„Botschafter Österreichs“
Udo Jürgens ist tot. Nicht einmal drei Monate nach seinem 80. Geburtstag ist der Entertainer, Sänger und Komponist am Sonntag bei einem Spaziergang zusammengebrochen und an Herzversagen gestorben. Der Musiker, der bis zuletzt mit einem neuen Album auf Tour gewesen war, gehörte zu den erfolgreichsten Künstlern im deutschsprachigen Raum. Familie, Freunde und Fans reagierten bestürzt.
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„Ich kann nicht fassen, dass es so plötzlich passiert ist“, sagte Jürgens Bruder, der Maler Manfred Bockelmann, gegenüber der APA. Die Nachricht sei „ein großer Schock für die Familie“. Mehr könne er zunächst nicht zum Tod seines Bruders sagen, ergänzte der 71-jährige Künstler, der mit seiner Familie in Kärnten lebt. Jürgens hatte seinem Bruder Manfred mit seinem Lied „Mein Bruder ist ein Maler“ 1977 ein musikalisches Denkmal gesetzt.
Tochter Jenny Jürgens traf die Nachricht ebenfalls völlig unvorbereitet, wie ihr Düsseldorfer Management auf Anfrage der dpa mitteilte. „Der Schmerz und die Traurigkeit sind groß. Ihr ganzes Ansinnen gilt im Moment ihrer Familie, der sie nun in dieser schwierigen Zeit nahe sein möchte“, so Jenny Jürgens’ Management.
Bei Spaziergang zusammengebrochen
Der Sänger und Entertainer brach bei einem Spaziergang in Gottlieben im Schweizer Kanton Thurgau am Sonntag bewusstlos zusammen, teilte sein Management am frühen Abend in einer Aussendung mit. Sein Begleiter habe noch versucht, ihn mit einem in der Nähe des Gemeindehauses angebrachten Defibrillator wiederzubeleben, doch ohne Erfolg.
Trotz der Wiederbelebungsmaßnahmen sei Jürgens im Krankenhaus von Münsterlingen um 16.25 Uhr an Herzversagen gestorben. „Nach den gemeinsamen triumphalen Konzerterfolgen der aktuellen Tournee sind alle erschüttert und fassungslos über den unerwarteten und plötzlichen Tod.“ Der Familie und den Angehörigen gehöre ihr tiefempfundenes Beileid.
Erst vor knapp drei Wochen hatte Jürgens den Auftakt seiner Österreich-Tournee „Mitten im Leben“ in der Salzburgarena gefeiert. In einem Interview zu seinem 80. Geburtstag im September war der Künstler noch voller Zuversicht. „Dass die Lebensfreude verloren geht oder dass man zum Zyniker wird - wie das beim Älterwerden ja oft der Fall ist -, ist ausgeblieben bei mir“, freute sich Jürgens auf weitere Jahre, die er in seinem neuen großen Haus am Zürichsee verbringen wollte.
Jürgens schrieb Musikgeschichte
Mit seinen Erfolgen schrieb Jürgens Musikgeschichte. Dabei verband er in seinen Liedern populäre Schlagermelodien mit anspruchsvollen Texten. Bis zuletzt hat er rund 50 Alben veröffentlicht, 1.000 Lieder eingespielt und an die 100 Millionen Tonträger verkauft. Am 30. September 1934 als Udo Jürgens Bockelmann in Klagenfurt geboren, lebte Jürgens seit 1977 in Zürich. 2007 nahm er auch die Schweizer Staatsbürgerschaft an. Aus erster Ehe hat Jürgens die zwei Kinder John und Jenny. Zwei weitere Töchter stammen von zwei anderen Frauen.
Sein Siegeszug als Solokünstler in der deutschsprachigen Musiklandschaft begann in den 1960er Jahren. Den internationalen Durchbruch ersang sich der spätere „Schlagerprofessor“ 1966 bei seiner dritten Teilnahme am Eurovision Song Contest (damals noch: Grand Prix Eurovision) mit „Merci, Cherie“. Kaum ein Sänger traf in den vergangenen Jahrzehnten so den Nerv der Massen - mit Hits wie „Griechischer Wein“ und „Ich war noch niemals in New York“ begeisterte Jürgens mehrere Jahrzehnte ein riesiges Publikum quer durch alle Altersschichten.
Seine Liveauftritte mit Hits wie „Es wird Nacht, Senorita“, „Aber bitte mit Sahne“ und „Immer wieder geht die Sonne auf“ sind für viele auch heute noch einfach Kult - genau wie seine mittlerweile legendären Zugaben im Bademantel. Entsprechend folgten auf die Nachricht von seinem Ableben in kürzester Zeit Tausende schockierte bis dankbare Reaktionen im Internet.
Betroffenheit bei Künstlern und Politikern
Auch zahlreiche Künstler, Politiker, Sportler und Medienmanager kommentierten den Tod von Jürgens tiefbetroffen. „Jürgens war nicht nur ein Botschafter Österreichs in der Welt, sondern hat auch stets politische Haltung bewiesen, indem er sich immer für die Demokratie starkgemacht und nie seine Heimat Österreich vergessen hat“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) sagte, der Sänger hätte am 27. Februar das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen bekommen sollen.
Die Sängerin Conchita Wurst, die erste heimische Song-Contest-Siegerin seit dem Triumph von Jürgens, würdigte den Entertainer als einen „großartigen Künstler“ und bedankte sich mit einem „Merci“. Der deutsche Sänger Udo Lindenberg schrieb von einem „schmerzlichen Verlust“: „Es ist, als wäre ein Familienmitglied von uns gegangen.“ Fußballmanager Franz Beckenbauer schrieb auf Twitter von einer „schrecklichen Nachricht“, Jazztrompeter Till Brönner schrieb bei Facebook: „Verneigung, lieber Udo!“ ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz würdigte Jürgens als „eine historische Persönlichkeit“.
„Lieder ohne Ablaufdatum“
Von vielen weiteren Politikern gab es am Sonntagabend Trauerbekundungen, auch aus dem Ausland. Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sagte, Jürgens habe einen „wesentlichen Beitrag für die internationale Anerkennung der österreichischen Musikwirtschaft“ geleistet. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gab sich „tieferschüttert“ und sagte, Jürgens habe sich in die Herzen aller Österreicher gesungen.
Mit Jürgens verliere Österreich seinen größten Entertainer, so Eva Glawischnig, Bundessprecherin der Grünen. NEOS-Kultursprecherin Beate Meinl-Reisinger sah ihn als „Unbeugsamen, der an sich und die Kraft seiner Lieder geglaubt hat“. Für das BZÖ war Jürgens „der größte Entertainer, den Österreich jemals gesehen hat“.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) schrieb, dass der Entertainer „Kärntens bekanntester Botschafter“ gewesen sei. „Seine Lieder sind ohne Ablaufdatum.“ Parteikollege Karl Blecha, Präsident des Pensionistenverbandes, sprach von einem „unermesslichen Verlust für unser Land - mehr dazu in kaernten.ORF.at.
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