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SPÖ-Chef glaubt nicht an neue ÖVP

SPÖ-Chef Werner Faymann hatte Freitagnachmittag vor der Präsidiumswahl in einer gut 45-minütigen Rede am Parteitag der Sozialdemokraten in der Wiener Messe um Unterstützung und ein Signal der Geschlossenheit geworben - vergebens, wie sich am Abend herausgestellt hat.

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„Unsere Stärke ist, dass wir hart gegeneinander diskutieren, aber geschlossen nach außen gehen“, sagte der Kanzler Freitagnachmittag. Beim letzten Parteitag war Faymann noch mit 83,43 Prozent abgestraft worden - diesmal war es mit 83,9 Prozent nicht wirklich besser. Dabei gab sich Faymann bei seiner Rede noch zuversichtlich: „Ich kann mich auf euch verlassen, ihr könnt euch auf mich verlassen.“

Bundeskanzler Werner Faymann

APA/Herbert Neubauer

Applaus für den SPÖ-Chef von seinen Mitstreitern auf dem Podium

Faymann schottete in seiner die Delegierten nicht unbedingt mitreißenden Rede die SPÖ vom Rest der Politikwelt ziemlich ab: „Verlassen können wir uns nur auf uns selbst.“ Die SPÖ bekomme keine großen Spenden, und auch die Journalisten hätten offenbar kein Interesse an einer starken Sozialdemokratie.

Neoliberale als Hauptfeindbild

Dass diese demnächst eine Steuerentlastung durchsetzen wird müssen, ist Faymann klar: „Wir wissen sehr genau, dass wir die Arbeitnehmer nicht enttäuschen dürfen.“ Zahlen sollen für die Entlastung möglichst die Millionäre. Auch dass viele nur vom Erbe gut leben könnten, findet der Kanzler „unfair“.

Leicht wird es nach Einschätzung des SPÖ-Chefs freilich nicht, die eigenen Steuerpläne umzusetzen. Denn er glaubt nicht, „dass die Neoliberalen schon aufgegeben haben“. Auch auf die personell erneuerte ÖVP sollte man nicht setzen: „Wer glaubt denn so was, dass die ÖVP eine andere ist, weil Reinhold Mitterlehner Chef ist?“

Rückblick auf Navigieren durch Krise

Klar abgelehnt wurden von Faymann auch Privatisierungen, etwa bei den Bundesbahnen. Ein Nein des SPÖ-Chefs kam ferner zur Kürzung von Arbeitnehmerrechten. Immerhin, sein Dauerthema der letzten Tage - den von der SPÖ bekämpften „Pensionsautomaten“ - hatte Faymann am Freitag nicht in seine Rede integriert. Lieber philosophierte der Kanzler ohnehin ausführlich über die von den „Neoliberalen“ verschuldete Wirtschaftskrise, würdigte, wie Österreich durch diese gekommen sei und erinnerte daran, was für fatale Folgen falsche Reaktionen auf so eine Krise im 20. Jahrhundert gehabt hätten.

Schwarz-blaues Gedankenexperiment

Argumentativ blickte der Kanzler auch gern auf die schwarz-blaue Ära zurück. Den Delegierten empfahl Faymann, darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn Schwarz-Blau in der Krise regiert hätte: „Aber nur eine Sekunde, damit euch nicht schlecht wird.“ Die Rede wurde von den Delegierten zwar nicht unbedingt mit brausendem Applaus, aber immerhin mit den üblichen Standing Ovations bedacht.

Offener Schlagabtausch

Während ÖGB-Präsident Erich Foglar die Delegierten aufforderte, das Regierungsteam zu stärken, übten die Jugendvertreter in der Debatte scharfe Kritik am Zustand der SPÖ. Der Tiroler SJ-Chef Luca Tschiderer kritisierte die Forderung, wegen der kommenden Steuerreformdebatte auf Kritik an der Parteiführung zu verzichten, dagegen als „scheinheilig“. „Eine Partei, die immer davon spricht, geschlossen zu sein, wird auch geschlossen sein - aber im Sinne von zug’sperrt“, warnte sein niederösterreichischer Kollege Boris Ginner.

Scharfe Kritik am Zustand der Partei kam von Oberösterreichs SJ-Chefin Fiona Kaiser, die der SPÖ vorwarf, neoliberale Lösungen mitzutragen. „Es gibt eine Alternative zum Kapitalismus, nämlich den Sozialismus, aber die SPÖ traut sich nicht mehr, ihr Ziel, ihre Visionen zu benennen“, kritisierte Kaiser: „Was mache ich mit einer SPÖ, die so viel Angst vor ihrer Ideologie hat, dass sie sich nicht mehr traut, die Dinge auszusprechen?“

„Niederlagen müssen endlich aufhören“

„Mindestens genau so wichtig, wie Geschlossenheit ist inhaltliche Glaubwürdigkeit“, erinnerte die Grazer SPÖ-Chefin Martina Schröck die Parteiführung. Die SPÖ habe jede Wahl der letzten Jahre verloren: „Diese Niederlagen tun weh, und diese Niederlagen müssen endlich aufhören.“

Ablinger warnt vor zu viel Geschlossenheit

Die frühere oberösterreichische Frauenchefin Sonja Ablinger, um die sich der jüngste Quotenstreit entzündet hatte, kündigte an, Faymann nicht zu wählen. Ablinger warnte, dass Geschlossenheit auch negative Auswirkungen haben könne und erinnerte Faymann an die Debatte über die Sparvorgaben des EU-Fiskalpakts. Damals sei eine inhaltliche Diskussion unmöglich gewesen, denn: „Es war völlig klar, du hast in Europa zugestimmt und deshalb muss die Partei das mittragen, weil sonst würdest du dein Gesicht verlieren.“

Burgstaller kontert

Die frühere SPÖ-Abgeordnete und Wiener Stadträtin Elisabeth Pittermann warnte dagegen davor, Kritik zu stark nach außen zu tragen. Ebenso Postgewerkschafter Robert Wurm: „Wir sind mit dem Papa bös’, aber wenn die Polizei anruft und fragt, ‚wo ist der Papa?, dann wiss‘ ma’s nicht.“ Die Jugendvertreter forderte er auf: „Sagt ihm ins Gesicht: ‚Ich mag dich nicht, aber ich wähl‘ dich trotzdem.’“ Für ein gemeinsames „kritisches und zielorientiertes“ Auftreten der Partei plädierte dagegen die frühere Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die am Parteitag ihren letzten Auftritt als Vorstandsmitglied hatte.

Faymann: Kritik ja, Chaos nein

Kanzler Werner Faymann meinte in einem Statement zum Abschluss der Debatte und vor der Wahl, „natürlich“ Kritik auszuhalten. Man möge aber einmal auf Gehaltsverhandlungen schauen und überlegen, ob man dort besser fahre, wenn man gemeinsam marschiere oder wenn jeder in eine andere Richtung gehe. Die Sozialdemokratie habe jedenfalls in der Vergangenheit nicht gewonnen, weil sie die größte Chaospartei sei, sondern weil sie kritisch, auch gesellschaftskritisch sei, aber vor allem auch das Ziel für eine bessere Welt und eine gerechtere Gesellschaft im Auge habe.

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