„Bankomaten geben Geld aus“
Die rechtspopulistische Partei Unabhängige Griechen hat ihre Beteiligung an der neuen Regierung des Linksbündnisses SYRIZA bekanntgegeben. Es sei eine Grundsatzeinigung erzielt worden, sagte ihr Chef Panos Kammenos am Montag nach einem Treffen mit seinem SYRIZA-Kollegen Alexis Tsipras. „Ab jetzt hat das Land eine neue Regierung.“
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Unklar ist, ob die Rechtspopulisten eine Koalition mit SYRIZA bilden oder ob sie die Linkspartei von außen unterstützen. Kammenos sagte laut der Tageszeitung „Kathimerini“ nach dem Treffen, seine Partei werde Tsipras bei der Vertrauensabstimmung im Parlament unterstützen. SYRIZA-Sprecher Panos Skourletis bestätigte ebenfalls die Einigung auf eine Zusammenarbeit.
Tsipras wurde um 16.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) durch Staatspräsident Karolos Papoulias als Ministerpräsident vereidigt. Tsipras’ Partei hatte am Sonntag die Parlamentswahl klar gewonnen und dabei die absolute Mandatsmehrheit nur knapp verfehlt. SYRIZA-Sprecher Skourletis hatte sich bei der Ankunft zu den Gesprächen bestens gelaunt gezeigt und pochte auf Normalität nach dem politischen Erdbeben, das derzeit ganz Europa beschäftigt: „Die Sonne scheint, die Bankomaten geben Geld aus, die Menschen sind in der Arbeit.“
Nur eine Gemeinsamkeit
SYRIZA und die Rechtspopulisten verbindet eigentlich nur die Kritik an dem internationalen Hilfsprogramm der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Ansonsten liegen die beiden Parteien an den gegenüberliegenden Enden des politischen Spektrums. Die Unabhängigen machen sich zudem insbesondere für ein hartes Vorgehen gegen die illegale Einwanderung stark.

Reuters/Alkis Konstantinidis
Alexis Tsipras führte SYRIZA zum Sieg
Athen weicht damit auch in innenpolitischer Hinsicht vom europäischen Mehrheitsmodell ab: Statt einer oder mehrerer etablierter Parteien des politischen Spektrums regiert dort künftig ein Bündnis zweier Parteien, die an den beiden Flügeln des Spektrums angesiedelt sind. Diese Kooperation ist de facto zugleich eine Kampfansage an jene Vertreter Europas, die Athen zu Spar- und Reformauflagen verpflichteten.
Innenpolitisch bedeutsam ist, dass mit Nea Dimokratia und PASOK jene beiden Parteien abgewählt wurden, die in den Augen vieler Griechen für die Korrumpierung der Staatsverwaltung und - durch Steuerbefreiung - die Schonung des Establishments, etwa der reichen Reederfamilien, verantwortlich sind.
Euro-Gruppe gegen Schuldenerlass
Mit der Umsetzung seines zentralen Wahlversprechens - der Neuverhandlung der vereinbarten Reformauflagen - wird Tsipras auf zähen Widerstand in Brüssel treffen: Aus der Euro-Zone gibt es nach den Worten von Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem kaum Unterstützung für den von Tsipras geforderten Schuldenerlass für das Land. Wer in der Euro-Zone bleibe, müsse sich an Abmachungen halten, sagte Dijsselbloem in Brüssel. Er sei bereit zu Gesprächen mit der neuen griechischen Regierung. Auch die EU-Kommission erklärte sich zu raschen Gesprächen mit der neuen Regierung in Athen bereit.
Tsipras hatte noch Sonntagabend angekündigt, die Reformauflagen mit den europäischen Partnerländern neu zu verhandeln. Das Wahlergebnis sei ein klares Mandat für ein Ende des zerstörerischen Sparprogramms, sagte er am Sonntagabend in Athen vor Tausenden Anhängern. Tsipras versprach seinen Anhängern, dass die Jahre voll „Erniedrigung und Schmerzen“ nun vorbei seien. Als Ziele nannte er einen ausgeglichenen Haushalt und ein eigenes Konsolidierungsprogramm für das hoch verschuldete Land. Griechenland werde eigene Reformpläne präsentieren, so Tsipras weiter.
Keine Details zu SYRIZA-Plänen
Tsipras ließ in seiner Rede aber offen, was genau er mit den Geldgebern neu verhandeln will. Ziel seiner Politik werde aber sein, die durch die Krise entstandenen Wunden der Griechen zu heilen und den sozialen Zusammenhalt im Land wiederherzustellen. Ein destruktiver Streit solle dabei verhindert werden. Die Auflagen der Troika führten zu schweren sozialen Verwerfungen im Land - laut Tsipras ist auch die Troika Vergangenheit. Das Wahlergebnis bedeute ein Ende für den „Teufelskreis der Austerität“ in Griechenland.
Tsipras hatte im Wahlkampf erklärt, das von der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) mit 240 Milliarden Euro vor der Pleite gerettete Land zwar in der Euro-Zone halten zu wollen. Vereinbarte Reformauflagen will er aber kippen. Zudem forderte er einen Schuldennachlass, was die Troika ablehnt.
Börsen reagieren gelassen
Die erste Reaktion der europäischen Börsen fiel sehr gelassen aus: Der deutsche Leitindex DAX trat in den ersten Handelsminuten praktisch auf der Stelle. Für den MDAX ging es um 0,18 Prozent auf 1.8620,76 Punkte nach unten. Der Euro Stoxx 50 als Leitindex der Euro-Zone verlor zu Handelsbeginn nur ganz leicht. Der Euro war vor Handelsbeginn vorübergehend auf ein Elfjahrestief gefallen. Die griechische Börse drehte nach Bekanntwerden der raschen Einigung auf eine Koooperation von SYRIZA und Unabhängigen Griechen nach oben.

Reuters/Lefteris Pitarakis
Tausende Anhänger jubelten Tsipras zu
Rechtsradikale an dritter Stelle
SYRIZA erhielt nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen 36,3 Prozent (149 Sitze). Die konservative Nea Dimokratia (ND) des bisherigen Ministerpräsidenten Antonis Samaras, erreichte 27,8 Prozent (76 Mandate). Auf dem dritten Platz lag mit 6,3 Prozent die rechtsradikale Goldene Morgenröte (17 Sitze). Ihre Parteiführung sitzt wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft und führte den Wahlkampf vom Gefängnis aus. Die proeuropäische Partei der politischen Mitte, To Potami (Der Fluss), kam demnach auf sechs Prozent (17 Sitze).
PASOK stark dezimiert
Die Kommunisten schafften den Hochrechnungen zufolge den Einzug ins Parlament mit 5,5 Prozent (15 Sitze). Die bisher mitregierende sozialdemokratische PASOK landete mit großen Verlusten bei 4,7 Prozent (13 Sitze) - viele ihrer Wähler wandten sich laut ersten Analysen SYRIZA zu. Die Rechtspopulisten der Unabhängigen Griechen lagen ebenfalls bei 4,7 Prozent der Stimmen (13 Mandate). Die Partei des ehemaligen sozialistischen Regierungschefs Giorgos Papandreou dürfte an der Dreiprozenthürde gescheitert sein. Sie kam den Hochrechnungen zufolge auf 2,5 Prozent. Wahlberechtigt waren 9,8 Millionen Menschen.

Reuters/Alkis Konstantinidis
Auf den Straßen Griechenlands wurde der SYRIZA-Sieg gefeiert
Lange Zeit schien auch die absolute Mehrheit möglich, diese verfehlte SYRIZA jedoch laut Angaben des Innenministeriums in Athen. Für eine absolute Mehrheit wären 151 der 300 Sitze im griechischen Parlament nötig gewesen. Nach dem griechischen Wahlsystem erhält die stärkste Partei zusätzlich 50 Sitze im Parlament. Damit soll eine stabile Mehrheit gesichert werden.
Samaras gesteht Niederlage ein
Samaras gestand die Wahlniederlage nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen gegenüber Tsipras ein. In einer Fernsehansprache sagte Samaras am Abend, er werde die Entscheidung des griechischen Volkes akzeptieren. Er habe Griechenland am Rande eines Desasters übernommen und habe eine gute Grundlage für Wachstum und ein Ende der Finanzkrise gelegt.

Reuters/Panayiotis Tzamaros
Samaras gestand vor Journalisten seine Niederlage ein
„Das griechische Volk hat gesprochen, und wir akzeptieren seine Entscheidung“, sagte der konservative Politiker am Sonntagabend in Athen in einer kurzen Stellungnahme vor Journalisten. Er hoffe, die neue Regierung werde nicht die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU und in der Währungsunion gefährden. „Es gab auch Fehler“, räumte er ein, betonte aber: „Ich übergebe ein Land, das Teil der EU und des Euro ist.“ Er hoffe zum Wohle des Landes, dass die nächste Regierung das Erreichte bewahren werde.
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