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Polizeipraxis umstritten

In den USA ist das „Predictive Policing“ längst Realität. Laut einer aktuellen Umfrage setzen 70 Prozent der befragten Polizeidienststellen bereits entsprechende Anwendungen ein. Insgesamt 90 Prozent planen die Implementierung bis 2016, wie Netzpolitik.org berichtete.

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Der Markt für polizeiliche Vorhersagesoftware ist vor allem in den USA groß. Angeführt von dem Programm „Blue CRUSH“ (Criminal Reduction Utilizing Statistical History) von IBM, das für seine Prognosen auch öffentliche Quellen wie Wetterberichte, geplante größere Veranstaltungen und Zahltage berücksichtigt, hat sich in den letzten Jahren das System “PredPol”, das US-Universitäten in Zusammenarbeit mit der Polizei von Los Angeles entwickelt haben, auf dem US-Markt etabliert.

Software bündelt Daten aus vielen Quellen

Beide Systeme arbeiten vor allem mit historischen Daten etwa von Einbrüchen und Autodiebstählen, anhand derer vorhergesagt werden soll, in welchen Vierteln einer Stadt es mit hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit zu kriminellen Vorfällen kommt. Diese etwa 150 Quadratmeter großen Hotspots werden dann von Polizeistreifen mit höherer Frequenz kontrolliert. Anders als im nun in Österreich zum Einsatz kommenden System Crime Predictive Analytics (CriPA) werden auch Wetterdaten, Kaufkraftzahlen der Bevölkerung, Informationen zu Großveranstaltungen und andere Informationen in dem System zusammengeführt. Eine Ausweitung auf Schusswaffenkriminalität ist geplant.

Während die Polizeibehörden von Erfolgen bei der vorsorglichen Verbrechensbekämpfung berichten, sehen Kritiker zahlreiche Probleme. Denn die Software sagt zwar, wo und wann die nächsten Delikte zu erwarten sind, doch wer genau sich demnächst kriminell betätigen wird, ist nicht bekannt. Das fördere vor allem Vorurteile bei der Polizei und öffne Alltagsrassismus Tür und Tor, so die Kritik. Als Folge würden vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe, Träger von Kapuzenpullovern und dem Aussehen nach unterprivilegierte Personen an den Hotspots kontrolliert und von der Polizei angehalten, obwohl sich diese nichts zuschulden hatten kommen lassen.

Scanner schaut durch Mauern

Generell gilt die US-Polizei als sehr einsatzfreudig, was neue Technologien betrifft. Wie „USA Today“ zuletzt berichtete, nutzen die US-Behörden bereits seit längerem Handradargeräte, die durch Wände schauen können. Der Scanner kann demnach Mauern aus Beton, Zement, Holz, Ziegel und weiteren nicht metallischen Oberflächen durchdringen und anzeigen, wie viele Personen sich wo in einem Raum aufhalten. Die Reichweite soll bis zu 15 Meter betragen.

Kritik an Einsatz ohne Durchsuchungsbefehl

Die Polizei versucht damit vor einer Stürmung einer Wohnung eines Verdächtigen herauszufinden, was sie hinter den Mauern erwartet. Die Öffentlichkeit wurde von der offenbar seit längerem eingesetzten Scanmethode jedoch nicht informiert. Für Datenschützer ist diese Praxis bedenklich. Denn ein Blick in das Innere einer Wohnung oder eines Hauses ist den Behörden nur mit Durchsuchungsbefehl gestattet. Mehrere Urteile von US-Gerichten untermauern diese Sichtweise und sehen in dem Scan-Wildwuchs einen möglichen Verstoß gegen den vierten Zusatzartikel der US-Verfassung, der Bürger vor staatlichen Übergriffen schützen soll.

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