„Mit hohem Tempo in die Sackgasse“
Vor einem Jahr, bei der Angelobung der Regierung von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und seinem Vize Michael Spindelegger (ÖVP), herrschte bei politischen Beobachtern Einigkeit: Die Regierung habe - Stichwort Wirtschaftskrise - beträchtliche Aufgaben vor sich, aber auch ein seltenes Zeitfenster, um Nägel mit Köpfen zu machen. Ein Jahr später hat sich nur Zweiteres geändert.
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Zwischen der Angelobung am 16. Dezember 2013 und heute lagen nur zwei größere Wahlen: die EU-Wahl und die Vorarlberger Landtagswahl, und damit ein Wahlkampf mit nur wenigen Bezugspunkten zur aktuellen Innenpolitik und ein regional eng umgrenzter Wahlkampf. Die Koalition würde wohl schnell schmerzhafte Reformen durchbringen und diese dann in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode mit Zuckerln vergessen machen, dachten alle. Doch heute wie damals dominieren der Steuerstreit und die Causa Hypo die Innenpolitik.
„Schaukampf“ mit zwei Verlierern
Was die Koalition erreicht hat, hätte sie zudem besser verkaufen können. Dass der jahrzehntelange Streit über die Einsetzung von U-Ausschüssen als Oppositionsrecht nun abgehakt wurde, kam nicht als Kür, sondern als Pflicht an. Beim Thema Asyl und strafrechtlichen Themen wurden wiederum hohe Erwartungen aufgebaut, die dann nicht erfüllt werden konnten. Meinungsforscher Peter Hajek meinte gegenüber der APA, die Regierung sei „stärker in der Planung diverser Projekte als in deren Umsetzung“.
Am Beispiel des Steuerreformzwists meinte auch zuletzt „Standard“-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid in einem Kommentar, die Koalition liefere sich einen „Schaukampf“, statt sich intern „zu verständigen und dann an die Öffentlichkeit zu gehen“. Am Ende würden so „beide als Verlierer dastehen“, und die Enttäuschung beim Bürger sei programmiert. „Die großen Themen - von Bildung über Föderalismus bis zu Pensionen und Verwaltung“ seien „auch in den vergangenen Monaten nicht angegangen“ worden.
„Zum Feiern gibt es wirklich keinen Grund“
Auch Meinungsforscher David Pfarrhofer (market) sieht „wenige innenpolitische Meilensteine“. Und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer meinte zur APA: „Zum Feiern gibt es wirklich keinen Grund.“ Die Meinungsforscher zeigten sich im Wesentlichen darüber einig, dass der Obmannwechsel in der Volkspartei von Spindelegger hin zu Reinhold Mitterlehner zwar taktisch geglückt sei und das Gesprächsklima in der Koalition möglicherweise verbessert habe, inhaltlich aber wenig bis gar nichts verändert habe.

APA/Herbert Pfarrhofer
Mitterlehner konnte bisher für die ÖVP Punkte sammeln
Bei der angekündigten Steuerreform wurde nach Bachmayers Dafürhalten die Erwartungshaltung in der Bevölkerung auf ein Maß gesteigert, das gar nicht erfüllt werden könne. Er befürchtet, dass die Bürger letztlich „ziemlich enttäuscht“ sein werden von dem Ergebnis, schlussendlich werde man sagen müssen: „Viel Lärm um wenig.“ Die Regierung rase „in sehr hohem Tempo in eine Sackgasse“ - ein Bild, das die Opposition naturgemäß unterstreicht. NEOS sprach etwa in einer Pressekonferenz am Montag von einem „verlorenen Jahr für Österreich“.
Allein vier Landtagswahlen im Jahr 2015
Klar ist jedenfalls, dass die Regierungsarbeit im „Superwahljahr“ (Bachmayer) 2015 nicht leichter wird. Mit den Gemeinderatswahlen und den Landtagswahlen in der Steiermark, in Wien und in Oberösterreich stünden Urnengänge an, die vor allem der SPÖ unangenehm werden könnten. Auch im Burgenland wird der Landtag neu gewählt. Alle drei Meinungsforscher zeigten sich einig, dass die Situation in der Koalition zudem belastet ist, seit Faymann auf dem SPÖ-Parteitag mit einem wenig erfreulichen Ergebnis als Parteichef bestätigt wurde.
Neuwahlen - und früher als gedacht?
Im Hinblick auf Faymann meint Bachmayer, das „Neuwahlgespenst“ könnte nun „wieder ein bisschen herumkreisen“. Hajek hält Neuwahlspekulationen aber eher für Motivationsversuche in den eigenen Reihen. Schon alleine wegen der derzeitigen Stärke der FPÖ könnten es sich die Regierungsparteien nicht leisten, Neuwahlen vom Zaun zu brechen. Auch Pfarrhofer kann sich derzeit nicht vorstellen, dass die Koalition auf Bundesebene zerbricht. „Beide haben wenig Anlass, darüber nachzudenken.“
Bachmayer verweist allerdings auf das Jahr 2008, als die SPÖ in einer nicht unähnlichen Lage Alfred Gusenbauer entthronte, womit eben Faymann zum Zug kam. Dazu kommen nach seiner Meinung noch „Vorverlegungsgelüste“ für die Wiener Wahl, die Wahrscheinlichkeit eines eher unbefriedigenden Steuerreformbeschlusses und das Verharren der SPÖ im Stimmungstief. Das alles könnte nach Bachmayers Meinung in einem Moment kulminieren: Neuwahlen zum Zeitpunkt der vorverlegten Wien-Wahlen, mit einem dann schon neuen Gesicht an der SPÖ-Spitze.
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