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„Sensible Lebewesen“

Auf der philippinschen Insel Palawan hat Jacques Branellec die weltweit größte Perlenzucht gegründet, die goldene Perlen produziert. Fünf Jahre dauert es, bis eine einzige Perle aus der goldlippigen Auster Pinctada maxima fertig ist. Kaufpreis: 3.000 Euro. Der genaue Ort der Farm ist streng geheim.

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Journalisten müssen eine Erklärung unterschreiben, dass sie die geheime Lage der Inseln nicht verraten. Die aufwendige Zucht der sensiblen goldenen Perlen soll nicht von Außeneinwirkungen gefährdet werden. Mit einer Ausbeute von 700.000 bis einer Million Stück pro Jahr ergibt sich ein stolzes Sümmchen für den französischen Firmenchef Branellec, war in der Beilage der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) zu lesen.

„Perlen stehen für die ultimative Energie. Für Liebe. Ein kleines Stück Gold, wie eine Minisonne, geschenkt von einem Lebewesen“, beschrieb er seine Leidenschaft für die goldene Perle. Der Multimillionär hat sich auf seiner Perlenfarm die Produktion dieser „Minisonnen“ zum Ziel gesetzt. Dabei sind die Goldperlen gar nicht so „mini“. Bis zu 14 Millimeter Durchmesser können sie erreichen.

Handykontrollen bei Mitarbeitern

Streng genommen ist eine Perle nur „echt“, wenn sie „natürlich“ - also ohne menschlichen Eingriff - entstanden ist. Während in der freien Natur nur in einer von 20.000 Austern eine Perle zu finden ist, haben auf Branellecs Farm 1.000 Mitarbeiter aus Wissenschaftlern, Tauchern und Perlentechnikern das Ziel, die perfekte Perle zu produzieren. Die Jewelmer-Beschäftigten müssen äußerst behutsam mit den „sensiblen Lebewesen“ umgehen, wie die Biologin Doris Domingo im Interview mit der „SZ“ sagte. Wind etwa sei für die Austern ein Stressfaktor. Singen helfe, sie zu beruhigen, glaubt Domingo.

Neben einem paradiesischen Arbeitsort können sich die Jewelmer-Mitarbeiter laut einer Reportage des Fernsehsenders ARTE an einem soliden Einkommen erfreuen. Nur zwei Wochen Urlaub im Jahr und regelmäßige Handykontrollen gehören zu den Zugeständnissen, die sie machen müssen. Den Großteil ihres Lebens verbringen sie dann auf der Inselfarm - getrennt von ihren Familien. Branellec ist jedoch, wie er im Interview betont, neben der strengen Firmenpolitik liebevollen Pflege („Tender Loving Care“) für glückliche Perlen auch um entsprechend glückliche Mitarbeiter bemüht.

Präzise Operationen statt Zufall

Wie entsteht so eine Perle? Das wichtigste Element für die Perlbildung ist das im Mantelgewebe der Muschel enthaltene Epithel, also das Deckgewebe, das direkt unter der Schale sitzt. Wenn nun ein Fremdkörper - in der Natur etwa ein Sandkorn oder Würmer - in die Muschel eindringt und von den Epithelzellen umschlossen wird, dann ist das für die Perlenbildung schon die halbe Miete. Das Epithel überzieht den Fremdkörper so lange mit Schichten, bis Perlmutt entsteht. Perlmutt verleiht Perlen ihre charakteristische Farbe. Durch Zellteilung wächst dann ein sogenannter Perlsack, der mit der Ausscheidung von Perlsubstanz beginnt.

Bei Jewelmer wartet man nicht auf die zufällige Epithelwanderung, hier wird in präzisen „Operationen“ das Epithelgewebe in die Auster eingesetzt. Mit gleichem Fingerspitzengefühl wird eine Süßwasserperle aus der unter Perlenzüchtern beliebten Mississippi-Muschel eingepflanzt. Diese aus den USA importierte Perle dient als Nukleus, also Kern, um den herum das Perlmutt gebildet wird.

Insgesamt 323 Arbeitsschritte

Nach dieser „OP“ kommen die Taucher zum Einsatz, die Körbe mit der wertvollen Muschelfracht ins Meerwasser bringen. Täglich tauchen sie ab, kontrollieren die gleichmäßige Ablagerung des Perlmutts, wenden und reinigen die goldenen Perlen in spe. Nach zwei Jahrzehnten, die Branellec in die Zuchtforschung steckte, besteht der Perlenbildungsprozess heute aus exakt 323 Arbeitsschritten. Ihre goldene Farbe haben die Südseeperlen der Austernsorte Pinctada Maxima zu verdanken.

Erste Farm von Tsunami zerstört

Im Laufe der Jahre hat das Unternehmen mit Hilfe von Wissenschaft und Technik die Abläufe perfektioniert und die Ernte maximiert. Von anfangs 12,5 Prozent liegt heute die Erfolgsquote bei 80 Prozent. Der Firmengründer hängte seinen früheren Beruf als Pilot einer Fluglinie an den Nagel und gründete 1971 seine erste kleine Perlenfarm. Ein japanischer Perlenzüchter hatte ihn einst auf den Gedanken und zu seiner Leidenschaft gebracht.

Nach einigen Fehlschlägen - unter anderem aufgrund der Verwüstung durch einen Tsunami - entdeckte Branellec in der Insel Palawan das ideale Ökosystem für die Perlenzucht. Als er seine Schmuckstücke auf einer Messe in Monaco präsentierte, waren die Besucher fasziniert. Seitdem ist er nur noch in der Freizeit Pilot und lebt den Traum des „Perlenkönigs“.

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