Ein Windows für alle Fälle
An Kritik hat es für Microsoft und sein Windows 8 in den vergangenen Jahren nicht gemangelt. Das neue Betriebssystem, bei dem der Konzern aus Redmond gleich einmal eine Versionsnummer übersprang, soll jetzt alles besser machen. Es soll nicht nur alle PC-Nutzer, die noch am über fünf Jahre alten Windows 7 festhalten, zum Update bewegen - sondern auch Microsofts Produktfamilie näher zusammenbringen.
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„Windows 10: The Next Chapter“ hatte Microsoft seine Präsentation vorige Woche übertitelt. Das nächste Kapitel mag ganz einfach als Anspielung auf die neue Version des Betriebssystems begriffen werden. Wer will, kann aus dem Titel aber auch Größeres herauslesen: etwa den Willen Microsofts, aus Windows mehr zu machen als nur ein PC-Betriebssystem.
Noch vor wenigen Jahren war die PC-Nutzung ohne Alternative - ein Desktop oder Laptop ein unverzichtbares Werkzeug. Smartphones und Tablets ließen die Heimcomputer jedoch zusehends ins Hintertreffen geraten. Laut der Österreichischen Webanalyse (ÖWA) nutzten im zweiten Quartal 2014 bereits mehr als die Hälfte aller User das Internet mit einem mobilen Endgerät - ein Trend, der sich auch global niederschlägt. So gingen vergangenes Jahr etwa in China erstmals mehr Menschen mit Handys und Smartphones ins Internet als mit dem PC.
Schwer zu knackende Mobilsparte
Trotz seiner Dominanz im PC-Sektor gelang es Microsoft bisher nicht, maßgeblich in den Smartphone- und Tabletmarkt vorzustoßen, auch wenn es an Versuchen nicht scheiterte. Im Oktober 2010 präsentierte Microsoft das Betriebssystem Windows Phone - ein halbes Jahr später ging der Softwarekonzern eine Allianz mit dem finnischen Handyproduzenten Nokia ein. Seitdem läuft auf dem Großteil der Nokia-Geräte das Betriebssystem aus Redmond. Vor einem Jahr kaufte Microsoft schließlich Nokias Handysparte.
Doch der Erfolg blieb aus: Gerade einmal 2,7 Prozent aller Smartphones wurden laut dem Statistikportal statista 2014 von Microsofts Betriebssystem angetrieben. Auf dem Tabletmarkt sieht es kaum rosiger aus. Der Marktanteil der Windows-Tablets liegt bei nicht einmal fünf Prozent - trotz aufwendiger Werbung für Microsofts Vorzeigetablet Surface.
Das fehlende Konzept
Den Grund für die Schwierigkeiten Microsofts sahen Analysten zum Teil im späten Einstieg der Redmonder in die Mobilsparte. Zugleich stand sich der Konzern selbst im Weg. Denn Microsoft war nun eben nicht mehr der reine Softwarekonzern, wie ihn Bill Gates vor 40 Jahren gründete. Neben Handys und Tablets steht mit der Xbox One mittlerweile die dritte Spielkonsole aus dem Hause Microsoft in den Kinder- und Wohnzimmern. Anders als etwa der Konkurrent Apple tat sich Microsoft bisher aber schwer, ein konsistentes Benutzererlebnis zu schaffen.
Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Handyoberfläche eins zu eins den Desktop kopieren soll. Microsoft probierte das vor einigen Jahren mit seinem ersten mobilen Betriebssystem, Windows Mobile, und scheiterte. Auch dem umgekehrten Weg, nämlich die Handy-Oberfläche auf den Desktop zu bringen, war nur wenig Erfolg beschienen: Stichwort Windows 8. „Nutzer wollen nicht, dass ein Gerät aussieht wie das andere, und sie müssen auch nicht beide Geräte auf die gleiche Art und Weise bedienen“, schreibt das Computermagazin „PCWorld“.
Auf einer Spielkonsole muss kein vollständiges Office-Paket laufen, und auch auf dem Smartphone werden komplizierte Tabellenkalkulationen zur Qual. Aber im Internet surfen, E-Mails lesen und schreiben, Termine in den Kalender eintragen oder eine schnelle Fotobearbeitung - all das funktioniert am Schreibtisch ebenso wie auf der Wohnzimmercouch oder unterwegs in der Straßenbahn. Und idealerweise ist die Bedienung über die Plattformen so stringent, dass sich die Nutzer zwischen den Geräten nicht umstellen müssen.
Ein altes Verspechen
„Windows 10 wird die bisher breiteste Familie an Geräten unterstützen“, sagte der Chef der Windows-Abteilung, Terry Myerson, am Mittwoch. Das erinnert an den ehemaligen Microsoft-CEO Steve Ballmer. Bereits Anfang 2011 verkündete er, dass die neue Version des Betriebssystems in Zukunft „überall, auf jedem Gerät und ohne Kompromisse“ laufen werde. Balmer sprach damals freilich von Windows 8, und als dieses ein Jahr später präsentiert wurde, war von der vollmundigen Ankündigung nur noch wenig übrig.

AP/Ron Wurzer
Handy oder Notebook: Vizepräsident Belfiore verspricht für beide Windows 10
Mit Windows 10 dürfte das vier Jahre alte Verprechen nun doch noch wahr werden. Das neue Betriebssystem wird auf PCs ebenso laufen wie auf Tablets und Smartphones. Und auch in Microsofts jüngster Spielkonsole soll bald eine Windows-10-Version zum Einsatz kommen. Die Oberflächen werden sich freilich je nach Gerät und Eingabeart unterscheiden: große Kacheln für die Touchgeräte - der klassische Desktop für die Eingabe mit Maus und Tastatur. Auf allen Geräten wird Microsofts neuer Internetbrowser seinen Dienst verrichten. Spartan nannten ihn die Redmonder, und er wird nach 20 Jahren den Internet Explorer als Standardbrowser ablösen.
Eine App für alle Geräte
Im Zuge der Zusammenführung der Plattformen wird auch die im Dezember vorgestellte „Sprachassistentin“ Cortana nicht mehr länger nur auf Smartphones beschränkt, sondern auch PC- und Xbox-Nutzern zur Seite stehen. „Wir ändern die Art, wie die Menschen den PC nutzen“, verkündete Microsoft Vizepräsident Joe Belfiore am Mittwoch großspurig. Wie gerne Nutzer tatsächlich mit ihrem Computer reden möchten, wird sich noch zeigen. Abseits des klassischen PCs - etwa bei Multimedia-Centern im Wohnzimmer - ist das wohl eher denkbar. Microsoft steigt hier auf jeden Fall gegen harte Konkurrenz in den Ring. Cortana muss sich mit Diensten wie Google Now und Siri von Apple messen.
Zugleich sollen in Zukunft „Universal Apps“ die Plattformen verbinden. „Es sollte leicht sein, ein Gerät abzulegen und auf einem anderen dort weiterzumachen, wo man aufgehört hat“, fasste Myerson das Konzept zusammen. Für Microsoft steht hinter den plattformübergreifenden Apps freilich noch eine weitere Überlegung. Laufen die gleichen Anwendungen neben dem Handy oder Tablet auch auf dem PC, hätten Entwickler mit einem Mal eine viel größere Menge an potenziellen Nutzern und Käufern. Bisher lehnen es viele Programmierer wegen der geringen Nutzerzahlen ab, ihre Apps für Windows Smartphones zu adaptieren. Das geringe App-Angebot gilt zugleich wieder als Hemmschuh für Windows-Smartphones.
Sollte Microsoft der große Spagat gelingen, dann könnte der Konzern aus Redmond also tatsächlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - und nicht nur seine Vormachtstellung am PC behaupten, sondern auch endlich Zugang zum Mobilmarkt bekommen. Gut genug vorbereitet sollten die Redmonder inzwischen sein: Schließlich probierten sie die Übung in Ansätzen bereits vor drei Jahren. Das Ergebnis hieß damals Windows 8 - ein Kapitel, das Microsoft nun gerne schließen würde.
Martin Steinmüller, ORF.at
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