Renzi fordert EU-Geheimdienst
Die französische Regierung hält nach der islamistischen Anschlagsserie an der höchsten Terrorwarnstufe im Großraum Paris fest. Die höchste Sicherheitsstufe des Anti-Terror-Plans Vigipirate werde beibehalten, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Samstag nach einer erneuten Krisensitzung unter Leitung von Staatschef Francois Hollande in Paris.
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Die Sicherheitsmaßnahmen sollten laut Cazeneuve sogar noch verstärkt werden. „Wir sind in Anbetracht der Umstände Risiken ausgesetzt“, sagte Cazeneuve. „Deswegen behalten wir die Mobilisierung aller Mittel bei (...) und verstärken sie noch, um die Sicherheit einer Reihe von Institutionen und religiösen Stätten noch besser gewährleisten zu können.“ Vor allem würden „alle Vorkehrungen“ getroffen, um die Sicherheit bei einem am Sonntag geplanten Trauermarsch im Gedenken an die Opfer der Anschlagsserie zu gewährleisten.
Europas Spitzenpolitik bei Gedenkmarsch
Zum „Republikanischen Marsch“ in der Pariser Innenstadt werden Hunderttausende Menschen und zahlreiche Staats- und Regierungschefs erwartet. Österreich wird durch Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) vertreten sein. Für innenpolitische Spannungen in Frankreich sorgt der Umstand, dass der rechtsextreme Front National (FN) von Marine Le Pen als einzige Partei demonstrativ von der Veranstaltung ausgeladen wurde.
Am Sonntag wollen außerdem die EU-Innenminister in Paris zu einer spontan einberufenen Anti-Terror-Konferenz zusammenkommen. Im Zusammenhang mit der Ministerkonferenz, zu der auch EU-Spitzenvertreter ihr Kommen zugesagt haben, forderte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi den Aufbau eines EU-Geheimdienstes. „Wir haben eine gemeinsame Währung, wir brauchen auch eine gemeinsame Geheimdienstagentur. Europa muss gegen den Terrorismus geeint sein“, wurde er in italienischen Medien zitiert.
Türkei verunglimpft Frankreich
Renzi und seine Kollegen aus den 27 anderen EU-Ländern werden zudem auf ihrem nächsten Gipfel im Februar über die Bedrohung durch den Terrorismus beraten. Eine zwischenstaatliche Dimension hat dieses Problem zusätzlich durch die Positionierung der Türkei seit dem Attentat auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ bekommen. Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu erklärte etwa am Donnerstag bei einem offiziellen Termin, „bestimmte Kreise“ mit antiislamistischer Gesinnung - und nicht Muslime - könnten selbst hinter den Attentaten stecken.
Die türkischen Muslime in Europa sollten an ihrer muslimischen Identität festhalten, ohne sich provozieren zu lassen, so Davutoglu. Flankiert wurden diese Aussagen von bizarren Artikeln in der Zeitung „Yeni Safak“, dem finanziell bestens ausgestatteten Sprachrohr der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan. In der Samstag-Ausgabe der Zeitung wurden die französischen Polizeieinheiten als „Mörder“ verunglimpft. Bereits zuvor war in einer Kolumne der Zeitung gemutmaßt worden, Frankreich und die EU hätten die Anschläge selbst inszeniert.
Netanjahu: Juden sollen nach Israel ausreisen
Israels Premier Benjamin Netanjahu rief unterdessen Juden in Frankreich zur Auswanderung nach Israel auf. „Ich will den französischen Juden sagen: Israel ist euer Heim“, sagte Netanjahu laut israelischen Medienberichten am Samstagabend. Ein Ministerausschuss werde sich in der kommenden Woche versammeln, um darüber zu beraten, wie man Juden aus Frankreich und Europa zur Einwanderung nach Israel ermutigen könne. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht entschlossen vorgehe, werde es auch an anderen Orten zu Anschlägen kommen, warnte der israelische Regierungschef.
Gefängnis für islamistischen Facebook-Kommentar?
Dass zumindest Frankreich nun hart durchgreifen will, zeigt ein am Samstag bekanntgewordener Einzelfall: Ein Facebook-Nutzer muss sich laut Angaben der Straßburger Tageszeitung „Dernieres Nouvelles d’Alsace“ wegen Verteidigung des Terroranschlags gegen das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ vor Gericht verantworten. Der 30-Jährige habe auf Facebook unter dem Foto einer Kalaschnikow seine Belustigung über die Morde zum Ausdruck gebracht, berichtete die Zeitung.
Der Mann soll am Montag in Straßburg vor Gericht erscheinen. Die Polizei hatte ihn am Donnerstag festgenommen. Der angeblich amtsbekannte Mann aus einem sozialen Randviertel von Straßburg wies laut der Zeitung lediglich den Vorwurf zurück, das Foto selbst gestaltet zu haben. Darüber, warum er es weiterverbreitete, soll er keine Angaben gemacht haben. Wegen elektronischer Verherrlichung eines Verbrechens in Verbindung mit einem Terrorakt drohen ihm laut Angaben der Zeitung bis zu sieben Jahre Haft.
Hisbollah verurteilt islamistischen Terror
Der Chef der libanesischen Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, erklärte seinerseits in einer Videobotschaft, Islamisten hätten dem Islam mehr geschadet als jeder andere in der Geschichte. Direkten Bezug zum Terror in Frankreich nahm er jedoch nicht. Mit ihren unmenschlichen Taten würden Terroristen „den Propheten Gottes und die islamische Welt beleidigen“, sagte Nasrallah. Weiter appellierte er an die Einheit der Muslime im Kampf gegen Terrorismus. Die schiitische Hisbollah hat sich im syrischen Bürgerkrieg mit der Regierung in Damaskus verbündet.
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