Zwangsehe mit ÖVP lähmt Partei
Bundeskanzler Werner Faymann ist bei der Wahl zum Parteipräsidium deutlich unter dem parteiintern selbst gesetzten Ziel „Ein Neuner muss vorne stehen“ geblieben. Im Vergleich zum letzten Parteitag 2012 hat er sich allerdings leicht (von 83,43) auf 83,9 Prozent verbessert. Faymann nahm das Ergebnis an.
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In einer kurzen Stellungnahme betonte er zwar, ein kleines Plus im Vergleich zum Parteitag vor zwei Jahren erzielt zu haben. Es gelte aber offenbar noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber verbiegen dürfe man sich nicht, so der Kanzler.
Junge und Frauen mit SPÖ unzufrieden
„Die SPÖ ist in einem strukturellen Dilemma“, so Politikwissenschaftler Anton Pelinka in der ZIB24. Diese Probleme müssten angegangen werden. Die Unzufriedenheit sei vor allem bei den Jungen und Frauen groß. Die SPÖ sei nach wie vor vor allem eine Pensionistenpartei, deren Interessen viel stärker wahrgenommen werden als die der Jungen. Das sei ein Dilemma, das die SPÖ mit dem Koalitionspartner teile.
An den Koalitionspartner gefesselt
Als zweites Kernproblem sieht der Politikwissenschaftler die Zwangsehe mit der ÖVP. Die SPÖ sei gefangen in einer parteiintern ungeliebten Koalition, zu der es nur die Opposition als Alternative gebe, in die aber keiner gehen will, so Pelinka. Der ÖVP bliebe immer noch die Wiederauflage einer Koalition mit den Freiheitlichen. Eine Öffnung der SPÖ für die FPÖ ist für Pelinka keine Option. Hier müsse die klare inhaltliche Abgrenzung weitergeführt werden.
Mit dem schlechten Ergebnis für Faymann entstehe laut Pelinka der Eindruck, dass es an einigen Personen liege. Der aktuelle Denkzettel ist aus seiner Sicht verständlich, aber die falsche Diskussionsebene. Der Parteivorsitzende werde hier zum Sündenbock gemacht. Eine Personaldebatte sei laut Pelinka aber nicht angebracht.
„Kuschelkurs“ statt Substanz
Faymanns „Kuschelkurs“ nach dem Motto „Anbiederung statt Angriffe, die Partei als Partie“, so der „Standard“, scheine selbst den Genossen nicht mehr geheuer. Auch nach sechs Jahren Kanzlerschaft sei nicht klar, wofür Faymann eigentlich stehe. Obwohl Faymann auf Boulevard-Medien und Populismus setze, schaffe er es nicht, „Breitenwirkung zu erzielen und zumindest unter den Sozialdemokraten populär zu werden: Es fehlt ihm und der Partei an Substanz, mit der sich positive Zukunftserwartungen verbinden lassen“, so der „Standard“. Für die „Presse“ ist das Ergebnis der „Anfang vom Ende“ Faymanns und das Blatt spekuliert bereits über einen möglichen „Rückzug auf Raten“ - etwa indem die Ämter Parteichef und Bundeskanzler getrennt werden. Mit Blick auf die Steuerreformverhandlungen ist für die „Presse“ klar, dass die SPÖ „eine starke Parteispitze braucht“.
„Rote Karte“
Ins gleiche Horn stößt auch die „Tiroler Tageszeitung“ („TT“), deren Ansicht nach sich die „Inhaltsleere der Vergangenheit“ nun räche. Während die ÖVP laut „TT“-Kommentar mit einem geschwächten Kanzler Faymann gut leben könne, sei offen, ob das auch die Sozialdemokratie angesichts des Wahljahres 2015 wolle. Und weiter: „Wer die Partei kennt, weiß, dass sie schnell handeln kann.“ Für den „Kurier“ hat die Partei Faymann mit dem schwachen Ergebnis „die Rote Karte gezeigt“. Dahinter stehe der Frust über die inhaltliche Leere der Partei. Und dieser Frust habe sich am Parteitag unerwartet deutlich entladen.
Ungünstige Ausgangslage für 2015
Parteiintern geht Faymann damit vor dem Jahr 2015, in dem zahlreiche Regionalwahlen anstehen, nicht gestärkt aus dem Parteitag heraus. In den Medien und auch parteiintern war die Mindestmarke der Zustimmung dafür auf 90 Prozent gelegt worden - insbesondere nach der 99-prozentigen Bestätigung von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Wiener FPÖ-Chef.
Kleines Detail am Rande: In der SPÖ-Aussendung wurden alle Ergebnisse der Präsidiumsmitglieder mit zwei Kommazahlen angegeben - jenes von Faymann dagegen mit 84 Prozent (genau genommen aber 83,9 Prozent).
Auch Heinisch-Hosek unter 90-Prozent-Marke
Bereits bei der ersten Wahl - jener zum Parteivorstand - hatte Faymann mit 83,61 Prozent der Delegiertenstimmen eine Schlappe hinnehmen müssen: Beim letzten Parteitag vor zwei Jahren in St. Pölten hatte er bei der Vorstandswahl 87,48 Prozent auf sich vereinen können. Faymanns Ergebnis war auch im Präsidium das schwächste. Außer ihm verpasste bloß Unterrichts- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek die 90-Prozent-Marke. Sie überzeugte 87,1 Prozent der Delegierten.
Faymann gibt sich gelassen
Faymann selbst glaubt nicht, dass ihn sein neuerlich schwaches Parteitagsergebnis für die Steuerreformverhandlungen schwächt. Die Position der Partei sei durch die von der Gewerkschaft gesammelten Hunderttausenden Unterstützungsunterschriften gestärkt. „Die Sozialdemokratie ist gerade bei diesem Thema nicht zu unterschätzen“, sagte Faymann nach dem Parteitag vor Journalisten.
Faymann deponierte neuerlich, dass der Eingangssteuersatz gesenkt werden müsse. Und: „Ich bin überzeugt davon, dass eine Gegenfinanzierung nötig ist, weil ich nicht wüsste, wie man den Betrag sonst aufbringen kann.“
Keine Schwächung sieht auch ÖGB-Präsident Erich Foglar, der zuvor noch zur Stärkung des Verhandlungsteams aufgerufen hatte. Ihm sei es um die inhaltliche Stärkung gegangen, und das werde mit den am Samstag am Parteitag anstehenden Beschlüssen auch geschehen, so Foglar.
Darabos: „Schwächen uns selbst etwas“
„Ich hätte gerne ein besseres Ergebnis gehabt“, räumte Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos nach dem Parteitag ein. Schließlich hinterlasse Faymann in der Regierung einen klaren „sozialdemokratischen Fußabdruck“. „Ich bin enttäuscht, weil wir schwächen uns damit selbst etwas“, so Darabos. 84 Prozent seien aber kein schlechtes Ergebnis.
Dass - mit Ausnahme Heinisch-Hoseks - alle anderen Präsidiumsmitglieder mehr als 90 Prozent Zustimmung erhielten, erklärte Darabos in der ZIB2 damit, dass Faymann als Parteivorsitzender mehr in der Kritik stehe als seine Stellvertreter. Weder Faymann noch sich selbst als Bundesgeschäftsführer wollte Darabos in der ZIB2 durch den Ausgang der Wahl infrage gestellt sehen.
Darabos zeigte sich zuversichtlich, auch jene, die „Zweifel an der Umsetzungsfähigkeit“ der Parteiführung hätten, überzeugen zu können. Nun gehe es jedenfalls darum, bei der Steuerreform ein gutes Ergebnis zu erzielen. „Wenn es das nicht gibt, dann müsste es vielleicht Neuwahlen geben - aber ich glaube nicht, dass die ÖVP darauf hinarbeitet“, so der Bundesgeschäftsführer vor Journalisten.
„Innerparteiliche Arbeit intensivieren“
Kärntens Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser sieht im Wahlergebnis des Bundesparteitags „den klaren Auftrag an Faymann und die Spitze der Bundespartei, die Diskussionen und die innerparteiliche Arbeit zu intensivieren“, wie er Freitagabend in einer Aussendung sagte. Gleichzeitig mahnte Kaiser eine notwendige Attraktivierung der SPÖ ein.
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