Polizei konnte Sicherheit nicht garantieren
Das islamkritische Theaterstück „Lapidee“ aus der Feder des Schweizer Autors Jean Chollet wird diese Woche in Paris nur noch dreimal gespielt - geplant waren ursprünglich insgesamt 30 Aufführungen. Nach den Terroranschlägen der letzten Woche wurde der Spielplan zusammengestrichen und die Werbekampagne gestoppt. Das Stück verschwindet vom Spielplan.
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„Wir spielen am Mittwoch, Donnerstag und Freitag“, sagte Autor Chollet, der bei der Aufführung auch Regie führt, gegenüber der Schweizer Nachrichtenagentur sda. Er bestätigte damit Angaben der Westschweizer Zeitung „24 Heures“. Ursprünglich hätte das Stück im Theatre Cine XIII de Montmartre bis am 1. März laufen sollen. „Lapidee“ („Gesteinigt“) erzählt die Geschichte der Unterdrückung und Steinigung einer Frau im Jemen.
„Wir hatten eine heftige Debatte“
Chollet betont, das Stück sei „nicht gegen den Islam, aber es zeigt, dass Religion instrumentalisiert werden kann, um Gewalt zu legitimieren“. Chollet, der auch als Pastor in Lausanne tätig ist, sagte, die Präfektur von Paris habe den Theaterproduzenten aufgefordert, die Werbekampagne abzublasen. „Wir hatten eine heftige Debatte zwischen dem Theaterdirektor, den Schauspielern, dem Produzenten und mir und haben lange gezögert.“
Das größte Risiko bestehe für das Theater und vor allem seine Besucher, so Chollet. Die Polizei habe es abgelehnt, Beamten vor dem Saal zu positionieren. Sie habe bereits genug zu tun, hieß es als Begründung. „Im Theater ist man nicht allein. Man bezieht eine ganze Gruppe ein“, sagte Chollet, der die Entscheidung des Produzenten gut verstehen kann. Allerdings macht er auch keinen Hehl daraus, dass besonders die Schauspieler enttäuscht seien.
Freiheit nur in Sicherheit möglich
Der französische Islamwissenschaftler Mathieu Guidere sieht in der Sache ein Dilemma zwischen der Freiheit und dem Respekt der Befindlichkeit oder des Glaubens der anderen. Wenn es dabei zu einem „Dilemma“ komme, gehöre zwar „die Sicherheit an erste Stelle“. Aber nicht Nachgeben und Zensur seien gefragt, sondern lediglich die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen - konkret Straßensperren, das Organisieren eines Sicherheitsdiensts und die Kontrollen der Eingänge.
Der Uniprofessor verweist auf sein persönliches Credo: „Freiheit kann nur erlebt werden, wenn Sicherheit herrscht.“ Letztere sei eine grundlegende Voraussetzung für Freiheit, aber kein Selbstzweck. Was die Antworten aus der Gesetzesecke auf die Attentate angeht, so sei, sagte Guidere, die französische Gesetzgebung ausreichend, „aber nicht funktionsfähig“: „Das Anti-Terror-Gesetz wurde 14-mal abgeändert, es ist zu einer Rumpelkammer verkommen.“ Es gehöre dringend reformiert.
Harsche Kritik an laxer Gesetzgebung
Es gelte, dieses verzettelte Gesetz zu „reorganisieren“ in einem zusammenhängenden Paket mit „drei klaren und einfachen Achsen“, so Guidere: Maßnahmen gegen Personen, in den Gefängnissen und im Internet. Vor allem aber brauche es Mittel, um das Gesetz anzuwenden. „Heute sind die Anwendungsverordnungen der im November verabschiedeten Fassung noch nicht einmal publiziert“, kritisierte Guidere außerdem Schlamperei in der Legislative.
Dazu komme, dass gewisse Maßnahmen unmöglich anzuwenden scheinen. „Das Gesetz sieht vor, Dschihadisten-Websites zu sperren. Aber diese Seiten stammen gar nicht aus Frankreich.“ Der Islamwissenschaftler befürwortet eine Regulierung des Internets, wo es unumgänglich sei und wenn damit die Freiheit nicht allzu stark eingeschränkt werde. „Zuerst aber müssten die Anbieter akzeptieren, dass sie verantwortlich sind für die Inhalte, die sie unterbringen.“
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