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Verkauf von „Familiensilber“ hat Tradition

Die Regierung versucht den Neustart mit den staatlichen Unternehmensbeteiligungen. Die Weiterentwicklung der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG) zur Standortholding fand sich schon im Regierungsabkommen als Ziel. Hier ein Überblick über die Geschichte und wichtigsten Privatisierungen der einstigen Österreichischen Industrieverwaltungs-GMBH (ÖIG):

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Als Geburtsstunde der ÖIAG-Vorgängerin ÖIG gilt das Jahr 1967, auch wenn es eine verstaatlichte Industrie bereits seit dem 26. Juli 1946 gab, als im Parlament einstimmig ein Verstaatlichungsgesetz beschlossen wurde - das noch, um Beschlagnahmungen vor allem durch die Sowjetunion zu verhindern. Unter Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) wurde die verstaatlichte Industrie, die direkt von der Regierung verwaltet wurde, 1967 treuhänderisch zur Ausübung der Anteilsrechte der Republik übertragen, und dafür wurde die ÖIG gegründet.

Erste Verkäufe 1987

1970 erfolgte die Umwandlung in die Österreichische Industrieverwaltungs-AG. Seit 1986 trägt die ÖIAG ihren vorerst noch aktuellen Namen. Praktisch seit es das Republiksvehikel gibt, wurde und wird über dessen Aufgaben gestritten und immer wieder entweder die Auflösung oder Aufwertung gefordert. Auch ehemalige Vorstände wie etwa Johannes Ditz (ÖVP) sprachen sich immer wieder einmal für das Aus der Staatsholding aus. Erstmals an die Börse ging ein ÖIAG-Unternehmen im November 1987.

15 Prozent des OMV-Grundkapitals wurden damals über die Börse abgegeben. 1989 folgten weitere zehn Prozent. In den 1990ern gab es beim Mineralölkonzern erneut Privatisierungsschritte. 1992 gingen 26 Prozent der Simmering-Graz-Pauker Verkehrstechnik (SGP-VT) an Siemens Österreich, 1993 kaufte Siemens weitere 48 Prozent. Auch wurden im selben Jahr 49 Prozent der VA Eisenbahnsysteme (VAE) über die Börse losgeschlagen. 1993 erfolgte der weitere Verkauf von 25 Prozent der VAE über die Börse - die Firma wurde mehrheitlich privat.

1994 Mehrheit an OMV verkauft

Die nächste größere Privatisierung folgte 1993 mit dem Verkauf von 74 Prozent der Austria Mikro Systeme International (AMI) über die Börse, die so zur austriamicrosystems AG (ams) wurde. 1994 wurden die übrigen 26 Prozent an der ams abgegeben. Die bis zu diesem Zeitpunkt größte Transaktion auf dem österreichischen Kapitalmarkt erfolgte 1994 mit der Privatisierung von 51 Prozent der VA Technologie AG an der Börse. Ebenfalls 1994 gingen 20 Prozent der OMV an den Abu-Dhabi-Staatsfonds IPIC - der ÖIAG-Anteil an der OMV sank auf 53 Prozent.

Bis zum Jahresende 1994 ging der Anteil weiter auf 50 Prozent minus einer Aktie zurück. Damit wurde der Mineralölkonzern mehrheitlich privat. Der Privatisierungserlös der OMV belief sich auf 271,8 Mio. Euro, jener der VA Tech auf 499,8 Mio. Euro. Insgesamt erlöste der Staat in diesem Jahr 841,2 Mio. Euro, da die übrigen 26 Prozent an der VAE genauso verkauft wurden wie auch die ganze Austria Technologie & Systemetechnik (AT&S).

Umbau unter Schwarz-Blau

Die VA Stahl - die spätere voestalpine - spülte 172,7 Mio. Euro in den 1995er-Staatssäckel: Im Oktober 1994 wurden 31,7 Prozent über die Börse verkauft. Im Februar 1996 folgten weitere 4,6 Prozent an einen institutionellen Investor. Die ÖIAG hielt somit nur noch einen Anteil von 38,8 Prozent. 25 Prozent gehörten in einer Überkreuzbeteiligung der VA Tech, die aus den Branchenholdings Maschinen- und Anlagenbau sowie Elektro/Elektronik hervorgegangen war. Diese Überkreuzanteile wurden von beiden Seiten später veräußert.

Mit Antritt der schwarz-blauen Regierung 2000 wurde das ÖIAG-Gesetz novelliert, die VA Stahl stand nicht auf der Privatisierungsliste - vorerst. An einer Kapitalerhöhung im April 2002 beteiligte sich die ÖIAG zur Hälfte, der ÖIAG-Anteil sank auf 34,7 Prozent, was dem Staat 308,4 Mio. Euro einbrachte. Erst mit dem Privatisierungsauftrag der Regierung Schüssel II vom 1. April 2003 wurde die vollständige Privatisierung des in voestalpine umbenannten Stahlkonzerns fixiert.

Am 25. Juni 2003 erfolgte eine Präzisierung des Privatisierungsauftrags an die ÖIAG, unter Berücksichtigung eines österreichischen Aktionärskerns und der heimischen Standorte bei gleichzeitigem Ausschluss eines Verkaufs an einen strategischen Investor. Grund waren aufgedeckte Geheimabsprachen der ÖIAG unter anderem mit dem Magna-Konzern von Frank Stronach, was einen politischen Wirbel auslöste, da ein „Filetieren“ der voestalpine befürchtet wurde. Die Privatisierung 2003 brachte 246,5 Mio. Euro, die endgültige 2005 weitere 245,2 Mio. Euro.

Öl, Tabak, Salz - und mehr

1995 erfolgte der Verkauf der Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG an die Berndorf AG. Diese griff sich auch 27,3 Prozent der Böhler-Uddeholm AG. Nach dem Verkauf von 47,7 Prozent der Böhler-Uddeholm AG 1996 war diese mehrheitlich privatisiert. Im selben Jahr wurden weitere 14,9 Prozent der OMV über die Börse verkauft - der ÖIAG-Anteil lag somit bei 35 Prozent. 1996 wurden auch insgesamt 87 Prozent der VAMED verkauft, die VA Bergtechnik komplett abgestoßen und die Austria Metall AG verkauft. Insgesamt kassierte der Staat in diesem Jahr 653 Mio. Euro bei Privatisierungen.

1997 brachte alleine das Abstoßen von 49,5 Prozent der Austria Tabak 384,4 Mio. Euro. Weitere 9,4 Prozent wurden 1999 verkauft, der Rest unter Schwarz-Blau 2001. 1997 wurden auch 100 Prozent der Österreichischen Salinen AG an eine Bietergruppe Androsch/RLB OÖ/Thomanek verkauft. Insgesamt lukrierte die Republik in diesem Jahr über Privatisierungen 444,7 Mio. Euro. Von Juni 1997 bis Jänner 1998 wurden auch insgesamt 4,354.000 Aktien der Bank Austria verkauft.

Im Februar 1998 wurden weitere 6,269.050 Aktien der Bank Austria durch die PTBG - die vom ÖIAG-Vorstand in Personalunion geführt wurde und 1996 die Bundesanteile an der Bank Austria erworben hatte - abgegeben. Der Verkauf der Bank-Austria-Anteile brachte 570,4 Mio. Euro. 1998 betrug der Privatisierungserlös insgesamt 2,55 Mrd. Euro. Die PTBG verkaufte für die ÖIAG 1998 auch 25 Prozent plus eine Aktie der Telekom Austria um 1,98 Mrd. Euro an die STET International. Mit 1. Jänner 1998 kamen die Republiksanteile an Dorotheum, Flughafen und AUA in die ÖIAG.

Klare Privatisierungslinie unter Schüssel

Vor dem politischen Umbruch 2000 kam es auch noch zur Reduktion der ÖIAG-Anteile an der AUA - diese reduzierten sich auf knapp 40 Prozent, da die Staatsholding bei einer Kapitalerhöhung nicht mitzog. Am 1. April 2000 trat eine Novelle des ÖIAG-Gesetzes, beschlossen von der neuen Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ, in Kraft. Durch Auftrag der Bundesregierung Schüssel I sollten die Flughafen Wien AG, die Telekom Austria AG, die Austria Tabak, die Österreichische Staatsdruckerei GmbH, die Dorotheum GmbH, die Print Media AG und die Österreichische Postsparkasse vorrangig privatisiert werden.

Privatisierungskriterium war der bestmögliche Erlös bei Wahrung der Unternehmens- und Republiksinteressen. Die P.S.K. wurde noch im selben Jahr um knapp 1,3 Mrd. Euro ganz an die BAWAG verkauft. Von der Telekom Austria wurden weitere 27,2 Prozent veräußert - um 1,01 Mrd. Euro. Insgesamt brachten die Privatisierungen anno 2000 der Staatskasse 2,38 Mrd. Euro. Auch die Selbsterneuerung des Aufsichtsrates, die nun abgeschafft werden soll, damit die Regierung wenigstens manch „Aufpasser“ im Gremium sitzen hat, stammt noch aus dieser ÖIAG-Gesetzesnovelle.

Letzte Reste von VOEST 2005 verkauft

Unter FPÖ/ÖVP-Finanzminister Karl-Heinz Grasser ging es dann 2001 weiter Schlag auf Schlag mit Privatisierungen - auch abseits von BUWOG und Co. - in der ÖIAG. Anteile am Flughafen Wien wurden verkauft, vor allem aber auch das Dorotheum vollständig und die restlichen 41,1 Prozent an der Austria Tabak. 2003 kam es zum Verkauf der Postbus AG, die seit 2000 ÖIAG-Tochter war, um 119,2 Mio. Euro an die ÖBB. Der Verkauf des restlichen Viertelanteils an Böhler Uddeholm brachte in diesem Jahr weitere 133,4 Mio. Euro, dazu kamen die oben erwähnten 246,5 Mio. Euro für voestalpine-Anteile.

1,12 Mrd. Euro lukrierte die Republik 2004 - allergrößtenteils durch den Verkauf von weiteren 17 Prozent an der Telekom Austria. 2005 brachte die vollständige Privatisierung der VA Tech an Siemens Österreich 146,3 Mio. Euro. Auch die komplette Privatisierung der voestalpine kam zum Abschluss.

Harsche Kritik für Verkauf von Postanteilen und AUA

2006 verkaufte die Republik 49 Prozent der Post über die Börse. Betrug der Angebotspreis 19 Euro je Aktie und der Wert damit 1,33 Mrd. Euro, lag der erste Kurs mit 20,90 Euro genau zehn Prozent über dem Erstangebot. Die ÖIAG musste sich verteidigen, die Aktien nicht zu billig ausgegeben zu haben. „Aus der Perspektive des Transaktionszeitraums war der Preis optimal“, hieß es vom damaligen ÖIAG-Chef Peter Michaelis. Die damals oppositionelle SPÖ forderte, die ÖIAG solle Schadenersatz von den Beraterbanken fordern.

2009 wurde die AUA privatisiert, die zur Lufthansa-Tochter wurde. Die Republik Österreich zahlte eine halbe Milliarde Euro Staatsbeihilfe für die Übernahme, auch das brachte der ÖIAG Kritik. 2007 hatte die Staatsholding nach dem Ausstieg der BAWAG noch auf 42,75 Prozent der Anteile aufgestockt. Zuvor war der Staatsanteil 1999 auf unter 50 Prozent gesunken, da die ÖIAG bei einer Kapitalerhöhung nicht mitgezogen war.

Was von der Verstaatlichten noch übrig ist

Letztes Jahr machte die ÖIAG wieder verstärkt von sich reden, als sie ein Syndikat mit dem mexikanischen Telekomriesen America Movil einging. Damit sollten die Mexikaner und die Staatsholding mit einer Stimme sprechen. Die alleinige Kontrolle hat allerdings America Movil, der Syndikatsvertrag wurde ohne das Wissen und den Einblick von Telekom-Chef Hannes Ametsreiter ausgehandelt. Die Mexikaner rund um den Milliardär Carlos Slim halten 50,8 Prozent an der Telekom Austria.

Zum Jahreswechsel hielt die Staatsholding 52,85 Prozent an der Post AG, 31,50 Prozent an der OMV und 28,42 Prozent an der Telekom Austria. Die staatliche Bankenholding FIMBAG gehört zu 100 Prozent unters ÖIAG-Dach, wie auch die GKB Bergbau GmbH als Rechtsnachfolgerin der vormaligen ÖIAG-Bergbauholding (ÖBAG), wie auch die IMIB, die 13 Prozent an der VAMED hält. Auch 29,95 Prozent an der APK Pensionskasse Aktiengesellschaft gehören zur ÖIAG.

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