Spiel mit dem Niedrigpreis
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hat bei ihrem Treffen am Donnerstag beschlossen, die Fördermenge nicht zu kürzen. Eine der treibenden Kräfte hinter der Entscheidung: Saudi-Arabien. Der Golfstaat hat für seine Politik gute Gründe.
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Der Ölpreis gab bereits während der Sitzung der OPEC-Energieminister weiter nach. Mit dem Bekanntwerden der Entscheidung sank er schließlich auf den tiefsten Stand seit vier Jahren. Nicht alle OPEC-Staaten werden darüber glücklich sein. Ärmere OPEC-Mitglieder wie Venezuela hatten auf eine Kürzung gedrängt, um dem Preisverfall auf den Ölmärkten Einhalt zu gebieten. Die jetzige Entscheidung dürfte den Preiskampf auf dem weltweiten Markt dagegen wohl weiter anheizen.
USA im Visier
Das Opfer eines solchen Preiskampfs könnte dabei auch die US-Schieferölproduktion sein. Die Fracking-Industrie sorgt in den USA seit Jahren für beständig steigende Fördermengen. Seit 2008 stieg die US-Ölproduktion laut der Internationalen Energieagentur (IEA) um 70 Prozent. Im Oktober förderten die USA fast neun Millionen Barrel Öl am Tag - im Mai waren es laut IEA sogar elf Millionen. Saudi-Arabien holt zurzeit im Schnitt zehn Millionen Barrel Öl aus dem Boden.

Reuters/Lucy Nicholson
In den USA wird so viel Öl aus dem Boden geholt wie seit 25 Jahren nicht mehr
Doch die boomende Schieferölförderung steht zum Teil auf tönernen Beinen. Vor allem kleine Firmen nahmen beim Versuch, auf den Fracking-Zug aufzuspringen, hohe Schulden in Kauf - zu einer Zeit, als der Ölpreis deutlich über 100 Dollar pro Barrel lag. Die sinkenden Gewinne aus dem Ölgeschäft könnten jenen Förderunternehmen zum Verhängnis werden. Denn die Technik, bei der Öl und Gas mit Chemikalien aus tief liegenden Gesteinsschichten geholt wird, ist relativ teuer.

AP/Matthias Schrader
Badri sieht Fracking angezählt
Für einen wirtschaftlichen Betrieb ist Fracking deshalb auf höhere Ölpreise als die aktuellen angewiesen. Davon geht zumindest die OPEC aus. Bei den aktuellen Preisen werde die Hälfte des amerikanischen Schieferöls vom Markt verschwinden, sagte OPEC-Generalsekretär Abdallah Salem el-Badri aus Libyen vergangene Woche. Zu einer geringeren Schieferölförderung würden die niedrigeren Ölpreise allerdings erst im kommenden Jahr führen. Denn die betreffenden Unternehmen hätten sich gegen einen Preisrückgang abgesichert, so Badri.
Amerikanische Analysten beruhigen
Laut dem „Wall Street Journal“ („WSJ“) rechnen US-Analysten allerdings damit, dass die kritische Preisgrenze für die US-Fracking-Industrie deutlich niedriger liegt. Die in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbesserte Technik erlaube mittlerweile eine weitaus effizientere Förderung. Solange die Preise nicht unter etwa 70 Dollar fallen, werde die US-Ölproduktion deshalb weiter zunehmen, so die Experten.
Allerdings gestehen auch sie ein, dass kleinere und hoch verschuldete Firmen im aktuellen stresstestartigen Umfeld durchfallen könnten. Ebenso könnten Öldienstleister zu den ersten Verlierern gehören. Wenn Ölunternehmen die Kosten senken wollen, spüren das auch Firmen im Umfeld der Förderer wie Halliburton.
Angriff auf Iran und Russland
Die Preispolitik Riads wird mitunter aber auch in eine ganz andere Richtungen interpretiert: als Versuch, im Atomstreit mit dem Iran Druck auf die Islamische Republik zu machen. Dazu hieß es in einer Analyse der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), Riad wolle auch Russland wegen seiner Unterstützung des iranischen Nuklearprogramms „bestrafen“.
Russland bezieht rund 40 Prozent seiner staatlichen Einnahmen aus dem Ölexport. Im Haushaltsplan für 2014 rechnet die Regierung in Moskau mit einem durchschnittlichen Preis von 104 Dollar je Barrel (159 Liter). In Moskau ist daher längst von einem Komplott die Rede. Auch der Iran hat den beiden Feinden USA und Saudi-Arabien konspirative Absprachen vorgeworfen, die sich gegen die Wirtschaft des Landes richteten.
Der Chef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin, sagte, dass Russland seine Förderraten derzeit nicht senken könne. Mittel- bis langfristig sei das aber möglich. Russland leide nicht stark unter dem Rückgang des Ölpreises. Dieser könnte aber eine Verschiebung von kapitalintensiven Projekten nach sich ziehen, ergänzte Setschin. Rosneft brachte bereits eine staatliche Ölreserve ins Gespräch. Nach den Plänen des Ölkonzerns sollen für Zeiten des Überangebots Möglichkeiten zur Lagerhaltung geschaffen werden.
Risiko für Saudi-Arabien
Nicht zuletzt fällt ein niedriger Ölpreis auf lange Sicht auch auf Saudi-Arabien zurück. Das Land erzielt fast seine gesamten Exporterlöse aus dem Geschäft mit Rohöl. Geringere Erlöse wirken sich damit nachhaltig auf die Finanzen des Königreichs aus. Laut dem „WSJ“ gehen hochrangige saudische Beamte davon aus, dass nur mit einem Ölpreis über 90 Dollar ein ausgeglichenes Budget zu erzielen ist. Das ist im Übrigen die gleiche Summe, die OPEC-Generalsekretär Badri für die Wirtschaftlichkeit von Schieferöl ansetzt. Auf einen Sieger im Ölpreiskampf zu setzen könnte damit zu einer riskanten Wette werden.
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