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Köln straft PEGIDA mit Dunkelheit

Die Anti-Islam-Bewegung Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) stößt in Deutschland auf wachsenden Widerstand. In zahlreichen deutschen Städten gingen am Montagabend Tausende für ein weltoffenes Land auf die Straße. In Köln blieb der Dom verdunkelt. Tausende Menschen sorgten hier für den Abbruch eines PEGIDA-Zuges.

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Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften im Einsatz und trennte die Lager. Der Versuch von rund hundert Vermummten, den Platz mit Demonstranten von KÖGIDA - so nennt sich die PEGIDA-Bewegung in Köln - zu stürmen, wurde unterbunden. Der geplante Gang über eine Rheinbrücke zum Kölner Dom wurde schließlich abgesagt. Unter den rund 2.000 Gegendemonstranten brach Jubel aus. Es war ihr ausdrückliches Ziel gewesen, eine KÖGIDA-Demonstration zu verhindern. Deren Aufruf waren nur einige hundert Anhänger gefolgt.

„Klare Position gegen Fremdenhass“

Als Zeichen gegen Islam- und Ausländerfeindlichkeit wurde in Köln nicht nur der Dom, sondern auch das historische Altstadtpanorama ins Dunkel getaucht. Die Lichter an Rheinbrücken, am Rathaus sowie öffentlichen und historischen Gebäuden wurden ausgeschaltet. Damit beziehe Köln „klare Position gegen irrationalen Fremdenhass und Ausgrenzung“, sagte Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD).

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag-Ausgabe), wer „auf eine PEGIDA-Demonstration geht, muss sich im Klaren sein, welchen Demagogen er eine Bühne bietet“. Die Sorge vor einer Islamisierung Deutschlands sei unbegründet. Kraft forderte die PEGIDA-Demonstranten zu demokratischem Engagement in der Politik auf. Der CDU-Chef in NRW, Armin Laschet, begrüßte, dass der „Dom keine beleuchtete Kulisse für Nationalismus war“.

Nur in Dresden wächst Zulauf

Die PEGIDA-Strömung ist nur in Dresden stark. Hier versammelten sich am Montagabend laut Polizei rund 18.000 PEGIDA-Anhänger - so viele wie nie zuvor. Zuletzt kurz vor Weihnachten waren es rund 17.500 Demonstranten. Rund 5.000 Gegendemonstranten gingen in der sächsischen Hauptstadt auf die Straße. VW drehte das Licht in seiner gläsernen Manufaktur ab. „Volkswagen steht für eine offene, freie und demokratische Gesellschaft“, teilte der Konzern mit. Zuvor hatte bereits die Dresdner Semperoper während der PEGIDA-Umzüge demonstrativ ihre Außenbeleuchtung abgeschaltet.

Demonstranten mit Fahnen in Dresden

APA/AP/Jens Meyer

PEGIDA nahm ihren Ausgang in Dresden

FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki äußerte erneut Verständnis für die PEGIDA-Demonstranten. Deren Kritik an Medien und Politik halte er für berechtigt. Es gehe nicht an, dass „man zum Beispiel bereits durch die öffentlich artikulierte Sorge, dass der Rechtsstaat sich aus der Bekämpfung von salafistischen Umtrieben zurückziehen könnte, als ausländerfeindlich diskreditiert wird“, sagte Kubicki der „Welt“.

Demonstrationen in zahlreichen Städten

Auch in zahlreichen anderen Städten demonstrierten mehrere zehntausend Menschen für ein weltoffenes Deutschland. Allein in Münster waren es fast 10.000, in Stuttgart 8.000, in Hamburg 4.000, die gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus protestierten. In Berlin waren es 5.000 Demonstranten, die einen geplanten BÄRGIDA-Zug (Berliner Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes) von nur rund 300 Sympathisanten zum Brandenburger Tor behinderten.

Demonstranten in Hamburg

APA/EPA/Bodo Marks

Gegendemonstranten in Hamburg

Das Auswärtige Amt twitterte zu den Kundgebungen, in Deutschland sei „kein Platz für fremdenfeindliche Hetze“. Unter den Gegendemonstranten am Brandenburger Tor waren auch die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sowie die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth. Angesichts der andauernden PEGIDA-Demonstrationen warnte Grünen-Chef Cem Özdemir davor, in Panik zu verfallen. Tatsache sei, dass sich in vielen deutschen Städten nach wie vor „deutlich mehr Menschen“ gegen PEGIDA versammelten.

An den Protesten in Stuttgart, wo PEGIDA noch gar keine Rolle spielte, beteiligte sich auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Er war „froh und stolz“ über die große Zahl der Demonstranten. Sie zeige, dass in Stuttgart kein Platz sei für Menschen, die andere diskriminierten. Auch in Rostock kamen rund 800 Menschen zusammen. In München und Würzburg zählte die Polizei insgesamt rund 3.000 Gegendemonstranten. Mehrere tausend Menschen demonstrierten auch in Kassel, Marburg und Frankfurt friedlich gegen PEGIDA.

Scharfe Kritik von Kirchen

Scharfe Kritik an PEGIDA übten die Kirchen. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, rief alle Christen auf, der Stimmungsmache gegen Flüchtlinge entgegenzutreten. Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Nikolaus Scheider, sagte der „Rheinischen Post“, Christen hätten auf PEGIDA-Demos nichts zu suchen.

Der ehemalige Präsident des Lutherischen Weltbundes, Christian Krause, kritisierte den christlichen Anstrich von PEGIDA: „Wenn ich sehe, dass da schwarz-rot-gold angestrichene Kreuze hochgereckt werden, gruselt es mich. Das ist wirklich pervers“, sagte er gegenüber mehreren Medien.

In Berlin erläuterte Andreas Zick, der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Uni Bielefeld, dass es keineswegs Menschen mit Angst vor dem sozialen Abstieg seien, die sich jetzt gegen Zuwanderung und Muslime positionierten. Die stärksten Vorurteile seien vielmehr bei Menschen zu finden, „die an der Funktionsfähigkeit der Politik zweifeln“.

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