Für Wirtschaft nicht durchführbar
Dass gerade in der Gastronomie bei Abrechnungen oft getrickst wird, ist zumindest für die Gewerkschaft ein „offenes Geheimnis“. Bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr flössen so jährlich weniger in die Staatskasse, sagen ÖGB und Arbeiterkammer.
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Die Arbeitnehmer und die SPÖ fordern daher eine Registrierkassenpflicht, um dem Steuerbetrug einen Riegel vorzuschieben - doch die Wirtschaft wehrt sich vehement und verweist auf die hohen Kosten und darauf, dass die Methode in der Praxis oft nicht durchführbar sei.
Einig nur beim Prinzip
Der Clinch zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern findet vor dem Hintergrund der derzeit auf Hochtouren laufenden innerkoalitionären Verhandlungen über die Steuerreform statt. Denn der größte Knackpunkt ist die Gegenfinanzierung der von SPÖ und ÖVP angepeilten Entlastung der Steuerzahler. Ein Punkt - so weit ist man sich einig - ist der verschärfte Kampf gegen Steuerbetrug. Doch dann dürfte es mit der Einigkeit auch vorbei sein. Dem konkreten SPÖ-Vorstoß für eine Registrierkassenfplicht - am Donnerstag erneut von Finanzsprecher Kai Jan Krainer erhoben - konnte die ÖVP bisher nichts abgewinnen.
Die Wirtschaftskammer-Interessenvertreter aus Tourismus, Gewerbe und Handwerk sowie Handel laufen jedenfalls Sturm gegen den SPÖ-Vorschlag, per Gesetz Gastronomie und Gewerbe zum Benützen einer Registrierkasse und dem Ausstellen von Belegen zu verpflichten. Anreize zur Überprüfung will die SPÖ mit einer Beleglotterie schaffen, bei der Gäste und Kunden erhaltene Rechnungen bei der Finanz einsenden können - als Anreiz soll dann etwas verlost werden.
Verweis auf kleine Betriebe
Neue Kassensysteme und Software würden die Unternehmen aber mehr als 300 Mio. Euro kosten, sagte Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch Mittwochabend vor Journalisten. Eine Registrierkassenpflicht für alle Unternehmen würde vor allem Kleinstbetriebe in Handel, Gastronomie und Gewerbe finanziell enorm belasten.
Die Belegpflicht sei für Unternehmen mit hoher Frequenz (z. B. Markthändler, Schausteller, Eisstände, Schirmbars) nicht durchführbar. Allein für die rund 4.700 Marktfahrer in Österreich würden durch die Registrierkassen- und Belegpflicht Kosten von rund 11,8 Mio. Euro entstehen, so die Handelsobfrau.
„Vereinfachte Losungsermittlung“
Auch WKÖ-Tourismus-Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher schlug angesichts der SPÖ-Steuerpläne Alarm. Die möglichen Steuereinnahmen würden in „keiner Relation“ zum Aufwand für die Betriebe stehen. Anstatt immer neue Steuerpläne zu wälzen, sollte die Regierung bei den Ausgaben einsparen.
Derzeit besteht in Österreich - ähnlich wie in Deutschland - keine Belegpflicht, keine Registrierkassenpflicht und keine Verpflichtung zur Verwendung eines Kassensicherungsprogramms. Es gilt die Barbewegungsverordnung, das heißt, es müssen alle Umsätze einzeln und in ihrer Entstehung und Abwicklung nachvollziehbar aufgezeichnet werden. Die vereinfachte Losungsermittlung (Kassasturz) mit der Umsatzermittlung am Ende des Tages gilt derzeit für Unternehmen, deren Jahresumsatz 150.000 Euro nicht überschreitet, und für Unternehmer im Freien, etwa Markthändler und Marktfahrer, Maronibrater, Eisbars.
„Weder sinnvoll noch möglich“
SPÖ-Staatssekretärin Sonja Steßl hatte im vergangenen Juni betont, dass durch manipulierte Kassen und Scheinbelege dem Fiskus Einnahmen von bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr entgehen würden. Diese Zahlen seien „auf Sand gebaut“ und nicht nachvollziehbar, so Lorentschitsch. Der Generalverdacht gegenüber der Wirtschaft sei nicht akzeptabel. „Wir wollen sicher keine Betrüger schützen.“
Nach Schätzungen der Kammer würden sich die Kosten in diesen Branchen auf 95 Mio. Euro belaufen, der Handel müsste bei einer Registrierkassenpflicht rund 32 Mio. Euro in die Hand nehmen und das Gewerbe und Handwerk mindestens 57 Mio. Euro, wenn die Hälfte der Betriebe Registrierkassen anschaffen müssten. Das auch von der SPÖ angedachte Registrierkassensystem INSIKA würde das Gewerbe und Handwerk laut Kammer rund 63 Mio. Euro und die Tourismus- und Freizeitwirtschaft rund 40 Mio. Euro kosten.
In vielen Branchen ist die Einführung eines Kassensystems für die Interessenvertreter weder „sinnvoll noch möglich“, etwa für Installateure, Rauchfangkehrer, mobile Masseure, Fremdenführer und Eisstände.
Zwei widersprüchliche Grundrechenarten
Eine mobile Registrierkasse würde rund 3.500 Euro kosten, das sei für Einpersonenunternehmen und KMUs „einfach unbezahlbar“, so Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, bei dem Hintergrundgespräch. Ein kleiner Elektrobetrieb müsste den Servicemitarbeiter-Stundensatz für Kunden um rund fünf Euro erhöhen, um die Kosten für die mobile Registrierkasse wieder reinzuholen, so Scheichelbauer-Schuster.
Ganz anders rechnet dagegen die Gewerkschaft: Der Steuerbetrug sei kein Kavaliersdelikt und „schadet uns allen – dem Gast sogar doppelt“, so Berend Tusch von der Gewerkschaft vida. Der Gast müsse nämlich den vollen Preis zahlen, auch wenn die Mehrwertsteuer nicht abgeführt werde. Dem Staat fehlten auf der anderen Seite dadurch Mittel - etwa für die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen. SPÖ und ÖVP haben nun noch ein paar Wochen Zeit, aus diesen beiden gegensätzlichen Grundrechenarten den kleinsten gemeinsamen Nenner zu ermitteln.
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