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„Nicht so weinerlich sein“

Lange ist sich die deutsche Koalition in Sachen Frauenquote bei Unternehmen in den Haaren gelegen. Am Dienstagabend kam man überein, trotzdem war die Stimmung schlecht. Den Grund lieferte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder. Dieser empfahl Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD), „nicht so weinerlich“ zu sein. Die Empörung darüber war auch am Mittwoch noch nicht verflogen.

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Die Verärgerung ausgelöst hatte Kauder nur wenige Stunden vor dem Koalitionsbeschluss über die Frauenquote in Unternehmen. Im ZDF-„Morgenmagazin“ forderte er Schwesig auf, sich bei der gesetzlichen Frauenquote an den Koalitionsvertrag zu halten. „Wir müssen jetzt vor allem für die Wirtschaft da sein. Die Frau Familienministerin soll nicht so weinerlich sein, sondern sie soll den Koalitionsvertrag umsetzen, dann ist alles in Ordnung“, forderte er.

„Unsäglicher Macho-Spruch“

Damit begann der Sturm der Entrüstung - insbesondere die SPD, die mit der Unionsfraktion über Monate über die Quote gestritten hatte, zeigte sich verärgert. SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstellte Kauder prompt ein Problem mit Frauen: „Wenn Männer das als nervig empfinden, zeigt das eher, dass Männer ein Problem haben.“ Und schließlich sei es Schwesigs Aufgabe, „zu nerven, wenn die Dinge so im Argen liegen“.

Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD)

APA/EPA/dpa/Maurizio Gambarini

Frauenministerin Schwesig: „Wichtiger Schritt für die Gleichberechtigung“

Und SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kritisierte den 65 Jahre alten Kauder in der „Nordwest-Zeitung“ mit den Worten: „Ich finde, das war ein unsäglicher Macho-Spruch.“ Das zeuge von Überheblichkeit und „schlechter Kinderstube“. Mit seiner Äußerung dürfte Kauder schließlich auch das Gesprächsklima in der Spitzenrunde bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) belastet haben, wie kolportiert wurde.

Grüne winken mit Taschentüchern

Linken-Chefin Katja Kipping sprach via Twitter von rüpelhaftem Verhalten und verlangte eine Entschuldigung. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte, die Heulsuse der großen Koalition sei in Wahrheit Kauder. Ganz dieser Reaktion entsprechend zeigte die Grünen-Fraktion im deutschen Bundestag ihre Empörung. Während einer Rede des Christdemokraten packten mehrere Fraktionsmitglieder Taschentücher aus und winkten damit dem Unionsfraktionschef zu.

Ein „Heulsusen-Konzert“ führe Kauder auf, befand Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen: „Wegen so ein bisschen Quote, Herr Kauder, müssen sie doch wirklich nicht so rumweinen. Also in der Jugendsprache würde man sagen: Heul doch!“

Der grüne „Heulsusen-Protest“ wollte den Redner aber nicht rühren - er verlor kein Wort über seine umstrittene Aussage, sondern nutzte die Gelegenheit zur Kritik am rot-rot-grünen Bündnis in Thüringen: „Ja, Sie haben allen Grund, Sie von den Grünen, (...) die Taschentücher bei sich zu behalten. Das ist zum Weinen, was Sie nach 25 Jahren der friedlichen Revolution in Thüringen veranstalten.“

Gesetz wird noch heuer verabschiedet

Am Dienstagabend hatten sich Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD darauf verständigt, dass ab 2016 knapp ein Drittel der Aufsichtsratsposten in 108 börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt sein soll - und das ohne Ausnahmen. Das Gesetz soll am 11. Dezember vom Kabinett verabschiedet werden, hieß es in einer Erklärung.

Es bleibt demnach auch bei den von Frauenministerin Schwesig und ihrem Justizkollegen Heiko Maas (SPD) vorgesehenen Sanktionen gegen Unternehmen, die die Quote unterschreiten. Sollten die Firmen die Posten nicht ausreichend mit Frauen besetzen, bleiben die Stühle künftig leer. Besonders Vertreter der Industrie und der CSU hatten die Quote als „kontraproduktiv“ bezeichnet. Die Frauenquote gilt nach der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung auch für Unternehmen im öffentlichen Bereich.

„Wird Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten“

Frauenministerin Schwesig erhofft sich von der gesetzlichen Frauenquote eine gesellschaftliche Veränderung. „Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt für die Gleichberechtigung, weil es auch einen Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten wird“, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch im Deutschlandfunk. „Es ist gut, dass jetzt die Große Koalition hier auch diese Kraft zeigt.“ Die Sanktionsdrohung („Stühle bleiben leer“) sei nötig, weil Unternehmen Geldstrafen „aus der Portokasse“ zahlen könnten. „Ich bin mir sicher, dass am Ende kein Stuhl leer bleibt, weil es genug Frauen gibt, die qualifiziert sind, genau diese wichtigen Jobs zu machen“.

Heinisch-Hosek fordert ähnliche Schritte

Angesichts der Einigung in Deutschland forderte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) am Mittwoch auch für Österreich ähnliche Schritte. Bisher gilt lediglich für Unternehmen, an denen der österreichische Staat mit mindestens 50 Prozent beteiligt ist, eine Frauenquote.

Während in eben diesen staatsnahen Betrieben der Frauenanteil bereits bei 36 Prozent liege - gesetzliches Ziel sind 35 Prozent bis 2018 - hinke die Privatwirtschaft „deutlich nach“, monierte Heinisch-Hosek. In den Aufsichtsräten der österreichischen börsennotierten Unternehmen liege der Anteil weiblich besetzten Mandate bei lediglich zwölf Prozent. „Das muss sich ändern. Auch hier braucht es eine Quote“, so die Frauenministerin.

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