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„Darin liegt Hoffnung“

Beim Ukraine-Gipfel in Minsk haben sich die Verhandlungspartner auf eine Waffenruhe verständigt. Die Gespräche zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin, seinem ukrainischen Kontrahenten Petro Poroschenko, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande hatten seit Mittwochabend angedauert und waren mehrmals kurz vor dem Scheitern gestanden.

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„Wir haben uns auf wesentliche Punkte geeinigt“, sagte Putin schließlich am Donnerstagvormittag nach dem 17-stündigen Verhandlungsmarathon in der weißrussischen Hauptstadt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag soll eine Waffenruhe in Kraft treten. Zudem sollen schwere Waffen aus der Region abgezogen werden. Frankreichs Präsident Francois Hollande bestätigte die Einigung auf die Waffenruhe sowie eine „umfassende politische“ Lösung des Konflikts. Die Vereinbarung gebe Anlass zu Hoffnung, „aber es ist noch nicht alles getan“, sagte Hollande.

Poroschenko spricht von Gefangenenaustausch

Hollande nannte die Einigung eine „Erleichterung für Europa und Hoffnung für die Ukraine“. Merkel sprach von einem Hoffnungsschimmer. Sie reiste unmittelbar nach den Verhandlungen nach Brüssel zum EU-Gipfel. „Waffenstillstand ab 15.2. 0 Uhr, dann Abzug der schweren Waffen“, schrieb der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter. „Darin liegt Hoffnung.“ Auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach nur von der Hoffnung, dass das Abgemachte auch umgesetzt werden möge.

Laut Putin soll der Abzug schwerer Waffen zwei Tage nach Einsetzen der Feuerpause beginnen und nicht länger als zwei Wochen dauern. Die Ukraine müsse ihre Waffen von der derzeitigen Frontlinie abziehen, für die Aufständischen gelte die Linie vom 19. September 2014. Damals wurde in Minsk eine Waffenruhe vereinbart, die jedoch nie umgesetzt wurde. Putin rief die Konfliktparteien auf, schon jetzt so schnell wie möglich die Kämpfe einzustellen. Poroschenko sagte zudem, innerhalb von 19 Tagen sollten sämtliche Gefangenen freigelassen werden.

„Inakzeptable“ Forderungen ließen Einigung wackeln

Parallel zu den Gesprächen zwischen den vier Staats- und Regierungschefs traf sich in Minsk die Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit Vertretern der prorussischen Separatisten. Und es waren offenbar die prorussischen Separatisten, die eine zuvor schon mögliche Einigung durch laut Poroschenko „inakzeptable“ Forderungen blockierten. Offenbar hatten die Separatisten quasi die Aufgabe der strategisch wichtigen Stadt Debalzewe verlangt.

Vladimir Putin

Reuters/Vasily Fedosenko

Putin reist ab

Nächtlicher „Nervenkrieg“

Allem Anschein nach widersetzten sich die Separatisten damit auch den Absichten Russlands. Auch die staatliche russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS schrieb Donnerstagfrüh, eine Einigung scheitere an den Separatisten. Wenig später erklärte ITAR-TASS den Gipfel überhaupt für gescheitert. Die Verhandlungsteilnehmer wollten allem Anschein nach aber nicht aufgeben. Mitten in der Nacht reisten schließlich auch die Außenminister der vier Länder an.

Das Vierertreffen galt als bisher wichtigster Vorstoß zur Beendigung des seit zehn Monaten dauernden Konflikts. Ob es zustande kommen würde, war bis kurz vor Beginn der Gespräche unsicher. Während der Nacht waren die offenbar mehrmals kurz vor dem Scheitern gestanden. Poroschenko hatte von einem „Nervenkrieg“ gesprochen und indirekt Putin die Verantwortung dafür gegeben. Auch aus dem Umfeld anderer Verhandlungsteilnehmer hatte es zu diesem Zeitpunkt geheißen, Putin lege sich quer.

Putin kreidet Poroschenko „Verzögerungen“ an

Nach dem Ende der Verhandlungen gab Putin seinerseits Poroschenko die Schuld an den schwierigen Verhandlungen. Einer der Hauptgründe für die verzögerten Gespräche sei die Weigerung Poroschenkos gewesen, direkt mit den Separatisten zu reden, sagte Putin. Er sprach allerdings davon, dass die Separatisten die Waffenstillstandsvereinbarung unterschrieben hätten, ein Bekenntnis von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine zur Unterstützung des Friedensprozesses jedoch ununterschrieben geblieben sei.

Merkel legte demgegenüber Wert auf die Feststellung, Poroschenko habe „alles, was er kann, für ein Ende des Blutvergießens getan“. In einer Erklärung hieß es: „Ich habe keine Illusion, wir haben keine Illusion: Es ist noch sehr, sehr viel Arbeit notwendig. Es gibt aber eine reale Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden. Wir haben Hoffnung - wir haben zwar noch nicht alles erreicht, aber wir haben eine ganz ernsthafte Hoffnung für die Ukraine und damit auch für Europa.“

Separatisten wollen Ukraine „Chance geben“

Die Separatisten begrüßten die Einigung. Diese gebe „Hoffnung auf eine friedliche Lösung“ des seit etwa zehn Monaten andauernden Konflikts, sagte einer der Rebellenführer, Alexander Sachartschenko, am Donnerstag in der weißrussischen Hauptstadt. Separatistenchef Igor Plotnizki sagte, der Ukraine müsse „diese Chance“ gegeben werden. In Österreich begrüßten sowohl Bundespräsident Heinz Fischer als auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), SPÖ-Klubobmann Peter Schieder und der EU-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) als Leiter der EU-Russland-Delegation die Vereinbarung.

Laut der ukrainischen Armeeführung überquerten allerdings noch während der Verhandlungen rund 50 russische Panzer die Grenze von Russland zur Ostukraine. In der Nacht auf Donnerstag hätten die Truppen zudem etwa 40 Raketensysteme und ebenso viele gepanzerte Fahrzeuge über den Kontrollpunkt Iswarine in die Region Lugansk gebracht, sagte der ukrainische Armeesprecher Andrej Lyssenko in Kiew. In dem Konflikt wurden bereits mehr als 5.300 Menschen getötet. Zuletzt nahm die Intensität der Kämpfe wieder zu. Auch der Krisengipfel in Minsk war von neuer Gewalt in der Region überschattet.

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