Debalzewe als Brennpunkt
Die Einigung auf einen Friedensplan inklusive einer Waffenruhe hat bisher nicht zu einer Beruhigung in der Ostukraine beigetragen. Rund 20 Menschen wurden laut ukrainischer Armee und prorussischen Rebellen binnen 24 Stunden bei Kämpfen in der Region getötet. Bis zum Inkraftreten der Waffenruhe werden noch weitere - auch heftige - Kämpfe befürchtet.
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Die Stadtverwaltung der Rebellenhochburg Lugansk erklärte am Freitag, beim Beschuss der Stadt seien drei Zivilisten ums Leben gekommen und fünf verletzt worden. In Donezk sollen 14 Menschen bei Kämpfen verwundet worden sein. Andere Rebellenangaben sprechen von weiteren Toten in Lugansk und Gorlowka.
Nach Angaben des ukrainischen Militärs wurden vor allem bei Kämpfen um die strategisch wichtige Stadt Debalzewe elf Soldaten getötet und 40 weitere verletzt. Stellungen des Militärs seien „mit derselben Intensität wie zuvor“ beschossen worden, so das Militär. Laut einem AFP-Korrespondenten sind in Donezk seit Freitagfrüh wieder Raketeneinschläge und Artilleriefeuer zu hören.
Kämpfe bis zum Waffenstillstand?
Vor Inkrafttreten der vereinbarten Waffenruhe in der Nacht auf Sonntag werden von Beobachtern noch weitere teils heftige Gefechte vor allem um Debalzewe erwartet. Es bestehe die Gefahr, dass Regierungstruppen und prorussische Separatisten bis zum Beginn der Feuerpause dem Gegner noch Verluste beibringen wollen, sagte etwa der Russland-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), im Bayerischen Rundfunk. In weiterer Folge könnte die Bereitschaft zum Waffenstillstand wieder geringer werden.

APA/ORF.at
„Die Separatisten wünschten sich einen möglichst späten Waffenstillstand, um ihre bösen Gedanken in die Tat umzusetzen“, schrieb Frankreichs Außenminister Laurant Fabius Donnerstagabend im Kurzmitteilungsdienst Twitter. In der Ukraine heißt es, die Sepratisten wollten bis zum Inkraftreten des Waffenstillstands Debalzewe erobern. Für die Rebellen ist die Stadt besonders wichtig – die seit Wochen heftig umkämpfte Stadt liegt an der wichtigsten Straßen- und Eisenbahnverbindung zwischen den beiden wichtigsten Rebellengebieten Donezk und Lugansk.
Streit über „Kessel von Debalzewe“
Debalzewe wird von ukrainischen Soldaten gehalten, die laut eigenen Angaben von den prorussischen Rebellen mit Raketen und Artillerie angegriffen wurden. Die Separatisten wollen den Ort durch die Blockade der letzten Straße, die den Verkehrsknotenpunkt mit ukrainisch kontrolliertem Territorium verband, bereits eingekesselt haben. Das ukrainische Militär berichtet von einer äußerst angespannten Lage. Die Rebellen würden ihre Kräfte in der Gegend bündeln und verstärken.

Reuters/Gleb Garanich
Soldaten der ukrainischen Armee in der Nähe von Debalzewe
Laut dem kremlnahen Journalisten Andrej Kolesnikow wurde bei den Verhandlungen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk nahezu die Hälfte der Zeit darüber diskutiert, ob es den „Kessel von Debalzewe“ gebe oder nicht. Während der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Kessel bestritt, berief sich der russische Präsident Wladimir Putin auf Angaben von Separatisten, wonach 6.000 bis 8.000 Soldaten eingekesselt worden seien. „Sie gehen davon aus, dass diese Gruppierung die Waffen niederlegt und den Widerstand aufgibt“, so Putin.
Kreml: Putin drängte Separatisten
Die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands hatten sich am Donnerstag in Minsk auf einen Friedensplan verständigt, der unter anderem eine Waffenruhe ab Samstagnacht vorsieht. Ein Sprecher des Präsidialamts in Moskau sagte laut Meldung der Nachrichtenagentur RIA am Freitag, Russland gehe davon aus, dass die Vereinbarung umgesetzt werde. Die Teilnehmer des Minsker Gipfels stünden wegen der Ukraine-Krise in Kontakt und dürften sich in den kommenden Tagen wohl zu einem Telefonat verabreden.
Putin habe sich bei den Verhandlungen in Minsk für eine sofortige Waffenruhe eingesetzt, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow der Wirtschaftszeitung „Kommersant“ (Freitag-Ausgabe). Der Beginn der Waffenruhe am Samstag (um 23.00 Uhr MEZ) sei „auf Wunsch der Separatisten“ vereinbart worden, so Peskow. Putin habe „beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Rebellen von einer Unterzeichnung des Dokuments zu überzeugen“.
Russland hofft auf Ende der Sanktionen
Russland hofft nach dem Minsker Abkommen auf ein baldiges Ende der westlichen Sanktionen. „Ich bin überzeugt, dass es Möglichkeiten gibt, diese Probleme zu lösen“, sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew am Freitag. Alle Seiten, vor allem die Unternehmen, hätten die Sanktionspolitik satt. Die Vereinbarungen von Minsk seien ernsthaft und substanziell. Russland will die Gespräche mit den Teilnehmern der Friedensverhandlungen zudem fortsetzen. Die EU will wie geplant am Montag eine Sanktionsverschärfung in Kraft setzen. Zudem behält sich die Gemeinschaft weitere Strafmaßnahmen gegen Russland vor.
Ukraine will keine Amnestie für Anführer
Die beim Ukraine-Krisengipfel vereinbarte Amnestie soll nach Darstellung des ukrainischen Außenministers Pawel Klimkin nicht für die Anführer der prorussischen Separatisten im Donbass gelten. Die abgesprochene Autonomie für die Ostukraine bedeute zudem nicht, dass die Führung in Kiew die Macht völlig aus der Hand gebe, sagte Klimkin am Freitag. Eine föderale Staatsordnung wie etwa in Deutschland und Russland sei nicht vorgesehen, hieß es Agenturen zufolge.
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