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Genug für jedes Wohnzimmer

Wie viele Orchideen pro Jahr in Europa verkauft werden, lässt sich kaum erahnen. Hochgerechnet von den Absatzzahlen von Großzüchtern in Deutschland und den Niederlanden sind es einige Millionen. Gezüchtet werden sie quasi nach dem Fließbandprinzip.

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Besonders beliebt, und heute in jedem Blumendiskonter und Baumarkt zu haben, sind die großblütigen Hybriden vor allem der Gattung Phalaenopsis. In Deutschland gilt diese - auch Schmetterlingsorchidee oder Nachtfalterorchidee genannt - als beliebteste blühende Zimmerpflanze überhaupt. Für Österreich dürfte Ähnliches gelten.

Die große Verbreitung ist vor allem modernen Zuchtmethoden, die entsprechend robuste und pflegeleichte Gattungen hervorgebracht haben, zu danken. Früher galten Orchideen eher als Spielzeug ambitionierter Hobbybotaniker. Heute produzieren Züchter wie Levoplant und Floricultura in den Niederlanden und Hark in Deutschland (allesamt Familienbetriebe) Dutzende Millionen Jungpflanzen pro Jahr.

Labors so groß wie Fußballfelder

Hark gilt laut einem Unternehmensporträt des deutschen „Handelsblatts“ als Weltmarktführer. Wer immer eine blühende Orchidee zu günstigen Preisen ersteht, der könne sich, so das Blatt, sicher sein, dass diese „gewiss nicht aus den Tropen, aber mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem beschaulichen Lippstadt“ in Nordrhein-Westfalen kommt.

Orchidee

ORF.at/Zita Köver

Im Handel dominieren Zuchtorchideen, vielfach Hybriden. Der Handel mit Naturformen unterliegt strengen Bestimmungen, viele Arten stehen unter Schutz.

Am Werk ist dort nicht „der Gärtner mit dem Strohhut“, die - für Laien nicht einfache - Vermehrung der Pflanzen findet unter Laborbedingungen statt. Laut „Handelsblatt“ arbeiten bei Hark Orchideen etwa 700 Angestellte im Zweischichtbetrieb - auf einer Fläche von zweieinhalb Fußballfeldern.

Vom Gemüse zur Orchideenzucht

Die Geschichte des Familienunternehmens geht auf eine 1904 gegründete Gärtnerei zurück, die laut Unternehmensangaben bis in die 1950er Jahre hinein hauptsächlich Gemüse und Schnittblumen produzierte. 1949 hätte Fritz Hark Senior, der Vater der heutigen Inhaber, die ersten Orchideen gekauft und sich danach - unter Einbeziehung von Botanikern und mit sehr großem Eifer - der Vermehrung der Exoten gewidmet.

Sein Sohn Fritz Hark spezialisierte das Unternehmen schließlich weiter - der Startschuss für die Massenvermehrung der Pflanzen im Labor. Heute züchtet und produziert Hark hauptsächlich die Schmetterlingsorchidee Phalaenopsis. Mittlerweile ist das Unternehmen auch mit einem Standort in den USA präsent und hat dort nach eigenen Angaben rund 25 Prozent Marktanteil.

Hochspezialisierte Unternehmen

Levoplant in den Niederlanden begann laut eigenen Angaben 1969 mit einer Produktionsfläche von 7.000 Quadratmetern, heute züchtet das Unternehmen Zimmerpflanzen an vier Standorten und auf einer Gesamtfläche von 135.000 Quadratmetern - ein Hauptschwerpunkt ist ebenfalls die Phalaenopsis.

Orchidee

ORF.at/Zita Köver

Weltweit gibt es rund 1.000 Gattungen und bis zu 30.000 Arten von Orchideen. Sie wachsen in unterschiedlichsten Erscheinungsformen in so gut wie allen Klimazonen, bis auf Wüsten.

Ein weiterer Großzüchter - laut Hark die Nummer zwei, laut Eigenangaben Weltmarktführer - ist Floricultura, gleichfalls gewachsen aus einer 1933 gegründeten Gärtnerei. Das Unternehmen ist auf 14 Arten spezialisiert. Floricultura importiert auch Orchideen und andere tropische Pflanzen aus Asien und Südamerika und verkauft sie in ganz Europa weiter.

Jeder hat seine Geheimnisse

Die Vermehrung der Pflanzen erfolgt bei Hark wie bei anderen Züchtern auch unter sterilen Bedingungen in Kunststoffbehältern. Jedes Unternehmen hat seine Geheimnisse - so hat auch Hark ein eigenes Substrat und eine Nährlösung, die laut „Handelsblatt“ etwas an Pudding erinnert, entwickelt.

Die Stecklinge gedeihen bei 27 Grad Celsius unter Leuchtstoffröhren. Bis sie „normales“ Orchideensubstrat sehen und vor allem blühen, vergeht noch einmal einige Zeit. Hark Orchideen liefere pro Jahr rund 50 Millionen Jungpflanzen, vier bis sechs Zentimeter groß und ein bis eineinhalb Jahre alt, an den Handel aus und bekomme dafür 80 Cent pro Stück.

Floriculura verlangt laut unternehmenseigener Großhandelspreisliste - je nach Abnahmemenge und Art - zwischen 1,05 und 1,50 Euro pro Jungpflanze. In Österreich kosten blühende Exemplare der Gattung Phalaenopsis, ursprünglich in den Regenwäldern Südostasiens beheimatet, meist zwischen knapp zehn und 25 Euro. Im Angebot sind sie mitunter auch schon für unter sechs Euro zu haben. Der Preisdruck auf Züchter und Händler ist hoch.

Ziemlich rasanter Siegeszug

In Deutschland rangiert die Phalaenopsis laut „Handelsblatt“-Bericht im Ranking der beliebtesten Zimmerpflanzen vor dem Weihnachtsstern und dem Alpenveilchen unangefochten auf Platz eins. Wann ihr Siegeszug begann, lässt sich nur ungefähr festmachen. Das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) hatte der „Blume von der Stange“ bzw. „Geranie des 21. Jahrhunderts“ schon 2007 ein ausführliches Porträt gewidmet und die Frage gestellt: „Wo kommt die denn auf einmal her?“

Die Recherche der Zeitung ergab damals, dass die Verkaufszahlen der populären Zimmerpflanze zwischen 1999 und 2006 um 400 Prozent gestiegen waren, und diese den „Ficus benjamina, früher Chef im deutschen Wohnzimmer“ schon längst „von seinem Thron gestoßen“ habe. Allerdings sagte die Zeitung der Orchidee auch schon das Ende ihrer Popularität voraus - wie es eben in jedem „Trendgeschöpf“ angelegt sei.

Von wegen rasches Ende

Bisher ist davon allerdings nichts zu bemerken. Bei Hark schätzt man den europaweiten Handelsumsatz allein mit der Phalaenopsis mittlerweile auf rund eine Milliarde Euro pro Jahr. Allein niederländische Großzüchter verkaufen nach Schätzungen pro Jahr 145 Millionen Stück Jungpflanzen in die ganze Welt, zusammen mit Hark kratzt die Zahl an der 200-Millionen-Marke. Statistisch gesehen kommt dabei beinahe eine „geklonte“ Orchidee - mittlerweile in unzähligen Blütenfarben erhältlich - auf jeden EU-Haushalt.

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