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„Probleme sind immer noch da“

Das griechische Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) geht nach seinem Wahlsieg am Sonntag eine Zusammenarbeit mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (ANEL) ein. Geeint werden sie durch die strikte Ablehnung der Sparprogramme und die Forderung nach einem Schuldenschnitt. Davon wollen EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) aber auch weiterhin nichts wissen.

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Für einen Forderungsverzicht gegenüber Athen gebe es nicht viel Unterstützung, sagte Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem am Montag in Brüssel. Die Euro-Gruppe habe schon viel unternommen, um die Schuldenlast zu mindern, beispielsweise über niedrige Zinsen und gestreckte Kreditlaufzeiten. „Es ist die Frage, ob wir noch mehr dazu tun müssen“, meinte Dijsselbloem. Vielmehr müsse sich Athen an entsprechende Regeln und Verpflichtungen halten: „Die Probleme sind immer noch da, es gibt noch viel Arbeit zu tun“, so Dijsselbloem.

Dijsselbloem will am Freitag mit dem neuen griechischen Premier Alexis Tsipras in Athen zusammenkommen. Das sagte Dijsselbloems Sprecherin am Dienstag in Brüssel. Der Niederländer wolle auch seinen neuen griechischen Amtskollegen, den als Befürworter eines Schuldenschnitts und Kritiker der Sparpolitik bekannten Giannis Varoufakis, treffen.

Juncker: Nicht auf dem Radarschirm

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht „keinen dringenden Handlungsbedarf“ für einen weiteren Schuldenschnitt. Das sei derzeit „nicht auf dem Radarschirm“ der EU-Kommission, sagte er gegenüber der ARD: „Griechenland wird sich an den Auflagen orientieren müssen, die Griechenland übernommen hat.“ Er sehe auch nicht die Notwendigkeit zu einem Schuldenerlass, da Griechenland bis 2020 von niedrigen Zinsen und verlängerten Laufzeiten profitiere. Er lobte zudem die rasche Regierungsbildung. Europa sitze keineswegs auf einem „Scherbenhaufen“.

Schuldenschnitt vor drei Jahren

Derzeit liegen die griechischen Staatsschulden bei knapp 170 Prozent der Wirtschaftsleistung. Erlaubt sind 60 Prozent. Bereits vor drei Jahren mussten Privatgläubiger wie Banken einen Schuldenschnitt von 50 Prozent hinnehmen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok (CDU), sieht auch keine Option für einen weiteren Schuldenerlass: „Einem weiteren Schuldenschnitt werden wir nicht zustimmen. Das wäre das absolut verkehrte Signal.“ Ein Zurückdrehen der Reformen sei ebenfalls nicht akzeptabel, sonst habe Griechenland spätestens in zwei Jahren wieder eine hohe Neuverschuldung.

Allerdings herrscht Einigkeit bei allen Seiten, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll. Dijsselbloem bezeichnete das als „Ausgangspunkt“ für die Verhandlungen: „Von da aus können wir mit ihnen arbeiten. Die Gespräche werden vielleicht hart werden, das ist schwer zu sagen.“ Er wolle aber nicht „über die Medien verhandeln“, sondern abwarten, was die Absichten der neuen Regierung in Athen seien.

Mitterlehner: Kein Alleingang Österreichs

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) erwartet in der Debatte über einen Schuldenerlass Bewegung auf beiden Seiten. Griechenland müsse seine Vereinbarungen erfüllen, gleichzeitig müssten auch die EU-Länder einen Schritt auf das Land zugehen. Diskutiert werden kann aus seiner Sicht über den Zeitraum für die Rückzahlung der griechischen Schulden sowie über Zinsen. Faymann warnte davor, einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone („Grexit“) herbeizureden. Das wäre „keine Kleinigkeit“ und hätte eine Verschärfung von Armut und Arbeitslosigkeit in Griechenland zur Folge - auch weil sich in Euro getätigte Investitionen in der dann massiv abgewerteten neuen griechischen Drachme nicht mehr rechnen würden.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) stellte am Dienstag nach dem Ministerrat klar, dass Österreich keine bilateralen Verhandlungen über einen griechischen Schuldenschnitt führen werde. Man werde „nur im europäischen Gleichklang“ vorgehen, sagte der Wirtschaftsminister. Es sei nun an der griechischen Regierung, Vorschläge zu machen.

Merkel an Tsipras: „Große Verantwortung“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Tsipras am Dienstag. „Sie treten Ihr Amt in einer schwierigen Zeit an, in der Sie vor einer großen Verantwortung stehen“, schrieb Merkel in einem am Dienstag veröffentlichten Glückwunschtelegramm. Sie hoffe, dass die künftige Zusammenarbeit die traditionell gute und tiefe Freundschaft zwischen den beiden Völkern weiter festigen und vertiefen möge. Merkel wünschte Tsipras für seine Arbeit viel Kraft und Erfolg.

IWF-Chefin Christine Lagarde zeigte Bereitschaft, „Griechenland weiter zu unterstützen“, wenn die Vereinbarungen eingehalten werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) schloss eine Beteiligung an einem möglichen Schuldenerlass für Griechenland aus: „Es ist nicht an der EZB zu entscheiden, ob Griechenland Schuldenerleichterungen braucht“, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Benoit Coeure. Es sei aber „absolut klar, dass wir keiner Schuldenerleichterung zustimmen können, bei der die griechischen Anleihen einbezogen würden, die bei der EZB liegen“. Das sei aus rechtlichen Gründen unmöglich.

Moody’s droht mit Herabstufung

Die US-Ratingagentur Moody’s drohte Griechenland unterdessen mit einer Herabstufung der Bonität. Der Wahlausgang erhöhe die Wachstums-, Finanzierungs- und Liquiditätsrisiken, erklärte Moody’s am Dienstag. Derzeit bewertet die Agentur die griechische Kreditwürdigkeit mit „Caa1“. Das bedeutet hohe Ausfallrisiken für Gläubiger, die ihr Geld nur bei günstiger Entwicklung zurückbekommen. Erst am Montag hatte die Ratingagentur Standard and Poor’s (S&P) mit einer Herabstufung gedroht.

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