Aufruf zu „Schatzsuche“ in eigener Firma
Brav sagen in einer Studie die meisten der 1.079 befragten Manager aus Österreich und Deutschland, dass sie die Motivierung ihrer Mitarbeiter für sehr wichtig halten. Das Problem daran: Ihren schönen Worten lassen die Chefinnen und Chefs kaum Taten folgen, wie sich gerade aus ihren eigenen Angaben ablesen lässt - just auf ihre besten Mitarbeiter vergessen sie offenbar recht oft.
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Rund ein Drittel der von vieconsult befragten Führungskräfte (464 in Österreich, 615 in Deutschland) betrachtet die „Beziehungsarbeit“ zur vorhandenen Belegschaft laut der im Dezember letzten Jahres präsentierten Untersuchung im Auftrag des Hernstein-Instituts als sehr wesentlich. Ein weiteres Drittel erkennt immerhin, dass das eine Rolle dabei spielt, ob sich ihre Mitarbeiter im Stillen schon nach einem anderen Job umsehen. Was das für ihr eigenes Unternehmen bedeutet, ist offenbar aber in vielen Chefetagen ein blinder Fleck von erstaunlichen Ausmaßen.
Fehleinschätzung mit „dramatischen Konsequenzen“
Nicht einmal fünf von zehn Managern sehen die Vermeidung von ständigem Kommen und Gehen in der Belegschaft als wichtige Aufgabe, geht aus den Antworten hervor. Der Jobmarkt spielt dabei offenbar eine Rolle: In Österreich sehen rund 40 Prozent der Chefinnen und Chefs Mitarbeiterfluktuation als Problem, in Deutschland mit deutlich geringerer Arbeitslosigkeit und deswegen dynamischerem Jobmarkt sind es aber 50 Prozent. Insgesamt rund 40 Prozent glauben, dass sie im Hinblick auf Mitarbeiterbindung eigentlich alles richtig machen.
Erst wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter gegangen ist, wachen die Manager offenbar auf: Acht von zehn Führungskräften unterstreichen, dass die Auswahl neuer Mitarbeiter für sie höchste oder hohe Priorität hat. Die Vermutung von Hernstein: Manager denken viel an den Austausch vorhandener Mitarbeiter, aber wenig daran, „veränderungsfreudige Mitarbeiter zum Bleiben zu bewegen“. Dabei habe hohe Fluktuation angesichts zunehmenden Fachkräftemangels in den Unternehmen „bereits mittelfristig dramatische Konsequenzen“.
„Demoralisierender Effekt“ für gesamte Belegschaft
Mitarbeiterfluktuation verursacht nicht nur die augenfällig hohen Kosten, von Mitarbeitersuche über die nötige Einschulung bis hin zu Produktivitätsdellen. Sie habe auch „einen demoralisierenden Effekt auf die im Unternehmen verbleibende Mannschaft, die unter dem ständigen Kommen und Gehen leidet“, warnt Institutsleiterin Eva-Maria Ayberk und ermutigt zur „Schatzsuche im eigenen Unternehmen“: „Was hält unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, was schätzen sie, was unterstützt ihre Leistungsfähigkeit?“
Angebote an die Mitarbeiter sollten dabei an deren persönliche Wünsche und Lebenssituationen anknüpfen, so Ayberk. Das könne bei einem eher die Karrieremöglichkeiten betreffen, beim anderen Geld und beim Dritten vielleicht die Einteilung der Arbeitszeit. Vor allem aber sollten sich die Führungskräfte an der eigenen Nase nehmen: Ihr eigener Führungsstil sei das Hauptargument für das Kommen oder Gehen von Mitarbeitern. Insgesamt acht von zehn Befragten ist das laut der Studie auch sehr bewusst - und je höher in der Managementstruktur, desto mehr.
Zuverlässigkeit heißt nicht Zufriedenheit
Wenn es Bewusstsein gibt, für die Belegschaft etwas tun zu müssen, zeigt es sich laut der Studie aber vor allem gegenüber jüngeren Mitarbeitern, denen zwei von drei Führungskräften eine generell höhere Wechselbereitschaft zuschreiben. Zwar könne man tatsächlich davon ausgehen, dass „ein Jobwechsel mit 45+ wegen der derzeitigen Wirtschaftslage und wohl auch aufgrund der Recruitingpolitik vieler Unternehmen alles andere als leicht“ sei. Die Zuverlässigkeit älterer Mitarbeiter dürfe man deshalb aber nicht mit deren Zufriedenheit gleichsetzen.
„Eine niedrige Fluktuationsrate bedeutet nicht automatisch hohes Engagement der Belegschaft. Denn auch eine innere Kündigung hat gravierende Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft.“ Damit schließe sich auch - Stichwort Anerkennung des Geleisteten - der Kreis zur Bedeutung des eigenen Verhaltens als Chefin oder Chef: „Gute Führung, vor allem in Form von Wertschätzung, Transparenz und Vorbildwirkung“, so Ayberk, zahle sich dabei gerade für die Firma „in jedem Fall aus.“
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