Regierung bleibt abwartend
Als einzig möglichen Weg hat der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, am Donnerstag den völlig unerwarteten Schritt, den Euro-Mindestkurs aufzuheben, gerechtfertigt. Der Ausstieg habe überraschend erfolgen müssen, so Jordan, der Moment sei richtig gewesen.
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Ein Festhalten an dem Kursziel von 1,20 Franken je Euro hätte auf lange Sicht keinen Sinn ergeben, so Jordan am Donnerstag vor Journalisten. „Der Ausstieg musste überraschend erfolgen“, sagte er. Damit wollte die SNB offenbar auch mögliche Spekulationen auf den Märkten verhindern. Die Finanzmärkte erwischte der Schritt kalt, sie reagierten mit heftigen Turbulenzen. Schließlich hatte die SNB bis zuletzt zugesichert, das Kursziel unter allen Umständen mit unbegrenzten Devisenkäufen verteidigen zu wollen.
Jordan trat auch Vermutungen entgegen, die SNB könnte faktisch zu dem Schritt gezwungen gewesen sein. Marktdruck sei nicht ausschlaggebend gewesen, so der Notenbankchef. In den vergangenen Wochen hatte der Euro-Franken-Kurs an der Grenze von 1,20 Franken förmlich geklebt. Ein wichtiger Grund dafür waren Erwartungen einer noch lockereren Geldpolitik in der Euro-Zone. Die SNB musste deswegen den Franken mit stetigen Devisenkäufen schwächen, um die Kursgrenze zu verteidigen.
SNB vertraut auf Negativzins
Zugleich zeigte sich Jordan zuversichtlich, dass die Zinspolitik der SNB den Auftrieb des Franken bremsen kann. „Der Negativzins wird stark wirken“, so Jordan. Als begleitenden Schritt zur Aufgabe des Mindestkurses senkte die SNB am Donnerstag den Zins für Bankeinlagen bei der SNB weiter ins Negative. Mit einem negativen Zins für Kleinsparer rechnet der SNB-Chef aber nicht. Auch eine Deflationsspirale aus stark fallenden Verbraucherpreisen und schrumpfendem Wachstum sei nicht zu erwarten.
Die Schweizer Wirtschaft habe der Mindestkurs vor schwerem Schaden bewahrt, meinte Jordan. In der letzten Zeit hätten sich die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume aber verschärft. Das dürfte sich fortsetzen. Der Euro wertete gegenüber dem Dollar deutlich ab. Dadurch schwächte sich auch der Franken zur US-Währung ab, wie der SNB-Präsident ausführte. Vor diesem Hintergrund sei die Notenbank zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Beibehaltung des Franken-Euro-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sei.
Mehr Handlungsspielraum für SNB
Die heftigen Marktreaktionen seien für die Währungshüter zweitrangig. Der Fall des Euro und der Aktienkurse sei eine Übertreibung, zu der die Kapitalmärkte nach einer so überraschenden Entscheidung einer Notenbank neigten, sagte Jordan. „Die Volatilität an den Märkten muss man hinnehmen.“ Der Markt werde sich auf einem vernünftigen Niveau einpendeln, so Jordan weiter.
Die SNB habe ihren Handlungsspielraum zurückgewinnen müssen, den sie durch die Bindung an den Euro aufgegeben habe, sagte der SNB-Chef weiter. Gravierende dauerhafte Nachteile für die Schweizer Wirtschaft befürchte er nicht. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren Zeit gehabt, sich an einen starken Franken anzupassen. „Das Risiko für eine weitere Minusteuerung ist vorhanden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir in eine Deflationsspirale hineinkommen“, sagte Jordan.
Regierung berät über Entscheidung
Die Schweizer Regierung reagierte zurückhaltend auf die Entscheidung der Notenbank. Die Regierung habe den Entscheid zur Kenntnis genommen, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf am Donnerstag in Bern. Die Bank werde auch in Zukunft für monetäre Bedingungen sorgen, die eine Deflation oder Inflation verhinderten und eine stabile Entwicklung der Wirtschaft in der Schweiz gewährleisteten. Die Notenbank hatte den Mindestkurs im Jahr 2011 festgelegt. Die Schweizer Regierung hatte den Schritt damals begrüßt.
Der Wirtschaftsausschuss der Schweizer Regierung wird sich am Donnerstagnachmittag zu einer Sitzung treffen. Er werde den Entscheid der Nationalbank analysieren und „zum gegebenen Zeitpunkt“ über die Erkenntnisse informieren, sagte Widmer-Schlumpf. Dem Ausschuss unter Leitung von Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gehören die Finanzministerin sowie Umweltministerin Doris Leuthard an.
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