Themenüberblick

Mehr Zeit für Einigung mit Gläubigern?

Die EU-Kommission hält es für unwahrscheinlich, dass es in dieser Woche zu einem Durchbruch mit Griechenland kommt. Zumindest ist seit Dienstag abermals von einem Kompromissvorschlag, der eine Annäherung bringen könnte, die Rede.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Trotzdem seien die Erwartungen an das Sondertreffen der Euro-Finanzminister am Mittwoch und den darauffolgenden EU-Gipfel am Donnerstag „niedrig", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. Es gebe „sehr intensive Kontakte“ zwischen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und dem neuen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras sowie anderen Regierungen der Euro-Länder. Diese seien bisher allerdings „nicht sehr fruchtbar“ gewesen.

In Medienberichten machte am Dienstag das Gerücht die Runde, das Hilfsprogramm für Athen könnte verlängert werden. Bei einem weiteren Treffen der Euro-Finanzminister am Montag könnte ein vorläufiger Deal besiegelt werden, dann hätten die nationalen Parlamente noch genug Zeit, sich damit zu beschäftigen, hieß es. Die Nachrichtenagentur Market News International (MNI) wollte wiederum wissen, die EU-Kommission wolle Athen sechs Monate mehr Zeit dafür geben, sich mit seinen Gläubigern zu einigen. Dieser Kompromissvorschlag solle schon am Gipfel am Mittwoch auf dem Tisch landen.

„Das führt zu einem Schuldenschnitt“

Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis bekräftigte wenige Stunden vor dem Krisentreffen mit seinen Amtskollegen die Forderung nach einem umfassenden Schuldenerlass für sein Land. Die griechischen Verbindlichkeiten könnten in naher Zukunft nicht zurückgezahlt werden, sagte Varoufakis dem deutschen Magazin „stern“ laut Vorabbericht vom Mittwoch. „Wenn eine Schuld nicht mehr beglichen werden kann, dann führt das zu einem Schuldenschnitt.“ Dafür könne man sich „alle möglichen Namen ausdenken“.

Schelling zuversichtlich

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werden kann. „Ich glaube, dass man rechtzeitig vor Ende Februar zu einer Lösung kommen kann, wenn es von Griechenland gewünscht wird“, sagte Schelling am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Letztlich müssten sowohl Griechenland als auch die Euro-Zone-Partner ihre jeweilige rote Linie überschreiten, so Schelling - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Kammenos „droht“ mit Suche nach neuen Geldgebern

Panos Kammenos, der Chef der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (ANEL), die als Juniorpartner mit Tsipras’ Linksbündnis SYRIZA regiert, sagte am Dienstag im griechischen Fernsehen, Athen wolle ein neues Abkommen mit der EU über den Schuldenberg. Aber wenn Deutschland nicht nachgibt und „Europa auflösen will“, dann werde Griechenland „einen Plan B“ verfolgen. „Und das ist, Geld aus anderen Quellen zu bekommen. Es können die USA im besten Fall sein. Es könnte Russland, es könnten China oder andere Staaten sein“, sagte Kammenos.

Tsipras hat in seiner Regierungserklärung am Sonntag das griechische Rettungsprogramm für beendet erklärt und fordert nun neue Verhandlungen über den Umgang mit den Milliardenschulden. Die Geldgebertroika aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) lehnt solche Gespräche vorerst ab. Zuerst müsse das noch laufende Rettungsprogramm abgeschlossen werden.

Die Legitimation für sein Programm holte sich Tsipras in der Nacht auf Mittwoch im griechischen Parlament. Bei einer Vertrauensabstimmung votierten 162 von 299 anwesenden Abgeordneten für Tsipras’ Agenda. Damit erhielt der neue Regierungschef exakt die Stimmen seiner SYRIZA und von ANEL. Alle anderen Parlamentarier stimmten gegen die neue Regierung, ein Abgeordneter war abwesend.

Bewegung hinter den Kulissen

In Hinblick auf das Sondertreffen der Euro-Gruppe am Mittwoch in Brüssel soll es hinter den Kulissen Bewegung geben. Wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf das Finanzministerium in Athen meldete, wird an einem Zehnpunkteplan für Griechenland gearbeitet. Beteiligt seien Mitarbeiter des griechischen Finanzministeriums und der EU-Kommission. Die Troika mit Kontrolloren der EU, der EZB und des IWF soll es in der Form nicht mehr geben.

Varoufakis mit Kompromissvorschlag im Gepäck

Der griechische Finanzminister Varoufakis wolle seinen Kollegen der Euro-Gruppe am Mittwoch unter anderem vorschlagen, fast 70 Prozent der Auflagen des vorigen Programms zu akzeptieren. Den Rest wolle er mit einem Bündel von Maßnahmen ersetzen, die in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet worden seien.

Um eine erneute Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Hilfsprogramms will die neue Regierung nicht bitten. Stattdessen will sie die Reformauflagen zurückdrehen und etwa den Mindestlohn wieder anheben sowie entlassene Staatsbedienstete wieder einstellen. Auch Privatisierungen sollen gestoppt werden, aktuell etwa die des alten Athener Flughafens Hellenikon und des Goldminengroßprojekts Skouries des kanadischen Investors Eldorado Gold.

Außerdem wolle Griechenland grünes Licht für die Ausgabe weiterer Staatsanleihen in Höhe von mindestens acht Milliarden Euro. Die Regierung Tsipras wolle außerdem doch noch die letzte Tranche der Finanzhilfen für das ablaufende Rettungsprogramm in Höhe von gut sieben Milliarden Euro erhalten. Einzelheiten wollte Varoufakis am Mittwoch seinen Amtskollegen präsentieren, hieß es. An den Finanzmärkten wurden diese Berichte als möglicher erster Schritt hin zu einem Kompromiss gedeutet, der griechische Aktienleitindex ATG stieg deutlich.

Briten haben Notfallplan für „Grexit“

Druck auf beide Seiten zu einer raschen Einigung kommt von der britischen Regierung, die Auswirkungen auf den Finanzplatz London befürchtet. Premierminister David Cameron gab bekannt, es würden Notfallpläne für einen „Grexit“, also einen Euro-Austritt für Griechenland, vorbereitet. Und sein Schatzkanzler George Osborne sagte am Rande des G-20-Finanzministertreffens am Montagabend in Istanbul dem Sender Bloomberg Television: „Die Risiken wachsen, dass es zu einem Rechenfehler oder einem Fehltritt mit sehr schlechtem Ausgang kommt.“

Kritik an Forderung nach Reparationszahlungen

Im EU-Parlament wurde am Dienstag massiv Kritik an Tsipras laut, weil er von Deutschland die Begleichung von Schulden aus dem Zweiten Weltkrieg fordert. Der Chef der Sozialisten, Gianni Pittella, warf ihm eine kontraproduktive Rückkehr zu „nationalem Eigensinn“ vor. Der Chef der Liberalen, Guy Verhofstadt, konstatierte, Griechenland brauche Strukturreformen und sei dabei nicht vorangekommen. Es sei „unangemessen“, nun Reparationsforderungen auf den Tisch zu legen.

Der belgische EU-Abgeordnete und grüne Fraktionschef Philipp Lamberts sagte, „die Atmosphäre ist vergiftet. Sich dort zu verrennen, ist nicht sehr förderlich“. Tsipras habe „noch nicht den Wechsel vom Wahlkämpfer zum Premier vollzogen“. Auch ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas übte Kritik an Tsipras. In der jetzigen Situation alte Ressentiments zu schüren „widerspricht dem europäischen Geist“, sagte Karas in Straßburg.

EZB: Griechische Banken nicht in Gefahr

Griechische Banken stecken nach Einschätzung von EZB-Ratsmitglied Bostjan Jazbec dank dem Zugang zu Notkrediten aktuell in keiner brisanten Situation. „Im Moment ist die Zahlungsfähigkeit der griechischen Banken nicht in Gefahr“, sagte der Chef der slowenischen Notenbank dem deutschen „Handelsblatt“ (Mittwoch-Ausgabe). Laut früheren Angaben von Insidern wurde der griechischen Notenbank durch die EZB ein Spielraum für Notfall-Liquiditätshilfen von rund 60 Milliarden Euro eingeräumt.

Links: