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Hollande: Müssen wachsam bleiben

Die Einigung der Konfliktparteien und Unterzeichnung eines Friedensfahrplans für die Ostukraine lösen weltweit Erleichterung und Hoffnung, aber auch Zurückhaltung und Skepsis aus. Als Grundtenor wurde die Vereinbarung zur Waffenruhe ab Sonntag 0.00 Uhr Kiewer Zeit (Samstag 23.00 Uhr MEZ) begrüßt, zugleich wurden die Konfliktparteien zur Einhaltung des Abkommens angehalten - allen voran Moskau.

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Von einem Teil der Minsker Chefverhandler selbst kamen vorsichtig-optimistische Signale: Frankreichs Präsident Francois Hollande zeigte sich nach dem Gipfel zufrieden, warnte aber zugleich vor zu viel Optimismus. Die Unterschrift der Konfliktparteien „garantiert keinen dauerhaften Erfolg“ im Ukraine-Konflikt, sagte er. „Die kommenden Stunden sind entscheidend. Wir müssen wachsam bleiben und weiter Druck ausüben.“

Merkel: Sehr, sehr viel Arbeit notwendig

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wiederum sprach von einem Hoffnungsschimmer und betonte, dass „noch sehr, sehr viel Arbeit notwendig“ sei. „Es gibt aber eine reale Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden“, sagte Merkel am Donnerstag nach den 17-stündigen Verhandlungen in Minsk. Der prorussische Separatistenführer Alexander Sachartschenko bezeichnete die Vereinbarung als „Hoffnung für eine friedliche Lösung“.

Trotz der neuen Vereinbarung wird eine neue Sanktionsliste gegen 19 russische Personen und neun russische Unternehmen am Montag in Kraft treten, wie Merkel nach Ende des EU-Gipfels in Brüssel am Donnerstagabend bestätigte. Die Sanktionsliste war am Montag als Antwort der EU auf den Beschuss Mariupols durch prorussische Separatisten beschlossen worden. Die Sanktionen treten planmäßig am Montag mit der Verlautbarung der Namen im EU-Amtsblatt in Kraft. Die betroffenen Personen und Firmen werden mit Vermögenssperren und Einreiseverboten in die EU belegt. Die EU behalte sich allerdings auch weitere Sanktionen vor, wenn die jüngste Vereinbarung für eine Waffenruhe nicht umgesetzt wird. „Wenn es Schwierigkeiten gibt, schließen wir auch weitere Sanktionen nicht aus“, so Merkel weiter.

Faymann sieht Hoffnungsschimmer

Für eine Entscheidung über eine Änderung an den EU-Sanktionen gegenüber Russland ist es nach Worten von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) „zu früh“. Faymann sagte am Donnerstagabend nach Beratungen beim EU-Gipfel in Brüssel, der neue Friedensplan von Minsk sei „ein Hoffnungsschimmer, aber keinesfalls eine Garantie“. Faymann erwartet in der EU eine Diskussion, ob man die Sanktionen bei Umsetzung des Friedensplans wieder aufhebt und es wieder zur Normalität in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland komme, wenn die Souveränitätsrechte der Ukraine gewährleistet seien. „Dazu ist es wahrlich zu früh“, sagte Faymann.

Er habe beim EU-Gipfel den Standpunkt vertreten, „dass wir Sanktionen vom Grundsatz her immer nur als Notlösung erachten, daher den Prozess von Friedensverhandlungen voll unterstützen“. Er habe auch deutlich gemacht, dass Österreich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sei, sagte der Kanzler. „Bei der Gegnerschaft zu Waffenlieferungen bin ich wahrlich nicht der Einzige“, so der Kanzler, doch gebe es auch Länder, die das als Option erachteten.

Poroschenko: Vereinbarung umsetzen

Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko dankte der EU beim Gipfel für die Geschlossenheit der Union bei der Unterstützung seines Landes. Wesentlich sei nun, die auf dem Papier erzielte Vereinbarung über einen Waffenstillstand umzusetzen. Dazu müsse der Druck auf Russland aufrechterhalten werden. Die Europäische Union sollte darauf vorbereitet sein, gegebenenfalls mit einer Ausweitung von Sanktionen auf einen Bruch der Abmachungen reagieren zu können. Die EU habe mit ihrer einheitlichen Haltung die europäischen Werte und den starken Geist der Solidarität unter Beweis gestellt.

Er selbst habe in den vergangenen 72 Stunden nur fünf Stunden geschlafen. Nach dem 17-Stunden-Verhandlungsmarathon hätten leider die „russischen Terroristen“ wieder eine Offensive gestartet, weil die Waffenpause erst in drei Tagen umgesetzt sein müsse. Deswegen „ist es lebenswichtig für uns alle, den Druck weiter aufrechtzuerhalten, um den Waffenstillstand, den Rückzug der schweren Waffen und die Befreiung der Geiseln zu erreichen“, sagte Poroschenko beim Verlassen des Ratsgebäudes am Abend.

USA: Bewährungsprobe noch ausständig

Die USA werteten das Minsker Abkommen als Hoffnungsschimmer, dessen Bewährungsprobe aber noch ausstehe. Die schweren Waffen müssten aus der Ostukraine abgezogen werden, erklärte das US-Präsidialamt am Donnerstag in Washington. Zudem müsse Russland seine Soldaten und Ausrüstung zurückbeordern. „Der wirkliche Test des Abkommens liegt in seiner vollständigen und unmissverständlichen Umsetzung“, so das Weiße Haus weiter. Dazu gehörten die dauerhafte Beendigung der Kämpfe und die Wiederherstellung der Kontrolle der Ukraine über ihre Grenze mit Russland. Die USA seien vor allem besorgt über die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischem Militär, die auch am Donnerstag angehalten hätten. „Das ist unvereinbar mit dem Geist des Abkommens“, hieß es.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte zur Einhaltung des Abkommens und bot die Hilfe der Vereinten Nationen an. „Die Vereinbarung muss den Weg zu einer umfassenden politischen Lösung des Konfliktes ebnen“, erklärte Ban am Donnerstag in New York. „Die Vereinten Nationen stehen bereit, um in jeder denkbaren Weise zu helfen.“ Die UNO würde weiter die Menschenrechtssituation im Krisengebiet beobachten und Hilfebedürftige versorgen. Die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine dürfe nicht angetastet werden, sagte Ban.

Tusk: Vereinbarung gibt Hoffnung

Der OSZE-Vorsitzende, Serbiens Außenminister Ivica Dacic, begrüßte - ebenso wie die OSZE-Beobachtermission - die Resultate. „Die OSZE ist bereit, alles, was sie im Rahmen ihres Mandats tun kann, zu unternehmen, um zur vollen Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen beizutragen“, erklärte Dacic.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bezeichnete die Vereinbarung als einen Schritt „in die richtige Richtung“. Die neue Vereinbarung sei wichtig, „auch wenn wir sehr genau wissen, dass das nicht alles löst. Aber es ist besser, gute Nachrichten zu haben als schlechte oder sehr schlechte Nachrichten.“ EU-Ratspräsident Donald Tusk gab sich ebenfalls vorsichtig: „Die Vereinbarung gibt Hoffnung“, erklärte Tusk vor dem EU-Gipfel in Brüssel. „Hoffnung ist wichtig, aber nicht genug. Der echte Test ist die Achtung der Waffenruhe auf dem Boden in der Ukraine.“

Zurückhaltung bei baltischen Staaten

Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite zeigte sich weit skeptischer. In der neuerlichen Minsker Vereinbarung sei die Frage der Kontrolle der Grenzen keinesfalls geregelt, beklagte Grybauskaite bei ihrer Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude. Somit könnte Russland weiter Waffen in die Ostukraine bringen.

Weitere führende Politiker der baltischen Staaten reagierten zurückhaltend und verlangten vor allem von Moskau, sich an das Abkommen zu halten. „Es handelt sich offensichtlich nicht um endgültige Vereinbarungen. Wir müssen sehen, was tatsächlich geschieht“, betonte der litauische Außenminister Linas Linkevicius der Nachrichtenagentur BNS zufolge. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics sagte, entscheidend sei nun die Umsetzung der Vereinbarungen. Die estnische Außenminister Keit Pentus-Rosimannus wiederum erklärte: „Es kann keine Rede davon sein, die europäischen Sanktionen (gegen Russland, Anm.) zu mildern, solange keine echten und greifbaren Fortschritte erreicht wurden.“

Kurz: Schritt Richtung Frieden

Mehrere österreichische Politiker begrüßten die neue Minsker Vereinbarung - darunter Bundespräsident Heinz Fischer. Wichtig sei vor allem, dass die Waffenruhe - im Gegensatz zu früheren Vereinbarungen - auch tatsächlich eingehalten werde, teilte Fischer mit.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete die Einigung als „wichtigen Schritt Richtung Frieden hin zu einer Deeskalation in der Ukraine-Krise“. So wie Fischer und der EU-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) hofft auch er, dass „sich alle Seiten des Konflikts“ an das Abkommen halten. Die Vereinbarung sei „ein Hoffnungsschimmer für den Frieden in dieser geopolitisch so bedeutenden Region“, erklärte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Auch EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn äußerte auf Twitter die Hoffnung, dass die neuerliche Vereinbarung von Minsk über eine Waffenruhe hält.

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