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„Echtes Dialogzentrum“ gefordert

Als Reaktion auf die immer heftiger geführte Diskussion über die Schließung des umstrittenen Abdullah-Zentrums für Interreligiösen Dialog (KAICIID) will sich die internationale Organisation neu aufstellen. Bei „konstruktiven Gesprächen“ mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wurden künftige Prioritäten festgelegt, hieß es am Sonntag.

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Diese decken sich im Wesentlichen mit den am Tag zuvor vom Außenminister geforderten Punkten. So soll die Anzahl der Mitgliedsstaaten von KAICIID erhöht werden, der interreligiöse Dialog zu wichtigen Fragen wie den Menschenrechten gestärkt und die Unabhängigkeit des Zentrums von nationalstaatlichem politischen Einfluss gewährleistet werden. Außerdem soll der öffentliche Dialog der religiösen Gemeinschaften gefördert und das Programm des Zentrums einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden.

Für Kurz ohne Reform keine Zukunft für KAICIID

Ohne diese Reform habe das Zentrum keine Zukunft, hieß es im Außenministerium. Kurz habe dazu in den letzten Tagen Gespräche geführt, und auch der spanische Außenminister - Spanien ist der dritte Kooperationspartner des Zentrums neben Saudi-Arabien und Österreich - habe seine Bereitschaft zu dessen Neuaufstellung bekundet.

„Vor dem Hintergrund der vielerorts zunehmenden Polarisierung und Radikalisierung sind unsere Projekte und Programme wichtiger denn je“, sagte KAICIID-Sprecher Peter Kaiser. Er verwies darauf, dass seit Mitte 2013 mehr als 50 Veranstaltungen mit rund 3.500 Teilnehmern 30 unterschiedlicher Religionen aus mehr als 100 Ländern und neun Konfliktregionen durchgeführt wurden.

Keine konkrete Stellungnahme zu Auspeitschung

Am Montag betonte das Abdullah-Zentrum in einer Aussendung erneut, dass man „jede Art von Gewalt“ verurteile. „Das KAICIID-Direktorium (Board of Directors) stellt ausdrücklich klar: KAICIID verurteilt jede Art von Gewalt - wann, wo und wie immer sie auftritt und durch wen auch immer sie ausgeübt wird“, heißt es in dem Statement. „Die Aufgabe des Dialogzentrums ist es, interreligiöses Verständnis und Kooperation zu fördern. Sein Ziel ist es, Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zusammenzubringen, Dialog zu ermöglichen, Angst und Hass zu bekämpfen und Brücken aus Vertrauen und Respekt zu bauen, um Frieden in der Welt zu fördern.“

Auf die Frage, ob das nun die von vielen Seiten verlangte Verurteilung der Bestrafung des Bloggers sei, sagte ein Sprecher des Zentrums gegenüber der APA lediglich, es handle sich um eine Reaktion auf verschiedene Berichte vom Wochenende.

Bandion-Ortners Rücktritt angenommen

Der am Samstag überraschend angekündigte Rücktritt von Claudia Bandion-Ortner als Vizegeneralsekretärin des Zentrums wurde am Sonntag seitens des Zentrums angenommen. Man anerkenne diesen Schritt als Beitrag zur Beruhigung der aktuellen Diskussion, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Bandion-Ortner habe dem Zentrum mitgeteilt: „Die Förderung von Dialog, um Verständnis und Respekt zwischen Menschen verschiedener Religionen und Kulturen zu stärken, ist eine Aufgabe, der ich mit größter Überzeugung nachgegangen bin. Ich wünsche dem Dialogzentrum KAICIID für seine weitere wichtige Arbeit alles Gute.“

„Wir anerkennen diesen Schritt von Frau Bandion-Ortner als Beitrag zur Beruhigung der aktuellen Diskussion rund um das Dialogzentrum. Wir wünschen ihr für die Zukunft alles Gute“, so Kaiser in der Aussendung. Bandion-Ortner teilte am Samstag mit, sie wolle sich in nächster Zeit zurückziehen. Wann genau das der Fall sein werde, konnte Kaiser nicht sagen.

Vom Richteramt karenziert

ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter wollte sich im Ö1-Morgenjournal am Montag nicht zur weiteren Karriere von Bandion-Ortner äußern. Auf die Frage, ob es gut sei, wenn die Ex-Ministerin, die mit ihren umstrittenen Aussagen zur Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien für Aufsehen sorgte, wieder als Richterin arbeite, wollte Brandstetter nicht eingehen. Das sei nicht seine Zuständigkeit, so Brandstetter mit indirektem Verweis auf die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit. Er betonte, dass Bandion-Ortner von ihrem Richteramt karenziert sei und ein Rückkehrrecht habe.

Grüne kritisieren Kurz

SPÖ und Grüne übten massive Kritik an Kurz, weil dieser vor einer Entscheidung noch einen Evaluierungsbericht über die Organisation abwarten wollte. „Das ist für mich eine Verzögerungstaktik“, kritisierte Grünen-Chefin Eva Glawischnig noch am Samstag und forderte einen raschen Nationalratsbeschluss für den Ausstieg Österreichs. Auch die SPÖ hatte zuletzt eine raschere Evaluierung gefordert. Im Außenministerium hieß es dazu nun, dass der Bericht „selbstverständlich“ rascher vorliegen werde.

Demonstranten vor der Saudischen Botschaft

APA/EPA/Roland Schlager

Amnesty International protestierte vor der saudischen Botschaft

Erfreut, sowohl über diese Zusage als auch über den Abgang Bandion-Ortners, zeigte sich die SPÖ. „Der Rücktritt von Bandion-Ortner war längst überfällig“, so Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos in einer Aussendung. Ähnlich FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl: Der Rücktritt sei „überfällig“, ändere aber nichts: „Das Zentrum muss geschlossen werden - und zwar sofort.“ Am Freitag veranstalteten die Grünen eine Mahnwache für den saudischen Blogger Raif Badawi vor dem Abdullah-Zentrum, Amnesty International (AI) protestierte vor der saudischen Botschaft gegen seine Auspeitschung.

Auspeitschung wegen Gesundheit verschoben

Unterdessen setzte die saudi-arabische Justiz die für Freitag angesetzte weitere Auspeitschung Badawis aus. Die Verschiebung sei „aus medizinischen Gründen“ angeordnet worden. Der Gefängnisarzt habe aus Sorge um das Leben Badawis eine Verschiebung auf kommende Woche empfohlen, so AI. Nach der Aussetzung hatte Kurz mit dem saudischen Vizeaußenminister und Königssohn Abdulaziz bin Abdullah bin Abdulaziz Al Saud telefoniert und darauf gedrängt, dass es nach der Aussetzung der Auspeitschung „auch zu einer Begnadigung für den saudischen Blogger kommt“, verlautete am Freitag aus dem Außenministerium.

Badawi wurde wegen „Beleidigung des Islam“ zu zehn Jahren Haft und tausend Peitschenhieben verurteilt. Die Strafe wird in wöchentlichen Tranchen zu 50 Peitschenhieben exekutiert. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) forderte von Saudi-Arabien die Begnadigung von Badawi und die Einhaltung der Menschenrechte - mehr dazu in religion.ORF.at.

Regierung protestierte bei EU und UNO

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) übermittelte dem saudi-arabischen Botschafter Mohammed al-Sallum bereits am Donnerstag ein Protestschreiben im Fall Badawi. „Das Auspeitschen widerspricht der UNO-Folterkonvention, die auch Saudi-Arabien ratifiziert hat“, betonte Faymann laut einer Aussendung. Er will eine rasche Prüfung, um noch vor dem Sommer eine Entscheidung über eine mögliche Kündigung der entsprechenden Abkommen zu treffen. Das Zentrum komme seinen vertraglich festgelegten Aufgaben nicht nach, so die Einschätzung im Kanzleramt.

Das Außenministerium bemühte sich ebenso, die Auspeitschung des Bloggers zu unterbinden. Kurz schaltete in diesem Zusammenhang auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und den UNO-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein ein. Am Donnerstag war auch der saudische Botschafter erneut ins Außenministerium zitiert worden. „Die internationale Gemeinschaft muss handeln“, hieß es aus dem Außenministerium.

Abdullah-Zentrum erwähnt Auspeitschungen nicht

Das Abdullah-Zentrum verteidigte sich am Freitag. Die Türen stünden „für alle Interessierten offen“, hieß es in einer Aussendung. Anlässlich der Mahnwache der Grünen vor dem KAICIID habe das Zentrum die Kritiker zum Gespräch eingeladen, um über seine Mission und Aktivitäten zu informieren, so Sprecher Kaiser.

Eine Verurteilung der Auspeitschungen Badawis war in der Aussendung nicht zu finden: „Wir sind Mediatoren, Moderatoren und Förderer im interreligiösen Dialog. Wenn wir rufen, sollen alle kommen - auch Staaten, die das Scharia-Recht anwenden. Daher ist unsere Unparteilichkeit so wichtig“, so Kaiser. „Anders können wir unsere Aufgabe, für die wir geschaffen wurden, nicht erfüllen: Menschen an einen Tisch zu bringen, die normalerweise nicht miteinander sprechen.“ Betont wurde weiters, dass sich die Arbeit von KAICIID auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO gründe.

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