Russland: „Vollkommen kontraproduktiv“
Die Ukraine hat mit einem Gesetz über das Ende ihres blockfreien Status den Weg für einen NATO-Beitritt freigemacht. Die Abgeordneten des ukrainischen Parlaments stimmten am Dienstag mit großer Mehrheit für ein zuvor von Präsident Petro Poroschenko eingebrachtes Gesetz über das Ende der Neutralität.
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Poroschenko begründete diesen Schritt mit der „Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine“ und der „ungesetzlichen Annexion der Autonomen Republik Krim“. Bisher war der Status der Blockfreiheit in den Grundlagen der Innen- und Außenpolitik des Landes verankert. Diese Linie sei allerdings nicht „effektiv“ für die Sicherheit des Landes, heißt es in einer Erklärung zum Gesetz weiter.
„Unzureichendes Instrument“
"Das lange Verharren der Ukraine in einer „grauen" Pufferzone zwischen gewaltigen Systemen der kollektiven Verteidigung gilt als zusätzliche Herausforderung“, stellt die Präsidialverwaltung in einem Text zum Gesetz fest. Die internationalen Verpflichtungen zur Achtung der Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der Grenzen der Ukraine hätten sich als „unzureichendes Instrument“ für außenpolitische Sicherheitsgarantien erwiesen.
Vor allem das Budapester Memorandum von 1994, mit dem die Ukraine gegen Garantien der USA, Russlands und Großbritanniens auf den Besitz von Atomwaffen verzichtete, habe sich als unwirksam erwiesen. Ziel sei daher die NATO-Mitgliedschaft, wobei Poroschenko bereits ankündigte, die Ukrainer per Referendum über einen Beitritt abstimmen lassen zu wollen. Abseits davon wurde mit der nun abgesegneten Novelle auch das vorher bereits festgeschriebene Ziel einer EU-Mitgliedschaft noch einmal bekräftigt.
„Unser Land wird darauf reagieren müssen“
Russland sieht in dem Streben der Ex-Sowjetrepublik in das westliche Militärbündnis unterdessen eine Gefahr für seine Sicherheit. Das Gesetz sei „ein Antrag auf Beitritt zur NATO und macht aus der Ukraine einen potenziellen militärischen Gegner Russlands“, schrieb Regierungschef Dimitri Medwedew kurz vor der Annahme in einem Eintrag bei Facebook. „Unser Land wird darauf reagieren müssen.“
Russland Außenminister Sergej Lawrow kritisierte die ukrainische NATO-Annäherung als „vollkommen kontraproduktiv“. Die Entscheidung des Parlaments in Kiew trage Lawrow zufolge dazu bei, „das Klima der Konfrontation weiter anzuheizen“. Es sei eine „Illusion“, dass mit einem solchen Gesetz die „tiefe interne Krise“ der Ukraine beigelegt werden könne. Stattdessen müsse Kiew Verfassungsreformen umsetzen, „unter Beteiligung aller Regionen und aller politischer Kräfte in der Ukraine“. Auch die Rebellen im Osten des Landes seien dem russischen Außenminister zufolge „legitime Gesprächspartner“.
Auch der russische Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Andrej Kelin, sprach von einem „negativen“ Schritt, der die Richtung des Landes anzeige. Er bezweifelte der Agentur Interfax zufolge allerdings, dass die krisengeschüttelte Ukraine den Aufnahmekriterien der NATO genüge.
Auch viele NATO-Staaten gegen Beitritt
Die Ukraine hatte sich unter dem Druck Russlands im Jahr 2010 dem Lager der Blockfreien angeschlossen. Als Blockfreier gehörte das Land keinem Militärbündnis an. Das proeuropäische Lager in Kiew sieht sich durch Russland bedroht, seitdem Moskau im März die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hat. Kiew wirft seinem mächtigen Nachbarn zudem vor, die prorussischen Rebellen im Osten der Ukraine mit Kämpfern und Waffen zu unterstützen.
Der vom proeuropäischen Lager angestrebte NATO-Beitritt trifft allerdings nicht nur in Russland auf entschiedenen Widerstand - auch viele einflussreiche NATO-Staaten lehnen bisher einen Beitritt zu dem transatlantischen Militärbündnis ab, weswegen Beobachter dem jüngsten Schritt der Ukraine auch vornehmlich symbolische Bedeutung zumessen.
Die NATO-Staaten haben dennoch bereits 2008 der Ukraine - ebenso wie Georgien - grundsätzlich die Mitgliedschaft versprochen. Und diese Tür steht einem NATO-Sprecher zufolge nach wie vor offen. Ein Beitrittsgesuch werde demnach genauso behandelt wie von jedem anderen Staat: „Die Ukraine wird ein NATO-Mitglied, wenn sie das beantragt, die Standards erfüllt und die nötigen Prinzipien befolgt.“
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