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Zahl der Geretteten nach wie vor unklar

Auf der brennenden Autofähre vor der Küste Griechenlands nahe der Insel Korfu hat die Evakuierung aus der Luft begonnen. Rettungshelikopter holten Passagiere paarweise von der „Norman Atlantic“, wie die Behörden am Sonntag mitteilten. Die Menschen werden demnach auf ein in der Nähe kreuzendes Schiff geflogen.

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Die Teams arbeiteten unter Hochdruck, um noch vor Einbruch der Dunkelheit möglichst viele Menschen in Sicherheit zu bringen. Der griechischen Regierung zufolge dauert jeder Hubschraubertransfer rund 15 Minuten. Noch immer sitzen Hunderte auf der Unglücksfähre fest.

Am späten Nachmittag wurde ein Todesopfer gemeldet: Ein Mann und seine Frau hätten versucht über eine Rutsche eine Schaluppe zu erreichen, sie seien jedoch aus noch ungeklärten Gründen ins Wasser gefallen. Die Frau konnte gerettet werden, der Mann starb, berichteten italienische Medien. Vorerst gab es keine Angaben über die Staatsangehörigkeit des Opfers.

Ein Österreicher gerettet, vier weitere an Bord

Zum Zeitpunkt des Unglücks waren 478 Menschen auf dem unter italienischer Flagge fahrenden Schiff, darunter fünf Österreicher. Ein Österreicher ist inzwischen in Sicherheit gebracht worden. Der Tiroler wurde laut dem Sprecher des Außenministeriums, Martin Weiss, auf ein sich in unmittelbarer Nähe befindendes Schiff gebracht. Der Mann sei „unverletzt und wohlauf“, sagte Weiss gegenüber der APA am Sonntagabend.

Ob das Schiff mit dem Geretteten einen italienischen oder griechischen Hafen anlaufen werde, sei noch nicht entschieden, hieß es weiter. Zudem befinden sich laut aktuellen Informationen nur mehr vier Österreicher an Bord der brennenden Fähre. Eine österreichische Begleitperson, die auch auf der Passagierliste geführt wurde, sei nicht an Bord, so Weiss.

Stürmische See, Chaos an Bord

Am frühen Nachmittag berichteten Passagiere per Telefon von chaotischen Zuständen. Der Brand habe sich relativ rasch ausgebreitet, und es seien zu wenige Rettungsboote an Bord - mehr dazu in tirol.ORF.at. Die Passagiere warteten auf dem oberen Deck der Fähre auf Hilfe, sagte der griechische Marineminister Miltiadis Varvitsiotis. „Es ist eine der kompliziertesten Rettungsaktionen, die wir jemals hatten.“ Starker Wind und das Feuer an Bord machten die Arbeit extrem schwierig.

Brennende Fähre

EBU

Es gibt nur wenige Bilder von der Rettungsaktion

Das Schiff der griechischen Linie ANEK befindet sich etwa 44 Seemeilen nordwestlich von Korfu. Die Fähre treibe manövrierunfähig in Richtung Albanien, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA unter Berufung auf den Kapitän des Schiffes. Das Feuer sei noch nicht gelöscht, aber zumindest unter Kontrolle und auf Brücke 5 beschränkt.

Widersprüchliche Angaben

Die Meldungen über die Zahl der Geretteten waren indes widersprüchlich. Frühere Behördenangaben, wonach bereits mehr als 100 Reisende in Sicherheit gebracht werden konnten, wurden von Varvitsiotis nicht bestätigt. Er erklärte lediglich, es sei gelungen, 35 Menschen von einem Rettungsboot mit 150 Passagieren in ein Containerschiff aufzunehmen.

Mitglieder der griechischen Küstenwache

APA/AP/Kostas Tsironis

Von der griechischen Stadt Piräus aus wird die Rettungsaktion koordiniert

Bis zum Nachmittag konnten nach Angaben der griechischen Küstenwache mehr als 130 Menschen gerettet werden, darunter eine Schwangere und Kinder. Informationen der Nachrichtenagentur ANSA zufolge wurden sie in ein Krankenhaus in der süditalienischen Region Apulien eingeliefert. Die Kinder seien halbnackt im Wasser gewesen und litten an Unterkühlung, es gehe ihnen allen aber den Umständen entsprechend gut, berichtete ANSA. Die Eltern von zwei anderen geretteten Kindern seien noch auf der „Norman Atlantic“.

Verzweifelte Passagiere

„Das Schiff brennt und sinkt, niemand kann uns retten“, sagte Passagier Nikos Papatheodosiou telefonisch dem griechischen TV. „Helft uns, lasst uns nicht im Stich.“ Ein weiterer Passagier berichtete, dass sich andere Schiffe vor Ort wegen starker Winde der Fähre nicht weiter nähern könnten. Es war unklar, ob Reisende ins Wasser gefallen waren. Wegen der niedrigen Temperaturen würden sie dort nicht lange überleben können.

„Niemand kann etwas machen“, sagte ein Mann an Bord dem griechischen Radiosender Skai. Die zur Rettung herbeigeeilten Schiffe kämen wegen der schweren See nicht heran. Weitere griechische Medien berichteten, Rettungsboote seien abgetrieben worden, bevor Menschen hätten einsteigen können. „Die Leute sind verzweifelt und schreien“ sagte ein weiterer Zeuge im Fernsehen.

Karte von Griechenland

APA/ORF.at

Ein Ehepaar aus Gmunden befindet sich auf einer weiteren Fähre in unmittelbarer Nähe des Unglücksschiffes. Dieses habe teilweise extreme Seitenlage, schilderten die Zeugen in einem Telefonat mit dem ORF - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

„Schuhsohlen begannen zu schmelzen“

Das Feuer war in der Nacht auf dem unteren Parkdeck ausgebrochen. Auf der Fähre befanden sich rund 200 Autos. Die Hitze breitete sich schnell bis zum Passagierdeck aus. „Unsere Schuhsohlen begannen zu schmelzen“, sagte ein geretteter Passagier dem griechischen TV-Sender Mega. Mega zufolge befanden sich im Autodeck Lastwagen mit Olivenöl.

Rettungsaktion für brennende Fähre

APA/EPA/RAINEWS24

Italienische Fernsehsender brachten verwackelte Bilder der Rettungsaktion

Fracht- und Passagierschiffe, die in der Gegend kreuzten, begannen damit, die Rettung zu koordinieren. Später machten sich auch Schiffe der griechischen Küstenwache, Rettungskräfte aus Italien und Albanien auf den Weg zum Unglücksort. Nach Medieninformationen versuchen mehrere Schiffe, eine Art schwimmende Barriere gegen die Wellen zu bilden.

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi kündigte maximalen Einsatz bei der Rettung der Passagiere der brennenden Fähre an. Die italienische Marine sei „mit maximaler Beteiligung“ bei der Rettung dabei, erklärte er auf Twitter. Er sei mit dem griechischen Premierminister Antonis Samaras in Kontakt.

Erste Berichte über Mängel

Unterdessen wurde bekannt, dass bei einer Inspektion der „Norman Atlantic“ zuletzt Sicherheitsmängel festgestellt worden seien. Wie das staatliche griechische Fernsehen NERIT und andere Medien berichteten, hat eine Inspektion der Hafenbehörde von Patras am 19. Dezember unzureichende Rettungsmittel, undichte Sicherheitstüren, den Zustand der Notbeleuchtung und das Fehlen von Evakuierungsplänen an den Wänden des Schiffes bemängelt. Der Reederei sei eine zweimonatige Frist zur Behebung dieser Mängel eingeräumt worden, berichtete NERIT. Ob das Schiff dennoch als seetüchtig gelten konnte, blieb unklar.

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