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An Grenze gefasst

Wie am Dienstag bekannt geworden ist, hat die libanesische Armee hat Ende November eine Ex-Frau des IS-Chefs Abu Bakr al-Baghdadi und drei Kinder festgenommen. Nach Angaben des libanesischen Innenministers Nuhad Maschnuk ergab ein DNA-Test, dass es sich bei einem der Kinder um eine Tochter Baghdadis handelt.

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Die Behörden gaben aber weder den Namen noch die Nationalität der Frau an, die als eine der Ehefrauen Baghadis bezeichnet wurde. Laut der Nachrichtenagentur dpa handelt es sich bei der Frau um eine Syrerin, sie sei die Zweitfrau Baghdadis. Laut Reuters soll es sich hingegen bei der Ehefrau Baghdadis um eine Irakerin namens Saja al-Dulaimi handeln, wie die Nachrichtenagentur unter Berufung auf libanesische Quellen berichtete. Sie sei eine von insgesamt 150 Frauen, die im März von der syrischen Regierung im Austausch für 13 Nonnen, die von einer der Terrororganisation Al-Kaida nahestehenden Miliz in Syrien entführt worden waren, aus dem Gefängnis freigelassen worden waren.

Irak zweifelt Festnahme an

Der Irak widersprach allerdings Berichten über die Festnahme einer Ehefrau von Baghdadi. Die im Libanon aufgegriffene Irakerin sei nicht mit Baghdadi verheiratet, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Frau namens Saja Abdul Hamid al-Dulaimi sei die Schwester eines Mannes, der im Irak im Gefängnis sitze und wegen der Beteiligung an Bombenanschlägen zum Tode verurteilt sei.

Al-Bagdadi habe nach Kenntnissen des irakischen Geheimdienstes zwei Frauen namens Isra Radschab al-Kaisi und Fausi al-Dulaimi. Es wird angenommen, dass die beiden Al-Dulaimis verwechselt wurden. Die im Libanon festgenommene Sadscha sei eine nach Syrien geflohene Irakerin. Im Bürgerkriegsland sei sie zunächst von syrischen Behörden festgenommen worden und im März bei einem Gefangenenaustausch mit der islamistischen Al-Nusra-Front wieder freigekommen. Die Nusra-Front hatte dafür mehrere orthodoxe griechische Nonnen freigelassen.

Rätseln über Baghdadis Privatleben

Über Baghdadis Privatleben ist wenig bekannt. Einem auf einer IS-nahen Website veröffentlichten Lebenslauf Baghdadis zufolge ist der Iraker verheiratet. Wie viele Frauen er hat, ist unbekannt. Nach islamischem Recht kann er bis zu vier Frauen heiraten. Laut Reuters, die sich auf irakische Stammesquellen bezieht, hat Baghdadi drei Frauen: zwei Irakerinnen und eine Syrerin. Die libanesische Zeitung „As-Safir“ berichtete, die Festnahme habe in Koordination mit einem ausländischen Geheimdienst stattgefunden. Die Ehefrau Baghdadis sei mit einem falschen Pass gereist, hieß es weiter. Sie werde im Hauptquartier des libanesischen Verteidigungsministeriums verhört.

Noch nie sei jemand, der Baghdadi so nahe stehe, verhaftet worden, so der Terrorismusexperte Sajjan M. Gohel von der Asia Pacific Foundation in einem Interview mit dem US-Nachrichtensender CNN. Die Festnahme werfe viele Fragen auf, unter anderem, was ein Mitglied der Baghdadi-Familie überhaupt im Libanon wolle. Habe sich Baghdadi von seiner Ehefrau entfremdet? Sei sie gar vor ihm geflüchtet, so Gohel.

Libanon will Überschwappen des Konflikts verhindern

Die libanesischen Sicherheitskräfte gehen gegen IS-Sympathisanten mit aller Härte vor. Die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zu Syrien wurden verstärkt. Der Libanon will damit ein Überschwappen des Konflikts verhindern. In den letzten Monaten verhafteten die Sicherheitskräfte mehrere IS-Kämpfer, die Anschläge im Libanon geplant haben sollen.

Baghdadi hatte sich am 29. Juni in der irakischen Großstadt Mossul zum „Kalifen“ aller Muslime erklärt - ein Anspruch, der von fast allen islamischen Geistlichen zurückgewiesen wird. Zugleich rief der Dschihadistenführer ein „Kalifat“ aus, das vorerst die Gebiete in Syrien und dem Irak unter der Kontrolle seiner Miliz umfasst.

Lebt Baghdadi noch?

Der Verbleib des IS-Anführers ist unklar. Im November war spekuliert worden, Baghdadi sei bei amerikanischen Luftangriffen verwundet oder sogar getötet worden. Das US-Militär hatte nach eigener Auskunft nahe der größten nordirakischen Stadt Mossul einen Konvoi aus zehn Lkws zerstört, in dem mehrere Anführer des IS vermutet wurden. Sowohl Washington als auch irakische Geheimdienstvertreter betonten aber danach, dass es keine gesicherten Erkenntnisse über das Schicksal des IS-Anführers gebe.

Der IS veröffentlichte allerdings Mitte November eine Tonaufnahme, auf der Baghdadi zu hören sein soll. Sollte die Stimme wirklich zu ihm gehören, dürfte Baghdadi noch am Leben sein - aktuelle Bezüge legen das zumindest nahe. Zwar nimmt der Sprecher in der 17-minütigen Tonaufnahme keinen direkten Bezug auf den Luftangriff der US-geführten Militärkoalition vom 7. November. Er erwähnt aber Geschehnisse, die sich seitdem ereignet haben. Die Authentizität der Tonaufnahme ließ sich zunächst nicht unabhängig bestätigen.

Die Tötung des selbst ernannten „Kalifen“ wäre ein wichtiger Erfolg im Kampf gegen die Dschihadisten. Washington hat zehn Millionen Dollar (acht Mio. Euro) für die Festnahme des Mannes ausgesetzt, der inzwischen als mächtiger eingeschätzt wird als der Chef des Terrornetzwerks Al-Kaida, Aiman al-Sawahiri.

Weitere Eroberungszüge angekündigt

In der veröffentlichten Tonaufnahme kündigte der Sprecher weitere Eroberungszüge der IS-Miliz an. „Sie wird ihren Vormarsch nicht stoppen und ihn mit Allahs Segen weiter ausdehnen“, heißt es darin - "bis sie Rom erreicht. An Andersgläubige ergeht die Drohung, ihre Nationen in einen blutigen Bodenkrieg zu verwickeln: „Bald werden Juden und Kreuzzügler dazu gezwungen sein, sich auf den Boden zu begeben und ihre Infanterie in den Tod und in die Zerstörung zu schicken.“ Die IS-Kämpfer hatten in den vergangenen Monaten mehrere Regionen im Irak und in Syrien erobert, woraufhin sich eine internationale Militärallianz zusammentat. Die US-geführte Koalition fliegt in beiden Ländern Luftangriffe auf die Dschihadisten.

Führung 2010 übernommen

Der sunnitische Rebellenführer Baghdadi, der nach US-Angaben 1971 in der irakischen Stadt Samarra geboren worden war, hatte sich nach der US-Invasion im Frühjahr 2003 dem Aufstand gegen die ausländischen Truppen angeschlossen

Bereits im Herbst 2005 nahm die US-Armee an, Baghdadi bei einem Angriff im irakisch-syrischen Grenzgebiet getötet zu haben - ein Irrtum, wie sich später herausstellte. 2010 übernahm er dann die Führung des damals noch Islamischer Staat im Irak genannten IS-Vorläufers, nachdem seine beiden Vorgänger getötet worden waren. Unter seinen Gefolgsleuten hat sich Baghdadi seither als Kommandant und Taktiker großes Ansehen verschafft.

Krankenversicherung und Heiratsbeihilfen

Experten zufolge finanziert sich die Miliz bisher vor allem durch Lösegelder für Entführungsopfer sowie durch Plünderungen und die Ausbeutung von Ölfeldern in den von ihr besetzten Gebieten. Darüber hinaus plant der IS nun offenbar auch die Ausgabe einer eigenen Währung: Münzen aus Gold, Silber und Kupfer sollten „das tyrannische Währungssystem“ ablösen, „das den Muslimen aufgezwungen wurde und zu ihrer Unterdrückung geführt hat“, hieß es in einer Mitteilung der Dschihadistenorganisation.

Zuletzt waren neue Details über die Strukturen des IS bekanntgeworden. „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichteten unter Berufung auf interne IS-Dokumente, es gebe innerhalb der Terrormiliz eine Krankenversicherung, Heiratsbeihilfen und Unterstützungszahlungen für die Familien getöteter oder inhaftierter Kämpfer. Zudem führe die Sunnitenmiliz Personalakten von Selbstmordattentätern.

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