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Die vergessene „Wiener Träne“

Luise Rainer ist tot. Wie die BBC am Dienstag berichtete, verstarb der Star des frühen Hollywood-Kinos am Dienstag nach kurzer Krankheit 104-jährig in London. Die deutsche Schauspielerin startete vom Theater in der Josefstadt aus eine Hollywood-Karriere, die bis heute beispiellos ist.

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Rainer galt als „Deutschlands unberühmtester Hollywood-Star“. Dabei war sie die einzige Deutsche, die mit dem Oscar für die beste Hauptrolle ausgezeichnet wurde, und sie war die erste Frau, die zweimal hintereinander den Preis mit nach Hause nehmen durfte - was bis heute außer ihr nur vier weiteren Schauspielern gelang. Sie ist zudem die Einzige, die bereits mit 28 Jahren doppelt von der Academy ausgezeichnet wurde.

Luise Rainer während einer Pause zu den  Dreharbeiten des Films La Dolce Vita mit Marcello Mastroianni, Anouk Aimee, Federico Fellini und Anita Ekberg

AP/Mario Torrisi

Luise Rainer mit Marcello Mastroianni, Federico Fellini am Set von „La Dolce Vita“

Sie selbst fand ihre filmischen Erfolge wenig bemerkenswert. „Ich bekam diesen Oscar, und, nun ja, ich hatte das Gefühl, dass ein Lob von Max Reinhardt mir mehr bedeutet hätte als dieser Oscar in Hollywood“, sagte Rainer einmal der Nachrichtenagentur dpa. Sie habe vor ihrem ersten Oscar-Gewinn auch noch nie von der Auszeichnung gehört: „Es war nichts Besonderes, ich habe es nicht sehr ernst genommen.“ Für sie seien immer Begegnungen mit interessanten Menschen im Vordergrund gestanden. Rainer hatte Kontakt zu prominenten Zeitgenossen wie Albert Einstein und Ernest Hemingway und soll Bertolt Brecht während des Zweiten Weltkriegs mit einer Bürgschaft zur Einreise in die USA verholfen haben.

Niemand weinte so schön wie sie

1935 wurde Rainer in Wien von einem Hollywood-Agenten entdeckt und vom legendären Metro-Goldwyn-Mayer-Studio unter Vertrag genommen. Ihr Idol Reinhardt hatte sie zuvor ans Theater in der Josefstadt geholt. Hollywood kam der Wien-Zusammenhang nicht ungelegen, hatten doch in Deutschland mittlerweile die Nazis die Macht übernommen. Rainer wurde als Österreicherin vermarktet, ihre emotionsgeladenen Szenen brachten ihr den Spitznamen „Viennese Teardrop“ (Wiener Träne) ein.

In Amerika drehte Rainer schon kurz nach der Ankunft ihren ersten Film „Escapade“ an der Seite von William Powell. Schnell stieg sie in die Oberliga der Hollywood-Stars auf und stand in einer Reihe mit Größen wie Greta Garbo und Marlene Dietrich. Bereits mit ihrem zweiten Film „Der große Ziegfeld“ gewann Rainer ihren ersten Oscar. Im folgenden Jahr holte sie sich als chinesische Bäuerin in „Die gute Erde“ erneut die Trophäe.

Ohne Schauspielunterricht direkt auf die Bühne

Rainer wurde als Tochter einer Klavierspielerin mit jüdischen Wurzeln und eines Kaufmanns in Düsseldorf geboren und wuchs in Hamburg und der Schweiz auf. Gegen den Willen ihres Vaters verfolgte sie ihren Traum von einer Schauspielkarriere. Ohne jemals entsprechenden Unterricht genossen zu haben, wurde sie schon mit 18 Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus engagiert. Nach weiteren Engagements in Deutschland wurde Rainer schließlich von Reinhardt ans Theater in der Josefstadt geholt. Unter seiner Regie feierte sie in der Titelrolle von George Bernard Shaws „Die heilige Johanna“ Erfolge.

Privates Glück im zweiten Anlauf

Rainer wurde von Männern umschwärmt und heiratete früh den kommunistischen Intellektuellen Clifford Odets, der selbst mehrere Drehbücher und Vorlagen zu Hollywood-Filmen (u. a. für Fritz Lang) schrieb. Die Ehe brach schon nach drei Jahren auseinander. Bald darauf heiratete sie den Verleger Robert Knittel. Mit ihm bekam Rainer eine Tochter und war bis zu seinem Tod vor 24 Jahren mehr als 45 Jahre lang verheiratet.

Rainers Karriere stagnierte schon bald nach ihrer zweiten Oscar-Auszeichnung 1937. Die folgenden Filme floppten beim Publikum. Rainer war zudem höchst eigenwillig und machte aus Frust über das Gewinnstreben und die Eintönigkeit der ihr angebotenen Rollen bei MGM einen dramatischen Abgang.

Abfuhr für Fellini

„Mister Mayer, Sie sind ein alter Mann. Wenn ich 40 bin wie all Ihre großen Schauspielerinnen, dann sind Sie lange tot“, soll sie zum mächtigen MGM-Gründer Louis B. Mayer gesagt haben. Auch später bewies Rainer ihren eigenen Kopf. Eine Rolle für „La Dolce Vita“ lehnte sie ab, obwohl sie von Regisseur Federico Fellini bekniet wurde. Aber Rainer wollte keine Sexszene mit Marcello Mastroianni spielen.

Obwohl sie ihre Filmkarriere mit kleineren Produktionen fortsetzte, geriet Rainer für das breite Publikum in Vergessenheit. Ihren letzten Auftritt hatte sie mit fast 90 Jahren in „Der Spieler“ nach dem Roman von Fjodor Dostojewski. In den letzten Jahren lebte sie in London - in dem Haus, in dem einst Vivien Leigh gewohnt hatte. „Blicke ich auf mein Leben zurück“, sagte sie in einem Interview, „bedauere ich so einiges. Vor allem, dass ich nicht viel, viel mehr gearbeitet habe.“ Ihr rebellisches Verhalten hatte sie ihre Hollywood-Karriere gekostet. Das jedoch soll sie nie bereut haben.

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