Propaganda nach militärischem Scheitern
Mit kurz aufeinander folgenden Videos der grausamen Tötungen von Geiseln hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) weltweit für Abscheu - und zugleich garantierte Aufmerksamkeit - gesorgt. So sehr die auf Außenwirkungen bedachten Videos die Stärke der Gruppe demonstrieren wollen, so sehr sind sie in Wahrheit ein Zeichen der Schwäche der Islamisten.
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Die Terrormiliz will mit Propaganda offenbar ihre zuletzt empfindlichen militärischen Niederlagen in Syrien und im Irak kompensieren. Ende Jänner hatten kurdische Verbände etwa die über Monate umkämpfte nordsyrische Stadt Kobane von IS-Extremisten befreit und stoßen nun selbst ins Umland vor, um dort verschanzte IS-Verbände zu bekämpfen. Im Norden des Irak scheiterte zur gleichen Zeit ein IS-Großangriff auf die ölreiche Stadt Kirkuk.
IS braucht Geld
Fehlende Siege sind für die Extremisten ein Problem, weil sie bei den Feldzügen Munition und Waffen für ihren Krieg erobern. Gerade der Angriff auf Kirkuk war ein Indiz dafür, dass die Miliz Geld braucht. Militärisch waren die Chancen für den IS dabei von Anfang an schlecht. Stadt und Umland gehören aber zu den ölreichsten Gebieten im Irak. Der IS wollte offenbar die Ölquellen unter seine Kontrolle bringen, um den Rohstoff zu verkaufen. Öleinnahmen sind die wichtigste Geldquelle des IS.
Noch immer hält IS weite Teile des Irak und Syriens besetzt und hält sich dort durch lokale Terrorregimes an der Macht. Auch militärisch darf die Gruppe, die unter der Hand offenbar nachhaltig Unterstützung von Playern der Region erhält, weiterhin nicht unterschätzt werden: Erst am Mittwoch hieß es seitens der kurdischen Peschmerga-Verbände, seit Juni seien fast 1.000 Verteidiger im Kampf gegen IS gefallen und über 4.500 verletzt worden. Die Veröffentlichung der grausamen Videos könnte jedoch zum Symbol für einen Wendepunkt werden.
Stockt Zufluss neuer Kämpfer?
Die Videos können auch als Indiz dafür gesehen werden, dass die Gruppe Verstärkung braucht. Ebenso sehr wie an die Gegner des IS richten sie sich an mögliche Sympathisanten: Gerade junge Männer fühlen sich immer wieder von der vermeintlichen Stärke und der Gewalt des IS angezogen. Dass gerade die letzten Videos noch brutaler waren als alle bisher bekannten und sie zudem noch zielgerichteter als Propaganda fungieren sollten, lässt den Umkehrschluss zu, dass die bisherigen Mittel nicht mehr zur Rekrutierung neuer Kämpfer reichen.
Die IS-Miliz hatte im Sommer binnen weniger Wochen große Gebiete im Norden und Westen des Irak unter ihre Kontrolle gebracht. In den folgenden Monaten machte sie durch die brutale Verfolgung ethnischer und religiöser Minderheiten wie Jesiden und Christen international Schlagzeilen. Mit Unterstützung der US-Luftwaffe und verbündeter europäischer und arabischer Staaten gelang es Kurden, Schiiten und irakischen Regierungstruppen seitdem, die IS-Miliz an mehreren Fronten wieder zurückzudrängen.
Mobilisierung auch für Gegner
Die Videos von Enthauptungen und zuletzt der Verbrennung der jordanischen Geisel Muath al-Kasasba mobilisieren jedoch die Gegner des IS mindestens genauso wie seine Sympathisanten. In Jordanien, wo die strikte Anti-IS-Linie von König Abdullah II. bisher auch auf einigen Widerstand gestoßen war, steht die Bevölkerung nun geschlossen hinter der Regierungslinie. Auch andere Staaten, die den sunnitischen Dschihadismus bisher nicht gänzlich ablehnten, bekennen sich nun zumindest nach außen hin zum kompromisslosen Kampf gegen den IS.
Schließlich dürfte gerade das Video des Mordes an der jordanischen Geisel - einem Glaubensbruder - den Rückhalt in der Bevölkerung für den IS mindern. Viele Sunniten im Irak und in Syrien sahen die Islamisten bisher als ihre „Rächer“ gegen die schiitisch dominierte irakische Regierung beziehungsweise das Regime von Syriens Baschar al-Assad an. Kasasbas Ermordung zeigt ihnen, dass der IS nur seine eigenen Interessen verfolgt. Selbst wenn nun die Front gegen den IS geschlossen wird, dürfte es allerdings Jahre dauern, bis die Extremisten besiegt werden können.
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