Ärmere investieren weniger in Bildung
Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich verlangsamt in vielen OECD-Ländern das Wirtschaftswachstum. Denn Ärmere investieren in der Regel weniger in Bildung, damit gebe es weniger Kompetenzen im jeweiligen Land. Das geht aus einem neuen Arbeitspapier Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Starkes und dauerhaftes Wachstum sei nur bei energischem Eintreten gegen wachsende Ungleichheit möglich, erklärte die OECD in Paris. Daher könne auch gezielte Umverteilung durch Steuern und Transferleistungen durchaus wachstumsfördernd sein. Die Schere gehe so weit auseinander wie zuletzt vor 30 Jahren. In der OECD verdiente Mitte der 1980er Jahre das reichste Zehntel der Bevölkerung siebenmal so viel wie das ärmste. Heute liege das Verhältnis bei 9,5 zu eins, erklärte die 34 Mitgliedsländer - darunter Österreich - zählende Organisation.
Gini-Koeffizient
Das OECD-Arbeitspapier beruht auf dem Gini-Koeffizienten. Dieser misst Ungleichheit und macht sie international vergleichbar. Bei einem Wert von eins ist die Ungleichheit maximal, bei null minimal ausgeprägt.
Die Folgen in Österreich
Laut Michael Förster von der OECD ist die Wirtschaft in Österreich seit den 1990er Jahren um 30 Prozent gewachsen. Wäre die Ungleichheit nicht gestiegen, hätte die Wirtschaftsleistung um zwei Prozentpunkte stärker steigen können, wurde Förster im Ö1-Mittagsjournal zitiert.
Die OECD forderte die Politik in diesem Punkt zum Gegensteuern auf. „Unsere Analyse zeigt, dass wir nur auf starkes und dauerhaftes Wachstum zählen können, wenn wir der hohen und weiter wachsenden Ungleichheit etwas entgegensetzen“, sagte Generalsekretär Angel Gurria. „Der Kampf gegen Ungleichheit muss in das Zentrum der politischen Debatte rücken.“ Denn die gestiegene Einkommensungleichheit hemme die wirtschaftliche Entwicklung.
In Deutschland wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf laut OECD zwischen 1990 und 2010 inflationsbereinigt um etwa 26 Prozent. Wäre die Ungleichheit auf dem Niveau von Mitte der 80er Jahre verharrt, hätte das Plus um fast sechs Prozentpunkte höher ausfallen können. Für Österreich sind in dem Bericht keine vergleichbaren Daten ausgewiesen.
Weniger Investition in Bildung
Dafür sieht die OECD vor allem einen Grund: Ärmere investieren in der Regel weniger in Bildung. Kinder aus sozial schwächeren Familien hätten daher weniger Bildungschancen. „Wachsen und gedeihen werden vor allem jene Länder, die alles daransetzen, dass ihre Bürger von klein auf gleiche Chancen haben.“
Eine Umverteilung von oben nach unten mittels Steuern und Transfers sei nicht zwangsläufig wachstumsschädlich, solange entsprechende Maßnahmen zielgenau angewandt werden. Eine solche Verteilungspolitik müsse sich vor allem auf Familien mit Kindern sowie auf junge Menschen konzentrieren und deren Lernchancen verbessern.
Konkrete Handlungsanleitungen
OECD-Chef Gurria stellte klar, dass die Ungleichheit „keinswegs unvermeidbar“ sei. Der Bericht zeige „klar, dass die Weiterbildung von Arbeitern und Angestellten das mit Abstand stärkste Instrument“ sei, um steigender Ungleichheit zu begegnen. Diese „Investition“ müsse in der frühen Kindheit beginnen und durch die gesamte Bildungslaufbahn und am Arbeitsplatz fortgesetzt werden.
Außerdem forderte die OECD in dem Arbeitspapier ihre Mitgliedsländer auf „sicherzustellen“, dass die Reicheren ihren „fairen Anteil“ zur Steuerlast beitragen. Konkret schlägt die OECD vor, die Höchststeuersätze anzuheben, Steuerhinterziehung stärker zu bekämpfen, Abschreibmöglichkeiten zu streichen und die Rolle jeder Form von Besitz- und Vermögenssteuer „neu zu bewerten“.
Reformen bei Pensionssystemen nötig
Trotz Fortschritten auf dem Weg zu nachhaltigeren Pensionssystemen sind nach Einschätzung der OECD mehr Reformen in den Mitgliedsländern nötig. Dazu zwängen der demografische Wandel und die schwache weltweite Konjunktur, heißt es im am Montag in Paris und Berlin erschienenen Pensionsausblick. „Wir müssen besser erklären, dass akzeptable Pensionen nur möglich sind, wenn wir länger arbeiten und mehr einzahlen“, so Gurria zu dem Bericht.
Geringes Wirtschaftswachstum sowie niedrige Zinssätze und Renditen verschärften den Druck, dem öffentliche und private Pensionssysteme ausgesetzt seien, heißt es in dem Bericht. Setzten Länder das Pensionsalter hinauf, dann müsse unbedingt auch mehr dafür getan werden, dass Ältere einen Arbeitsplatz finden und behalten könnten. Besonders wichtig seien Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung. Junge Menschen hingegen sollten auf die langfristige Stabilität des Pensionssystems vertrauen können, es sei wichtig, Reformbedarf auch zu vermitteln.
Link: