Fall Savile und die Folgen
Großbritannien wird seit Jahren von etlichen schweren Missbrauchsfällen erschüttert. Gleich einige Prominente wurden sexuellen Missbrauchs überführt. Im Zentrum der neuen Debatte steht der mittlerweile verstorbene BBC-Moderator Jimmy Savile, er soll über Jahrzehnte Hunderte Kinder missbraucht haben. Mit dem Aufrollen der Affäre kamen neue Skandale ans Tageslicht.
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Die britische Regierung versprach im Vorjahr eine sorgfältige Prüfung des Vorwurfs, dass Politiker in den 1970er und 1980er Jahren einen Pädophilenring unterhalten haben sollen. „Wir werden jeden Stein umdrehen, um die Wahrheit über das herauszufinden, was geschehen ist“, so Premierminister David Cameron.
Skandal vertuscht?
Norman Tebbit, der in den 1980er Jahren diverse Kabinettsposten unter Premierministerin Margaret Thatcher innehatte, hatte angedeutet, dass seinerzeit möglicherweise ein Skandal vertuscht wurde. „Damals waren nach meiner Einschätzung die meisten Leute überzeugt davon, dass das Establishment, das System, geschützt werden müsste“, sagte Tebbit der BBC, „und dass es, wenn hier und dort ein paar Dinge schiefgegangen wären, wichtiger gewesen wäre, das System zu bewahren, als es allzu tief zu durchdringen.“
Savile als Auslöser
Seit Monaten arbeitet die britische Polizei an der Aufklärung der brisanten Fälle, in den höchste Kreise verstrickt sind. Im Vorjahr erklärte die Polizei, dass sie nun auch drei möglichen Mordfällen nachgeht. Fragen werfen vor allem zahlreiche verschwundene Papiere zu den Vorwürfen auf.
Der seit den 80er Jahren verschollene Report des mittlerweile verstorbenen Tory-Abgeordneten Geoffrey Dickens war im Zuge des Missbrauchsskandals um Savile und andere Figuren des öffentlichen Lebens wieder ins Bewusstsein der Briten gerückt.
Mehr als 500 Opfer meldeten sich
Savile soll in mehr als 500 Fällen wehrlose Opfer missbraucht haben - darunter auch ein zweijähriges Mädchen. Der 2011 im Alter von 84 Jahren verstorbene TV-Star habe u. a. Kontakte zu höchsten Kreisen genutzt, um in einer streng gesicherten psychiatrischen Heilanstalt sein Unwesen treiben zu können, hieß es laut einem Bericht der Wohltätigkeitsorganisation NSPCC. In der Klinik habe er sich bevorzugt an Kindern zwischen 13 und 15 Jahren vergangen.
Seine Popularität als Moderator nutzte Savile nach Erkenntnissen der Ermittler aus, um seine Opfer auf dem BBC-Gelände sowie in Schulen und Krankenhäusern zu missbrauchen, wo er seine Fans besuchte. Ein Jahr nach Saviles Tod erzählten schließlich erstmals fünf Frauen im Fernsehen von Übergriffen auf sie und lösten damit eine Welle ähnlicher Berichte von mutmaßlichen Opfern aus.
Zugang zu Patienten
Das staatliche britische Gesundheitswesen NHS enthüllte mit einer eigenen Untersuchung noch weitere grausame Details aus dem kriminellen Leben Saviles. Er hatte sich offenbar schon als junger Mann in den 1960er Jahren Zugang zu Krankenhäusern verschafft. Erst arbeitete er als Freiwilliger, später, inzwischen berühmt, bekam er sogar Managementaufgaben übertragen - und vor allem Schlüssel zu Sicherheitsabteilungen ausgehändigt.
Die Krankenhausleitung in Broadmoor habe sich erhofft, den Ruf der streng gesicherten psychiatrischen Anstalt mit der Prominenz Saviles aufzupolieren. In Leeds hatte Savile ebenfalls jahrzehntelang Verbrechen begangen - in Patientenzimmern, Personalräumen und seinem vor der Klinik geparkten Wohnmobil.
Starmoderator verurteilt
2014 wurde der frühere BBC-Starmoderator Rolf Harris wegen sexuellen Missbrauchs junger Frauen und Mädchen zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Der 84-Jährige habe während des gesamten Verfahrens keine Reue gezeigt, befand ein Londoner Gericht. Der eklatanteste Fall, der in dem Prozess aufgerollt wurde, war der Missbrauch der besten Freundin von Harris’ Tochter Bindi in Kindestagen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Harris zwischen 1968 und 1986 mehrere Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen sieben und 19 Jahren sexuell belästigte und vergewaltigte. Gegen den aus Australien stammenden Maler, Entertainer und Moderator, dessen Show in den 70er Jahren von Millionen von Kindern in Großbritannien und in Australien gesehen wurde, hatten neben Bindis Freundin drei weitere Frauen geklagt.
Und Saviles Chauffeur wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt, weil er vor fast einem halben Jahrhundert elf Mädchen vergewaltigt oder sexuell attackiert haben soll. Der heute 74-Jährige habe Saviles Ruhm ausgenutzt, um die 13- bis 15-jährigen Mädchen zu missbrauchen, begründete Richter Jeremy Baker.
1.400 Kinder in Kleinstadt missbraucht
Im August des Vorjahrs erschütterte der nächste Skandal das Land: Laut einem Bericht der Kommunalverwaltung sind in der Stadt Rotherham in South Yorkshire in einem Zeitraum von 16 Jahren 1.400 Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt geworden. Viele Minderjährige seien mit Waffen bedroht, vergewaltigt und teilweise auch in andere Städte verschleppt worden, heißt es in dem Bericht. Die Behörden hätten sich mitschuldig gemacht: Frühere Berichte seien unter Verschluss gehalten, die Missbrauchsfälle seien stillschweigend hingenommen worden.
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