mrd. betragen) aus.
Bilder und O-Töne von „damals“
Parallel zur aktuellen Berichterstattung öffnet der ORF für den Hypo-U-Ausschuss seine Archive - eine Auswahl an Video- und Audiomaterial zu den Hintergründen der Causa in tvthek.ORF.at und oe1.ORF.at.
Die BayernLB, inzwischen selbst angeschlagen, verordnete der Hypo ein drastisches Sparprogramm mitsamt Stellenstreichungen und Beteiligungsverkäufen. „Wir haben einen Verlust von einer halben Milliarde Euro gemacht. Da kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, erklärte im April 2009 Andreas Dörhöfer, knapp ein Jahr zuvor von den Bayern als Krisenfeuerwehr nach Kärnten entsandt. „Das bisherige eher unkontrollierte Wachstum müssen wir kanalisieren, wir müssen uns dem Wachstum in den Ländern widmen, die wir zu den Kernmärkten zählen“, so Dörhöfer am 23. April 2009 in der ZIB1.
Alarmsignale offenbar verschlafen
Von Wachstum war damals allerdings längst keine Rede mehr, und „unkontrolliert“ war ein Hilfsausdruck, so auch das Fazit der Griss-Kommission. In ihrem Bericht unter dem Titel „Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission zur transparenten Aufklärung der Vorkommnisse rund um die Hypo Group Alpe Adria“ heißt es: Im Zuge der rasanten Expansion nach CEE/SEE (Zentral- und Südosteuropa) hätten „besondere Anforderungen an Risikomanagementsysteme und Kontrolleinrichtungen bestanden“.
Sofern man diese nicht sicherstellen habe können, hätte man Tempo und Risiko drosseln müssen. Man habe stattdessen eine „Politik des ungebremsten Wachstums“ verfolgt. Es sei außerdem „nicht erkennbar“, dass Aufsichtsorgane „die ihnen offenstehenden Möglichkeiten in einem ausreichenden Maß genützt hätten“. Es seien zwar „regelmäßig schwere Mängel“ festgestellt worden, daraus seien aber nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen worden. Die rasante Expansion sei nur durch die Landeshaftungen möglich gewesen, allerdings „ohne dass das Land Kärnten die damit verbundenen Verpflichtungen“ jemals hätte erfüllen können.
Im Jahr 2009 schließlich konnte die Bank wegen einer zu niedrigen Eigenkapitalquote nicht mehr bilanzieren. Sowohl BayernLB als auch der Freistaat Bayern wollten kein Geld mehr zuschießen, womit die Bank faktisch vor der Insolvenz stand. Da sie als „systemrelevant“ eingestuft wurde, übernahm die Republik die Kärntner Hypo Ende 2009. Das Milliardengrab war geschaufelt.
Georg Krammer, ORF.at
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