„Keine Unterwerfung“
Der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat einen tiefgreifenden Wandel in seinem Land angekündigt. Der Vorsitzende der linken Partei SYRIZA sagte am Mittwoch in der ersten Kabinettssitzung in Athen, seine Regierung werde die Klientelwirtschaft beenden. Die Griechen erwarte ein „radikaler Wandel“.
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„Wir sind eine Regierung der nationalen Rettung“, sagte er und bekräftigte das Ziel, mit den internationalen Geldgebern Schuldenerleichterungen auszuhandeln. Griechenland wünsche „keinen Bruch“ mit den Geldgebern, werde aber auch „keine Unterwerfung“ akzeptieren, sagte Tsipras. Als Unterwerfung hatte Tsipras in den vergangenen Monaten immer wieder die Politik der am Sonntag abgewählten Regierung unter dem konservativen Regierungschef Antonis Samaras bezeichnet, die Sparvorgaben aus Brüssel sofort umgesetzt habe.
„Unsere Priorität ist eine neue Verhandlung mit unseren Partnern“, sagte Tsipras. Dabei solle nach einer „gerechten“ Lösung gesucht werden, bei der beide Seiten - die Geldgeber und Griechenland - profitierten. Griechenland solle aus dem Teufelskreis der „Überschuldung und der Rezession“ herauskommen. Ein Gespräch mit Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem am Freitag werde „produktiv“ sein.
„Unser Chef ist das Volk“
Seine Regierung habe einen Vierjahresplan entworfen, der zu einem ausgeglichenen Haushalt führen soll, so Tsipras weiter. „Wir haben realistische Vorschläge für die Schulden und die Investitionen." Die Würde der Bevölkerung, die in den vergangenen Jahren in die Verelendung geführt wurde, wolle er so schnell wie möglich wiederherstellen. "Wir werden alles dafür tun“, sagte er. Vor allem kleinen und mittelständischen Betrieben soll geholfen werden.
Griechenland wird von seinen Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit insgesamt 240 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt. Tsipras will das Land in der Euro-Zone halten, die Reformauflagen der Gläubiger aber kippen. Er werde seine Wähler nicht enttäuschen, sagte er und betonte: „Unser Chef ist das Volk.“
Finanzminister kritisiert „Schneeballsystem“
Der neue griechische Finanzminister Giannis Varoufakis charakterisierte die Aufnahme von immer mehr Krediten durch sein Land als aussichtslos. „Dieses Schneeballsystem muss aufhören“, sagte er am Mittwoch bei der Übernahme seines Ministeriums. Die Geldgeber liehen Griechenland nach seinen Worten „zu viel Geld“. Das Problem der griechischen Schulden müsse neu geregelt werden. Varoufakis versprach, Griechenland werde keine neuen Schulden machen. Die Griechen würden künftig „nur das ausgeben, was sie verdienen“. Mit einer Gesellschaft, die Luxusartikel konsumiere, sei es „vorbei“.
Steuern wegen Hoffnung auf SYRIZA-Sieg nicht gezahlt
Die neue griechische Regierung startet mit einem Milliardenloch im Budget. In der offensichtlichen Hoffnung auf Steuersenkungen nach einem Sieg von SYRIZA haben viele Griechen in den vergangenen zwei Monaten ihre Steuern nicht gezahlt, soweit das möglich war, wie ein Mitarbeiter des Athener Finanzministeriums am Mittwoch der dpa bestätigte. Es fehlten vier Milliarden Euro. Die Lage ist nach den Angaben aus dem Finanzministerium eines der wichtigsten Probleme, mit dem sich die Regierung in den kommenden Wochen beschäftigen muss.
Privatisierungen gestoppt
Die Regierung in Athen will als eine ihrer ersten Amsthandlungen offenbar die von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF geforderten Privatisierungen stoppen. Das sagte Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis am Mittwoch dem Rundfunksender Skai. Zunächst betreffe das die Elektrizitätsgesellschaft DEI. Zudem soll die Staatseisenbahn nicht verkauft werden. Auch beim Energiekonzern PPC zog die Regierung die Reißleine. „Wir werden sofort jede Privatisierung von PPC stoppen“, so Lafazanis am Mittwoch im griechischen Fernsehen. Die vorherige Regierung hatte vergangenes Jahr neue Gesetze auf den Weg gebracht, um PPC an private Investoren zu verkaufen.

APA/EPA/Orestis Panagiotou
Der Hafen von Piräus ist der größte Passagierhafen Europas
Zur Frage, ob der vom deutschen Flughafenbetreiber Fraport im November 2014 in die Wege geleitete Kauf von 14 griechischen Regionalflughäfen stattfinden werden, äußerte er sich nicht. Der Vizeminister für die Handelsmarine, Theodoros Dritsas, kündigte am Mittwoch an, die Privatisierung des landesweit größten Hafens Piräus bei Athen werde gestoppt. Das gelte auch für die Privatisierung des Hafens von Thessaloniki.
Investoren auf der Flucht
Der radikale Kurswechsel der neuen Regierung in Athen führte zu massenhaften Verkäufen an den griechischen Börsen. Der Stopp der Privatisierungen schürte die Angst, dass die internationalen Partner den Geldhahn zudrehen könnten. Der griechische Aktienindex stürzte daraufhin um rund acht Prozent bis auf ein Zweieinhalbjahrestief von 716 Punkten ab.
Das war der größte Kursrutsch seit dem endgültigen Scheitern der griechischen Präsidentenwahl Ende Dezember. Besonders dramatisch fiel der Wertverlust bei Finanztiteln aus: Der griechische Bankenindex brach um fast 25 Prozent ein und damit so stark wie noch nie. Auch die Aktien von PPC brachen um rund 17 Prozent ein, nachdem die geplante Privatisierung des Energiekonzerns gestoppt wurde. Auch der geplante Verkauf des Hafens von Piräus wurde auf Eis gelegt - die Papiere verloren mehr als zehn Prozent.
Tausende Beamte sollen wieder eingestellt werden
Die Regierung will auch Tausende im Zuge der Sparmaßnahmen gekündigte Staatsbedienstete wieder einstellen. Das teilte der stellvertretende Verwaltungsreformminister Giorgos Katrougalos im griechischen Fernsehen mit. Die Maßnahme sei ein Wahlversprechen von SYRIZA. „Wir werden sie (die Entlassungen) rückgängig machen“, sagte Katrougalos. Wie viele ehemalige Staatsbedienstete wieder eingestellt werden sollen, ist unklar. Allein 2014 waren 9.500 gekündigt worden.
Arbeitsminister Panagiotis Skourletis sagte am Mittwoch im Rundfunk, der Mindestlohn in der Privatwirtschaft solle von 586 Euro auf 751 Euro angehoben werden. Der für Soziales zuständige Vizeminister Dimitris Stratoulis teilte mit, es werde wieder das 13. Gehalt (Weihnachtsgeld) für Pensionisten eingeführt, deren Pension 700 Euro oder weniger betrage.
Moscovici streckt die Hand aus
Die EU-Kommission will unterdessen Athen entgegenkommen. Die Kommission und die EU seien „zu weniger Einmischung beim Austausch als in der Vergangenheit bereit und zu flexibleren Formen der Zusammenarbeit“, sagte Währungskommissar Pierre Moscovici der französischen Zeitung „Le Parisien“ (Mittwoch-Ausgabe). „Die Kommission will Griechenland weiter helfen. Es kommt vor diesem Hintergrund nicht infrage, dass es zu einem Bruch kommt“, betonte Moscovici.
Die Regierung will neben einem Teilschuldenerlass eine Abkehr vom Spar-und Reformkurs. Dieser war von den Vorgängerregierungen mit den internationalen Gläubigern vereinbart worden. Das hoch verschuldete Land bekam im Gegenzug über zwei Hilfsprogramme 240 Milliarden Euro zugesagt, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Das zweite Hilfsprogramm läuft Ende Februar aus.
EU gegen Schuldenerlass
Es müsse nun geprüft werden, wie mit dem Hilfsprogramm umgegangen werde, sagte Moscovici, der bis zum vergangenen Jahr unter dem sozialistischen französischen Präsidenten Francois Hollande Finanzminister war. „Wir werden mit der griechischen Regierung schauen, unter welchen Bedingungen wir diese Prüfung vornehmen können.“ Ziel sei es dabei „immer, an der Seite Griechenlands zu bleiben“.
Alle Seiten wollten, dass das hoch verschuldete Land wieder auf die Beine komme, dass es Wachstum gebe und Arbeitsplätze geschaffen würden, sagte der Währungskommissar weiter. Athen müsse in die Lage versetzt werden, seine Schulden in den Griff zu bekommen und in der Euro-Zone zu bleiben. Griechenland hat 320 Milliarden Euro Schulden, was rund 175 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Die SYRIZA-Forderung nach einem Teilschuldenerlass hatten die EU-Finanzminister Anfang der Woche abgelehnt.
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