Chronik einer fröhlichen Verschwörung
„Es ist natürlich lustig, dass man vom Verlag als Debütant angepriesen wird, wenn man schon über 20 Jahre in anderen literarischen Gattungen aktiv war“, amüsiert sich Autor Richard Schuberth. Der zudem einen anderen längeren Historienroman in der Schublade liegen hätte, was man aber einem „Debütanten“ noch weniger abkaufen würde. Weswegen es nun eine Geschichte zum Kulturbetrieb unter einer ganz bestimmten Zuspitzung geworden ist.
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Kontinuierlich gefragt, sowohl von den Verlagen als auch im Feuilleton, sei in der Regel eine spezielle Textgattung, die Richard Schuberth mit dem Begriff „Holocaust-Prosa“ zusammenfasst. Ob als Nazi-Musical, engagiertes KZ-Drama oder beherzte filmische Anklage, unter dem Vorwand der Aufklärung lässt sich mit menschlichem Leid ein gutes Geschäft betreiben, meinen nicht nur seine Figuren. Im Roman vergreift sich ein mittelbegabter Nachwuchsschriftsteller an diesem „heiklen Sujet“ und möchte damit an den Erfolg seines Erstlingswerks anschließen. Er beabsichtigt das Schicksal der jüdischen Philosophin Klara Sonnenschein aufzuarbeiten.
Das wiederum möchte der 70-jährige Philosoph Ernst Katz um jeden Preis verhindern. Die kulturindustrielle Verwurstung der Nazi-Zeit ist dem von der kritischen Theorie beeinflussten Denker Katz seit jeher ein Dorn im Auge. Darüber hinaus verbindet ihn ein Geheimnis mit der vorgesehenen Protagonistin. Gemeinsam mit der 17-jährigen Biggy, einer klugen, emanzipierten und ein bisschen hinterhältigen Individualanarchistin, die er im Zug kennengelernt hat, spinnt er Intrigen, um den Plan des jungen Erfolgsschriftstellers zu sabotieren.
Ungleiches Duo infernale
Schuberth erzählt die Abenteuer dieses infernalen Duos, ohne dabei seinen bereits bewährten Formen untreu zu werden, essayistische Teile, Aphorismen und Gedichte baut er geschickt in den Fluss der burlesken Handlung ein: „Ich mag die Pionierphase des Romans, die Romane des 18. Jahrhunderts, die zwischen den verschiedenen Textformen hin und her switchen“, erzählt der Autor gegenüber ORF.at. Denis Diderots Antiroman „Jacques der Fatalist und sein Herr“, der ja gleichzeitig eine Parodie auf das Voranschreiten des konzisen Erzählens darstellt, galt ihm als besonderes Vorbild.
Gewandt flattert Schuberth auch zwischen den Perspektiven umher, einmal nimmt er die kühle, distanzierte Position des allwissenden Erzählers ein, einmal schmiegt er sich neckisch seinen Figuren an, um sie gegeneinander aufzuhetzen. Dabei bedient er sich einer Reihe von Tonlagen: Da wären etwa die pseudogeistreichen Dialoge des schnöseligen Verlagsmanagers mit der versierten Kritikerin, der etwas verstaubte Akademikerjargon des verschrobenen Philosophen und die erfrischend unverblümte Jugendsprache der Schulabbrecherin Biggy.
Sprachspiele und groteske Szenen
Die sprachspielerische Lust des Autors führt mitunter zu herrlich grotesken Szenen, wie etwa einem Sprichwortduell – Anhänger des Raps würden wahrscheinlich von einem „Battle“ sprechen – zwischen dem Verlagsvertreter und Ernst Katz (genannt „Catman“), und zwar in lateinischer Sprache. Spannend ist auch zu beobachten, wie die sprachlichen Horizonte der beiden Hauptfiguren Katz und Biggy langsam diffundieren, wobei sich der alte Professor mit der Verwendung derber Floskeln meistens selbst in die Lächerlichkeit katapultiert.
Subversive Heiterkeit
Die Botschaft bleibt indes keineswegs hinter der elegant durchkomponierten Form zurück. Seine Kritik an der Bewusstseins- und Kulturindustrie übt Schuberth im Roman stets mit leichtfüßiger Heiterkeit. „Ich selber komme aus einer sehr nihilistischen, ablehnenden Tradition, in der Heiterkeit immer als etwas Versöhnliches, Spießiges dargestellt worden ist.“ Doch dass Heiterkeit auch subversiv sein kann, das haben schon die Aufklärer des 18. Jahrhunderts gezeigt, allen voran der von Schuberth so hochgeschätzte Diderot.
Ein Literat, der sich über den Literaturbetrieb lustig macht, befindet sich natürlich in einer Art schizoiden Position. Zum einen bedarf es einer gewissen kritischen Distanz, zum anderen kann man sich den Spielregeln auch nicht verwehren. Zudem werde einem jede Kritik schnell als Autoreneitelkeit und Vernaderung von Kollegen ausgelegt, sagt Schuberth. Sein Unbehagen mit bestimmten Gegebenheiten legt er deshalb seinen Figuren in den Mund, wobei er betont, dass er nie alles meine, was seine Figuren meinen. Was die Ansichten des Autors sind und wann es sich um Rollenprosa handelt, bleibt bewusst ungewiss.
Kritik an der Gesellschaftskritik
Ernst Katz zum Beispiel vertritt sehr radikale Ansichten, die viele „Gutmenschen“, die sich selbst für kritisch halten, vor den Kopf stoßen. Er lehnt die gängige Gesellschaftskritik und auch die Underground- und Oppositionskultur ab. Doch kaum hat man sich als Leser mit ihm identifiziert, wird er von seinem hohen Ross gestoßen und als opportunistischer und dürftiger Charakter bloßgestellt.
Buchhinweis
Richard Schuberth: Chronik einer fröhlichen Verschwörung. 480 Seiten, Zsolnay, 23,60 Euro.
„Es wäre natürlich langweilig, die Figuren nicht ambivalent zu zeichnen, aber da steckt auch ein didaktischer Trick dahinter“, erklärt Schuberth. Die Demontage seiner unbequemen Hauptfiguren erzeugt einerseits eine gewisse kathartische Genugtuung. Gleichzeitig führt er eine Instanz ein, die den Psychologisierungsversuchen der Leser eines auswischt, indem sie den persönlichen Charakter von den Wahrheiten, die er kolportiert, unterscheidet.
Vergnüglicher Bildungsroman
Vor seinen kritischen Einsichten kann man sich nicht drücken, so lautet wohl die unaufdringliche Moral des Buches. Richard Schuberth ist mit seiner „Chronik einer fröhlichen Verschwörung“ ein Bildungsroman im besten Sinne gelungen, eine schelmische Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, die sowohl an vergnügliche Buddy- oder Heist-Movies erinnert als auch philosophische und feministische Themen intelligent miteinander verwebt.
Claudia Gschweitl, ORF.at
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