Verurteilung als politischer Racheakt?
Als einer der auffälligsten Anführer der Opposition hat der prominente russische Blogger Alexej Nawalny auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Kampf angesagt. Der 38-Jährige, der Putin ein System von Korruption und Günstlingswirtschaft vorwirft, hat sich nicht nur einmal für die nächste Präsidentenwahl 2018 selbst ins Spiel gebracht.
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Mit den fünf Jahren Straflagerhaft, die ein Gericht in der Stadt Kirow in einem undurchsichtigen Veruntreuungsprozess am 18. Juli verhängte, war der Kreml-Gegner vorerst kaltgestellt. Beobachter halten die Verfahren gegen Nawalny für politisch motiviert. Im September 2013 erhielt er bei der Bürgermeisterwahl in Moskau 27 Prozent der Stimmen und landete damit überraschend stark hinter dem Kreml-Kandidaten Sergej Sobjanin.
Enthüllungen im Stil von WikiLeaks
Nawalny wurde am 4. Juni 1976 in Moskau geboren. Von dort aus hatte er zunächst jahrelang im Verborgenen agiert. Mit scharfen Attacken auf den Seiten Navalny.ru und Rospil.info im Stil der Enthüllungsplattform WikiLeaks deckte er Skandale auf. Nawalnys Spezialität sind undurchsichtige staatliche Ausschreibungen, bei denen Millionenbeträge oft in dunklen Kanälen versickern.
Er hinterfragt auch, wohin Gewinne aus dem russischen Gas- und Ölgeschäft fließen. Woher er die oft internen Dokumente über Machenschaften großer Staatskonzerne wie Gasprom und Transneft bekommt, verrät er nicht. Seine Mitstreiter finanzieren sich nach eigenen Angaben aus Spenden.
Vergleich mit Chodorkowski
Nach der von Fälschungsvorwürfen überschatteten russischen Wahl gehörte er seit 2011 zu denen, die Massen mobilisieren konnten. Auf der Straße gelangte auch sein Slogan von der Kreml-Partei Geeintes Russland als „Partei der Gauner und Diebe“ schnell zu großem Erfolg. Es folgten erste Arreststrafen von bis zu 15 Tagen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International führte ihn deshalb sogar als „politischen Gefangenen“ wie den Putin-Kritiker und Ex-Ölmanager Michail Chodorkowski.
Talent, aber auch Selbstüberschätzung
Doch die Demonstrationsreden des großen blonden Charismatikers, der eine Zeit lang in den USA lebte, stießen stets auf ein geteiltes Echo. Staatsmedien ätzten zudem, der Mann sei viel zu schön und perfekt - wie aus einem Hollywood-Film. Er müsse wohl von US-Geheimdiensten eingeschleust sein, um Russland zu erobern, warnten kremltreue Journalisten.
Politologen bescheinigen Nawalny zwar großes Talent, aber auch Selbstüberschätzung - und sehen zugleich noch Entwicklungspotenzial. Politisch gilt er als überzeugter Patriot - zum Ärger mancher seiner Anhänger auch als Ultranationalist. Seine Gegner sitzen unter anderem beim gefürchteten Geheimdienst FSB, im Kreml, bei Polizei und Justiz und in der mitunter skrupellosen Geschäftswelt. Menschenrechtler befürchten einen Racheakt - wie es vielen Regierungskritikern wiederfuhr, von denen einige ihre Arbeit mit dem Leben bezahlten. „Es ist aber besser, aufrecht zu sterben, als ein Leben lang auf Knien zu rutschen“, sagte Nawalny einmal.
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