Revolution mit Ankündigung?
Glaubt man bisherigen Umfragen, gibt es kaum Zweifel, wer aus der am Sonntag anstehenden griechischen Parlamentswahl als großer Sieger hervorgehen wird. Die Rede ist vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), das bereits beim Urnengang 2012 überraschte und mit Parteichef Alexis Tsipras nun Griechenlands neuen Premier stellen könnte.
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Der Politaufsteiger steht für eine radikale Abkehr von der bisherigen Sparpolitik und trifft damit offenbar den Nerv vieler Griechen. Der derzeitige SYRIZA-Erfolgslauf verwundert Beobachtern zufolge jedenfalls kaum. Verwiesen wird vielmehr auf die mittlerweile fünf Jahre andauernde Staatsschuldenkrise und die fehlende Aussicht auf baldige Besserung. Ob und in welchem Umfang Tsipras die angekündigte Revolution für Griechenlands Politik auch umsetzen wird können, steht - abgesehen vom offenem Wahlausgang - dennoch in den Sternen.
Vorsprung ausgebaut
Zumindest eine „Revolution an der Wahlurne“ erscheint der „Zeit“ zufolge bereits eine ausgemachte Sache. Dafür sprechen auch die jüngsten Umfragen, in denen SYRIZA den Vorsprung zu den regierenden Konservativen von Premier Antonis Samaras mit rund sechs Prozent noch deutlich ausbauen konnte. SYRIZA käme demnach auf etwa 32 Prozent der Stimmen, Samaras’ Nea Dimokratia (ND) auf 26 Prozent.
Doch auch wenn die stimmenstärkste Partei dank dem griechischen Wahlrecht 50 der insgesamt 300 Parlamentssitze extra bekommt - die für eine Alleinregierung notwendige absolute Mehrheit wird SYRIZA bisher dennoch nur von wenigen zugetraut. Abhängen wird das nicht zuletzt vom Abschneiden der zur Wahl registrierten Kleinparteien: Je mehr die Dreiprozenthürde nicht schaffen, desto höher liegen die Chancen für Tsipras, auf einen Koalitionspartner verzichten zu können.
Samaras: „Wir werden siegen“
Samaras bezeichnete die Wahl als entscheidend für die Zukunft Griechenland. Vom Ergebnis hänge es ab, ob das Land „seinen europäischen Kurs fortsetzt“, sagte der konservative Politiker nach der Stimmabgabe in der kleinen Touristen-Hafenstadt Pylos auf der Halbinsel Peloponnes. „Wir werden siegen“, sagte Samaras. Viele unentschlossene Wähler würden seiner Nea Dimokratia ihre Stimme geben, meinte er weiter.
Spekuliert wird bereits über mögliche Mehrheitsbeschaffer, und hier fällt immer wieder der Name der erst im März gegründeten Partei To Potami (Der Fluss) rund um den TV-Journalisten Stavros Theodorakis. Laut Umfragen könnte To Potami aus dem Stand auf bis zu acht Prozent der Stimmen kommen. „Unser Erfolg hat viel mit dem Frust der Leute zu tun“, so Theodorakis laut „Welt“. Obwohl im Vergleich zu SYRIZA weniger radikal ausgerichtet, setzt To Potami dennoch auf ein ähnliches Erfolgsrezept und verspricht den Wählern ein Gegenmodell zu dem häufig mit Korruption, Bürokratie und Nepotismus gleichgesetzten Staatsapparat.
Kein Austritt aus der Euro-Zone
Zu Tsipras’ Wahlversprechen zählt unterdessen auch ein schnelles Ende der bisherigen Sparpolitik. Zudem fordert der SYRIZA-Chef einen Schuldenerlass für das Land. Wenig begeistert von Plänen wie diesen zeigen sich naturgemäß der Internationale Währungsfonds (IWF) und Athens Euro-Partner, die das Land seit 2010 mit Finanzhilfen in Höhe von bisher 240 Milliarden Euro vor der Staatspleite bewahrten. Angesichts einer wiederaufgeflammten Debatte versicherte Tsipras zuletzt immerhin, dass auch SYRIZA keinen Austritt aus der Euro-Zone wolle.
An Athens Wahlfavoriten scheiden sich aber auch in Griechenland die Geister. „Wenn er sich treu bleibt, wird sich sein Land vom Rest Europas isolieren. Wenn nicht, wird er nach der Wahl ein ganz anderer sein als vorher“, wird in diesem Zusammenhang etwa vom „Spiegel“ ein Beobachter zitiert. Gleichzeitig bereiten selbst konservative Zeitungen ihre Leser seit Tagen auf eine Wende vor. In den Blättern ist von einer „historischen Chance für die Linke“ die Rede. Kommentatoren werfen die Frage auf, ob die Linke sie richtig nutzen oder das Land in eine noch tiefere Krise stürzen wird.
Auch Samaras sieht Leidensgrenze erreicht
Selbst Samaras, der sich im Wahlkampf stets gegen Frontalzusammenstöße mit der EU aussprach, gestand ein, dass die Geduld der Griechen längst eine Grenze überschritten hat. Auch unter seiner Führung, so eines der Wahlversprechen des amtierenden Premiers, werde es keine weiteren Kürzungen von Löhnen und Renten geben. Zudem sollen allein im kommenden Jahr 700.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Nur zwei Tage vor der Wahl stellte die Regierung über 2.000 neue Arbeitskräfte ein - der Großteil arbeitet beim öffentlichen Stromversorger und als Lehrer. Eigentlich ist die Aufnahme neuer Staatsangestellter kurz vor einer Wahl per Gesetz verboten. Bei „großem Bedarf“ gebe es aber Ausnahmen.
Tsipras’ Versprechen reichen freilich deutlich weiter: SYRIZA will demnach nicht nur die Pensionen wieder erhöhen und Privatisierungen stoppen. Auch entlassene Staatsbedienstete sollen in ihren alten Job zurückkehren, wobei allein für diese Maßnahme rund zwölf Milliarden Euro in Aussicht gestellt wurden.
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