„Positiver als oftmals dargestellt“
„87 Prozent fühlen sich als Europäer.“ So lautet ein Ergebnis einer aktuellen Umfrage, mit der in Österreich, Finnland und Schweden 20 Jahre nach dem Beitritt die Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf das Empfinden der Bevölkerung abgefragt wurde. Angesichts ernüchternder Ergebnisse bisheriger Studien überrascht die Umfrage aus heimischer Sicht - Österreich bleibt dennoch ein Land der EU-Skeptiker.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Von „erfreulichen Ergebnissen“ sprach der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Johann Sollgruber, der am Donnerstag zusammen mit dem EU-Koordinator im Außenministerium, Hubert Heiss, der finnischen Botschafterin in Österreich, Anu Laamanen, und Asa Wiberg von der schwedischen Botschaft die Umfrageergebnisse in Wien präsentierte.

ORF.at/Peter Prantner
Sollgruber, Heiss, Wiberg und Laamanen (v. l. n. r.) bei der Präsentation der Umfrage im Haus der Europäischen Union
Die Zustimmung bzw. das Wohlbefinden der Österreicher in der EU seien „deutlich positiver, als oftmals dargestellt wird“. Durchaus überrascht vom Ergebnis zeigte sich auch Heiss, dem zufolge man sich mit Blick auf die Umfrage durchaus die Frage stellen könne, „ob es dasselbe Land ist, das hier beschrieben wird, wenn man sich den Alltag in Österreich anschaut“.
Austritt in Schweden kein Thema
Sollgruber zufolge sei im Verhältnis Österreichs und der EU allerdings noch lange „nicht alles paletti“, wenngleich sich die Österreicher 20 Jahre nach dem Beitritt mittlerweile „an die EU gewöhnt haben“. Heiss verwies in diesem Zusammenhang auch auf das angekündigte EU-Austrittsvolksbegehren. Seiner Einschätzung zufolge könnten die für die Durchführung notwendigen Unterschriften durchaus zusammenkommen - dem Volksbegehren selbst sehe man aber gelassen entgegen.

ORF.at/Peter Prantner
Soll Österreich die EU näherbringen: Das Haus der Europäischen Union in Wien
Im Gegensatz dazu ist ein EU-Austritt im „weit pragmatischeren“ Schweden bisher überhaupt kein Thema. Wiberg wollte in diesem Zusammenhang aber auch nicht verschweigen, dass das Nicht-Euro-Land Schweden eben „kein volles Mitglied“ sei und somit von der laufenden Wirtschafts- und Finanzkrise eben auch nicht im gleichen Ausmaß betroffen sei. So wie Wiberg verwies auch Laamanden darauf, dass man 20 Jahre nach dem Beitritt eine durchwegs positive Bilanz ziehen könne.
40- bis 54-Jährige „Ausreißer“
Als größte Errungenschaft der EU wurde der Umfrage zufolge die Reisefreiheit bewertet. 76 Prozent sind demnach der Meinung, dass sich die EU-Mitgliedschaft positiv auf die Mobilität von Studenten und Arbeitnehmer ausgewirkt hat. Über 70 Prozent der Befragten sahen einen positiven Effekt auf die Auswahl bei Konsumgütern. Rund zwei Drittel zeigen sich zudem überzeugt, dass die EU-Mitgliedschaft positive Auswirkungen auf die Rolle ihres Landes in der Welt hatte.
Negativ bewertet wurde im Gegensatz dazu vor allem die wirtschaftliche Situation, wobei hier gleichzeitig auch der größte Handlungsbedarf geortet wurde. Die Schwerpunkte der neuen EU-Kommission sollen demnach bei den Themen Beschäftigung und Stabilität des Euro liegen - auf Rang drei folgt das Thema Sicherheit.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich zudem, dass die Zustimmung zur EU vor allem in Österreich nicht zuletzt von der sozialen Schicht abhängt. Während Finnen und Schweden aller Alters- und Berufsgruppen mehrheitlich positive Gefühle gegenüber der EU hegen, gibt es in Österreich zwei „Ausreißer“. Die Arbeiter verbinden zu 56 Prozent negative Gefühle mit der EU, und in der Gruppe der 40- bis 54-Jährigen sind Befürworter und Gegner gleichauf.
„Pilotprojekt“ für weitere Umfragen
Angesprochen auf die doch deutlichen Unterschiede zu den Erkenntnissen „klassischer“ Eurobarometer-Umfragen gestand Sollgruber durchaus Verzerrungseffekte ein, unter anderem weil „nur drei Länder zur Auswahl standen“. Konkret habe man für die Umfrage einen speziellen, mehrere Länder betreffenden Anlass - in diesem Fall der gemeinsame Beitritt von Österreich, Finnland und Schweden - als Grundlage verwendet.
Zudem handelt es sich Sollgruber zufolge um ein Pilotprojekt des europäischen Statistikamtes Eurostat, wo man für Eurobarometer-Umfragen bisher auf klassische Telefonbefragungen setzte. Da die Fragen nun erstmals ausschließlich online gestellt wurden, zählen die 1.000 für das „Spezial-Eurobarometer“ befragten Österreicher auch zu den Pionieren einer an mehr Effizienz arbeitenden EU.
Peter Prantner, ORF.at
Links: