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Guttapercha überraschend langlebig

An den Stränden Nordeuropas haben in den vergangenen Jahren immer wieder angeschwemmte Platten aus Guttapercha, einem kautschukartigen Gummi, für Rätselraten gesorgt. Die Herkunft aus Indonesien war durch den aufgeprägten Namen „Tjipetir“ rasch ermittelt. Doch wie kamen die Platten rund 100 Jahre später nach Europa?

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Für Strandsucher in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Dänemark war es jedes Mal eine kleine Sensation, wenn sie in angeschwemmtem Strandgut die Platten mit dem exotischen Namen fanden. So ging es auch der Britin Tracey Williams, als sie 2012 an der Küste von Cornwall das erste Gummibrett fand. Wenige Wochen später fand sie bereits das nächste. Ihre Neugier war geweckt, und sie machte sich auf die Suche nach der Quelle der Guttapercha-Stücke, wie BBC berichtet.

Ladegut aus der Titanic?

Sie stellte Bilder ihrer Funde auf Facebook, und rasch meldeten sich Hunderte weitere Menschen, die ebenfalls „Tjipetir“-Platten entdeckt hatten. Rasch machten Spekulationen die Runde, woher die Gummiplatten stammen könnten. Unter anderem vermuteten französische Medien, dass sie aus der Ladung der 1912 gesunkenen „Titanic“ stammen könnten.

Facebook-Seite zeigt Fotos von Personen mit gefundenen Tjipetir-Gummiplatten

Facebook

Hunderte Bilder von „Tjipetir“-Platten wurden bereits auf Facebook gepostet

Anfang des vergangenen Jahrhunderts war Guttapercha ein begehrter Rohstoff. Hergestellt wurde die Gummiart bis Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem auf den Tjipetir-Plantagen in Westjava, Indonesien. Das Material wurde zu der Zeit für alles Mögliche - vom Golfball bis zum Kinderspielzeug - verwendet, bis es schließlich vom billigeren Plastik verdrängt wurde. In den Ladedokumenten scheinen auch tatsächlich „Tjipetir“-Platten auf, wie Williams bei ihren Recherchen feststellte.

Japanischer Frachter abgeschossen

Doch im Sommer 2013 entdeckte die Britin eine weitere Spur. Von zwei unterschiedlichen Personen haben sie anonyme Tipps erhalten, wie sie BBC erzählte. Beide wiesen auf ein japanisches Schiffswrack hin, das im Ersten Weltkrieg 150 Meilen (240 km) westlich der britischen Scilly-Inseln gesunken ist. Die Inselgruppe liegt nur wenige Kilometer vom Eingang des Ärmelkanals entfernt. Vor wenigen Jahren begann eine Bergungsfirma im Wrack der „Miyazaki Maru“ mit der Suche nach Frachtstücken.

„Bei den Bergungsarbeiten wurde die Ladung in großen Mengen aus dem Frachtraum hervorgeholt, wobei sich die Guttapercha-Platten und Gummiballen aus dem Schiffsinneren gelöst haben“, erklärt Williams. Diese Theorie wird auch von offizieller Seite unterstützt. Alison Kentuck von der Meldestelle für Wracks, bestätigte gegenüber BBC, dass alles auf die „Miyazaki Maru“ hindeute, Beweise gebe es jedoch noch keine.

Der japanische Frachter wurde während des Ersten Weltkrieges von dem bekannten deutschen U-Boot-Kapitän Walther Schwieger versenkt. Schwieger war es auch, der 1915 den Abschuss des Passagierschiffes „RMS Lusitania“ befehligte, bei dem 1.100 Menschen ums Leben kamen und der in weiterer Folge zum Eintritt der USA in das Kriegsgeschehen führte.

Noch 100 Jahre im Meer unterwegs

Was gegen diese Theorie spricht, ist, dass einzelne „Tjipetir“-Platten bereits 2008, und damit lange vor Beginn der Bergungsarbeiten in der „Miyazaki Maru“, angeschwemmt wurden. Ein Fischer erzählte auf Facebook, eine dieser Gummiplatten schon vor 30 Jahren gefunden zu haben. Seither sei es als Schneidbrett auf seinem Boot in Verwendung. Da viele Schiffe aus dieser Zeit Guttapercha-Platten geladen hatten, kämen auch mehrere Wracks als Quelle in Frage, räumt Williams ein. Und auf ihrem Weg durch die Ozeane könne die Gummiladung bereits weite Wege hinter sich haben.

Basierend auf den bisherigen Funden könne man davon ausgehen, dass das Treibgut bereits von weltweiten Meeresströmungen erfasst wurde, erklärt der Ozeanograf Curtis Ebbesmeyer gegenüber BBC. Bei den leichten Gummiplatten würde eine Reise um die Welt gerade einmal 25 Jahre dauern, schätzt Ebbesmeyer. „Und sie sind bereits so lange im Meer, dass es für drei Umrundungen reichen würde.“ Angesichts des überraschend guten Zustandes des Gummis dürften sie auch so schnell nicht verschwinden. „Sie könnten Treibgut werden, das Menschen auch noch nach 100 Jahren finden“, glaubt Ebbesmeyer.

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