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„Kaum besser als vor 85 Jahren“

Seit Sonntag sucht Indonesien nach einer vermissten AirAsia-Maschine. Der Airbus A320 verschwand irgendwo zwischen Surabaya, Indonesien und Singapur von den Radarschirmen. Der Vorfall weckt Erinnerungen an die erfolglose Suche nach Flug MH370 vor acht Monaten - und lässt Experten einmal mehr den Einsatz von Systemen fordern, die ein solches Verschwinden künftig verhindern sollen.

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„Warum ‚verlieren‘ wir 2014 noch immer Flugzeuge?“, fragte gestern etwa der Luftfahrtexperte Clive Irving auf der Nachrichtenseite DailyBeast. Seine Antwort: Weil die Fluglinien die vorhandene Technologie nicht einsetzen. Denn es existierten bereits gleich mehrere Systeme, die das Verschwinden eines Flugzeugs eigentlich unmöglich machten, so Irving.

Seit 50 Jahren vom Militär im Einsatz

Eines davon kommt bereits in zahlreichen Militärflugzeugen und -helikoptern zum Einsatz – und das seit rund 50 Jahren. Der einsetzbare Flugschreiber (engl. deployable recorder) macht im Grunde nichts anderes als jene als Blackboxes bekannten Aufzeichnungsgeräte, die jedes Flugzeug an Board haben muss. Mit einem Unterschied: Im Falle eines Absturzes ins Wasser, löst sich der Flugschreiber vom Flugzeug. Von einem Schwimmkörper getragen treibt das Aufzeichnungsgerät auf der Wasseroberfläche und sendet ein Signal mit seiner genauen Position.

„Ironischerweise waren die Flugzeuge und Helikopter, die nach dem Wrack von Flug 370 suchten, da sie militärisches Gerät waren, mit einsetzbaren Flugschreibern ausgerüstet“, schreibt Irving. Kommerzielle Fluglinien setzen die Technologie aber bis heute nicht ein. Dabei existiert bereits seit 2007 ein für die zivile Luftfahrt zugelassenes System. Laut Irving argumentieren die Fluglinien damit, dass die Geräte manchmal irrtümlich abgeworfen würden und einen Fehlalarm auslösen könnten. Schwerer wiegt aber wohl ein anderes Argument: Der Einbau eines neuen Geräts in bestehende Maschinen ist mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden.

Virtuelle Blackbox

Ganz ohne zusätzliche Einbauten würde aber ein anderer Ansatz auskommen. Bereits jetzt sendet jedes kommerzielle Flugzeug im Schnitt alle halben Stunden via Satellit Daten Richtung Boden. In den Datenpaketen werden Informationen zur Position und zum Zustand des Flugzeugs übermittelt. Hier setzen die Experten an. So sollen mehr Daten in deutlich kürzeren Intervallen an die Bodenstationen gesandt werden. Da das der weit verbreiteten Sicherung persönlicher Daten auf Netzlaufwerken ähnelt, ist im Englischen auch von der „black box in the cloud“ die Rede.

Über die Häufigkeit dieser Übertragung ist man sich in der Luftfahrtindustrie freilich nicht einig. Geht es etwa nach der ehemaligen Generalinspekteurin des US-amerikanischen Verkehrsministeriums, Mary Schiavo, dann sollten Flugzeuge ihre Daten durchgehend an die Bodenstation schicken. Das Datenstreaming „ist längst überfällig, und Blackboxes sind antiquiert“, zitiert sie die Luftfahrtjournalistin Mary Kirby auf dem Blog Runway Girl Network. Gegner verweisen dagegen auf die hohen Kosten, die für jede Satellitenverbindung anfallen – und auf die Gefahr, die derzeitigen Satellitennetze mit der anfallenden Datenmenge schier zu überfordern.

Verbindung für den Notfall

Dabei brauchte es gar keine ununterbrochene Datenverbindung zwischen Flugzeug und Boden. „Ein zusätzlicher Trick würde sofort das Problem bei Abstürzen über Wasser lösen“, schreibt Irving. Jedes größere kommerzielle Flugzeug ist mit Navigationsgeräten ausgerüstet. Diese berechnen fortlaufend Route und Flugzeit – so genau, dass, „wenn das Flugzeug das Gate verlässt, seine genaue Ankunftszeit bereits bekannt ist“, so der Luftfahrtexperte.

Laut Irving ist es vergleichsweise einfach, das System so zu erweitern, dass es unvorhergesehene Kursänderungen erkennt und automatisch eine Datenverbindung mit der Bodenstation herstellt. „Alles, was es braucht, ist eine ‚Leitung‘ mehr, die die wichtigen Informationen auswählt und übermittelt“, so Irving. Dass freilich auch die Einrichtung einer solchen mit Kosten verbunden wäre, will auch Irving nicht bestreiten. Da aber die Tests der neuen Systeme am teuersten wären, würden sich die Kosten für die großen Fluglinien pro Maschine beinahe amortisieren.

Bürokratie als große Hürde

Für den Luftfahrtexperten stehen einer Implementierung solch eines Systems deshalb weniger die Kosten als vielmehr die Bürokratie im Weg. Die Internationale Luftverkehrsvereinigung (IATA) gründe lieber Arbeitsgruppen, als sich um konkrete Umsetzungen zu kümmern. Mit dieser Kritik steht Irving nicht alleine da. Das Echtzeittracking von Flugzeugen „ist weder eine technische noch eine finanzielle Herausforderung - sondern eine politische“, sagte etwa jüngst der Luftfahrtmanager Michael Denis.

Bereits im Sommer ätzten die Luftfahrtexperten Jim Hall und Peter Goelz in einem Kommentar auf CNN: „Wir sind bei der Suche nach dem Flugzeug (MH370, Anm.) kaum besser ausgerüstet, als wir es vor 85 Jahren bei der Suche nach Amelia Earhart waren.“ Bisher habe die IATA aber nichts getan, um das zu ändern, so Hall und Goelz. Allen Apellen zum Trotz ist auch Irving pessimistisch, dass sich daran schnell etwas ändern wird. Es werde mehr Arbeitsgruppen, Seminare und Konferenzen geben, bevor damit begonnen werde „etwas zu tun, dass in einigen Monaten erledigt sein könnte“.

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