Lukratives Geschäft im Netz
Was viele vor allem zu Weihnachten oder zum Geburtstag machen, haben andere zum Beruf gemacht - und können zum Teil mehr als gut davon leben: Unboxing, das mit Videos und Fotos dokumentierte Auspacken von Konsumgütern. Immer mehr Menschen können sich dafür begeistern.
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Zu Beginn vor allem für Technik und Gadgets beliebt, gibt es mittlerweile im Netz ein breites Spektrum an Unboxing-Videos zu zahllosen Konsumgütern, von der Hermes-Tasche über Notebooks, Wasserpfeifen, Handys, Spielekonsolen, Stöckelschuhe bis zu Überraschungseiern, Kosmetikboxen und Kinderspielzeug. Darunter sind Luxusartikel für einige tausend Euro, aber auch kostengünstige Kugelschreiber - kurz alles, was sich kaufen und auspacken lässt.
Das Unboxing wird zelebriert: Nicht nur der Inhalt bekommt die volle Aufmerksamkeit der Auspacker und der Videokamera, sondern auch die Verpackung und der Akt des Auspackens an sich. Vom Außenkarton über das Verpackungsmaterial und etwaigen Füllstoffen bis hin zu Aufdrucken auf Karton und Umverpackungen wird wirklich alles, was der Unboxer vorfindet, genauestens und von allen möglichen Seiten dokumentiert und das Gefundene entsprechend kommentiert. Der Konsumartikel selbst wird kurz in Augenschein genommen und auf die erste Funktionalität überprüft, wichtig ist jedoch das Gesamterscheinungsbild.
Millionen Videos über Unboxing
Die ersten Videos wurden 2006 ins Netz gestellt, bereits 2004 gab es die ersten Fotodokumentationen von ausgepackten Spielekonsolen - seitdem wurden es nicht nur immer mehr Videos, sondern auch immer mehr Nutzer. Allein die Videoplattform YouTube erwartet heuer ein weiteres Wachstum von knapp 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
YouTube-Betreiber Google geht davon aus, dass alle Unboxing-Videos zusammen bereits eine Milliarde Mal angeklickt wurden, im Vergleich zum Vorjahr wurden auch 50 Prozent mehr Videos bei dem Portal hochgeladen. Im Dezember verzeichnete YouTube über 22 Mio. Videos mit dem Keyword Unboxing. Viele Firmen haben mittlerweile darauf reagiert und ihre Verpackungen entsprechend unboxingfreundlich gestaltet.
Werbeeinnahmen im Millionenbereich
Haul-Videos für Mode
Vom Unboxing zu unterscheiden sind Haul-Videos: Dabei werden neu erworbene Modeartikel wie Kleidung oder Kosmetik vor laufender Kamera genauer hergezeigt und präsentiert. Auch in diesem Bereich gibt es bereits einige, die davon leben können. Viele Blogger bekommen zudem die Produkte von den Firmen kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Unboxing ist nicht nur ein Internetphänomen, es lässt sich damit offenbar auch viel Geld verdienen. Die Betreiberin des YouTube-Kanals DC Toys Collector soll laut Schätzungen alleine mit Werbung eine siebenstellige Summe verdienen - mit dem Auspacken von Kinderknetmasse, Überraschungseiern verschiedener Hersteller und Spielzeugautos. Die Protagonistin der einfach gehaltenen Videos, in denen neben dem Spielzeug nur bunt manikürte Hände und eine weibliche Stimme preisgegeben werden, bleibt dabei hartnäckig im Hintergrund. Laut „New York Times“ („NYT“) soll sie eine 21-jährige Brasilianerin sein, die in den USA lebt und von Videos über das Auspacken von Kinderspielzeug lebt.
Das Konzept geht auf: DC Toys Collector gehört laut Tubefilter zu den meistgesehenen YouTube-Kanälen - die Filme werden weltweit von zig Millionen Menschen angeklickt. Im Oktober 2014 erzielte die Betreiberin mit ihren Videos 399,9 Millionen Views, ein Anstieg von 28 Prozent gegenüber dem Vormonat. Sie verdrängte damit sogar den YouTube-Gamer PewDiePie vom zuletzt angestammten ersten Platz. Das Topvideo auf YouTube alleine wurde bis Anfang Dezember rund 130 Mio. Mal angeklickt.
Kinder als schnell wachsende Zielgruppe
Laut „Guardian“ und „NYT“ sehen vor allem kleine Kindern oft stundenlang und immer wieder die mitunter auch nur mit Musik statt Sprache unterlegten Videos über das Auspacken von Spielzeug - eine Faszination, die ihre Eltern laut Buzzfeed, „NYT“ und „Guardian“ mit Ungläubigkeit bis Enerviertheit ob der endlosen Wiederholungen betrachten. Ein Manager von Endemol Beyond, eine Tochterfirma des Produzenten von „Big Brother“, nannte die Videos gegenüber Buzzfeed gar „Kleinkind-Crack“.
Doch auch Erwachsene und ältere Kinder scheinen diese und andere Auspackvideos gerne zu sehen: Viele Nutzer teilen noch Monate nach der ersten Veröffentlichung unter den Videos ihre Begeisterung über den gesehenen Inhalt mit. Es gibt allerdings auch zahlreiche Parodien über Unboxing, und in den Kommentaren gibt es mitunter harte Auseinandersetzungen zwischen Fans verschiedener Unboxer.
Zwischen Glück und Konsum
Was genau die Faszination der Unboxing-Videos ausmacht, ist noch nicht final geklärt. Die Wissenschaft etwa geht derzeit von einem Glücksgefühl wie beim Auspacken echter Geschenke aus bis hin zur rein digitalen Befriedigung von Konsumwünschen. Dabei ist die Zahl der Frauen bei den - eigentlich von Technik dominierten - Unboxing-Videos vergleichsweise hoch: In einer Studie zum Thema waren von den 300 Befragten, die sich schon einmal Unboxing-Videos angesehen oder selbst produziert haben, rund 29 Prozent Frauen und 71 Prozent Männer.
Bei den Haul-Videos über Kosmetik und Mode waren die Frauen mit 97,5 Prozent eindeutig in der Überzahl. Allerdings könnte die „Dunkelziffer“, nicht zuletzt angesichts der realen Nutzungszahlen, auch deutlich höher sein, meint Michael Glüer von der Universität Bielfeld, der die Studie mit Kollegen durchgeführt hat. Viele Personen würden nicht immer gerne zugeben, solche Videos auch tatsächlich zu sehen. Offen sei zudem, ob die Nutzer das Gesehen dann auch kaufen oder ob es nur um Motivbefriedigung gehe. Klar sei aber, „das Schönste an Geschenken ist ja das Auspacken“, so Glüer, der die Studie 2015 veröffentlichen will.
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