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Außerirdisches Geschäftsmodell

Zwölf Jahre nach seiner Veröffentlichung kann das Onlinespiel „World of Warcraft“ („WoW“) immer noch Millionen Spieler begeistern. Diese sind trotz der Konkurrenz durch kostenlose Facebook- und Handyspiele bereit, einen monatlichen Beitrag zu bezahlen, um mit Elfen, Zwergen und anderen Fantasy-Wesen um die Vorherrschaft in der virtuellen Welt zu kämpfen. Vor allem das soziale Gefüge im Hintergrund sorgt für den anhaltenden Erfolg.

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Insgesamt über 100 Millionen Spieler sollen nach Angaben des Herstellers Blizzard im Laufe der Jahre „WoW“ gespielt haben, selbst erfolgreiche Filmproduktionen aus Hollywood verblassen neben dem jährlich erzielten Umsatz von rund einer Milliarde Dollar. „WoW“ gilt als erfolgreichstes Beispiel für Massively-Multiplayer-Onlinespiele, kurz MMOs. Diese vernetzen nicht nur zwei, vier oder acht Spieler, sondern Tausende gleichzeitig.

Figur aus World of Warcraft

Screenshot World of Warcraft

„WoW“ wird von fantasievollen Figuren bevölkert

Bei der Veröffentlichung von „WoW“ für den US-Markt im November 2004 (Europa folgte im Februar 2005), gab es zwar bereits einige erfolgreiche Onlinespiele, doch Entwickler Blizzard revolutionierte mit „WoW“ das Genre für den westlichen Markt. Im Gegensatz zu früheren Titeln musste man nicht mehr ähnlich viel Zeit wie in einen Zweitjob investieren, um im Spiel voranzukommen. Auch sich ständig wiederholende - und dadurch mühsame - Abläufe gehörten zum großen Teil der Vergangenheit an.

Breitgefächerte Spielerbasis

Bis heute kann „WoW“ bei vielen Spielern vor allem durch die vielfältige Gemeinschaft punkten, die ihnen als „zweites Zuhause“ dient. Sie treffen sich in einem Vergnügungspark, der praktisch alle Tolkien’schen Fantasy-Elemente vereint. Die Beziehungen gehen dabei oft über die Grenzen des virtuellen Raums hinaus, selbst einige Ehen sollen auf die Chat-Funktion des Rollenspiels zurückgehen.

WoW-Fans in Südkorea

picturedesk.com/EPA

Spieler weltweit verkleiden sich bei Treffen als Figuren aus „WoW“

„WoW“ räumt dabei auch mit oft bedienten Klischees über Spieler auf. Umfragen zufolge liegt der Frauenanteil bei rund 50 Prozent, es gibt zudem Spieler aus praktisch allen Altersgruppen: von Eltern, die gemeinsam mit ihren Kindern im Volksschulalter auf Entdeckungstour gehen, bis hin zu Pensionisten, gegen die ihre Enkel im Spiel keine Chance haben. Es gibt auch eigene Gruppen für schwule und lesbische Spieler, Eltern und Teenager - und das in den verschiedensten Sprachen. Die breitgefächerte Zielgruppe dürfte letztlich auch der Grund sein, dass „WoW“ längst fixer Bestandteil der Popkultur geworden ist.

Eigene Messe und Spielfilm

Dass die Spieler entgegen landläufiger Meinung nur ein Leben in abgedunkelten Räumen führen, stellen die Entwickler bei ihrer jährlich stattfindenden Messe BlizzCon unter Beweis. Über 20.000 Besucher finden sich regelmäßig im kalifornischen Anaheim ein, um sich über Neuerungen im Spiel zu informieren und mit Gleichgesinnten zu feiern, inklusive hochkarätigen Abschluss-Acts.

Hunderte WoW-Spieler bei der BlizzCon in Anaheim

Reuters/Mike Blake

Auch bei Treffen wie der Messe BlizzCon wird intensiv gespielt

Für 2016 ist zudem ein eigener „Warcraft“-Film geplant, unter der Regie von Duncan Jones („Moon“, „Source Code“). Neben der offiziellen Hollywood-Produktion gab es in der Vergangenheit aber bereits mehrere Fanfilme in Spielfilmlänge, die im Spiel selbst entstanden sind („Machinima“). Die aufwendigen Projekte werden kostenlos auf Videoportalen zur Verfügung gestellt und bilden einen fixen Bestandteil der Fankultur.

Mit den Spielern erwachsen geworden

Das Geschäftsmodell von „WoW“ basiert auf in regelmäßigen Abständen erscheinenden Erweiterungen, die zusätzlich zu den monatlichen Gebühren erworben werden müssen. Dabei gibt es allerdings nicht nur neue Geschichten, Gebiete und Spielfiguren, es werden mitunter auch tiefgreifende Änderungen im Spiel vorgenommen - auch als Reaktion auf die sich ständig verändernde Spielerbasis. Diese soll mit immer neuen Spielinhalten dauerhaft gebunden werden.

Figur aus World of Warcraft

Screenshot World of Warcraft

In den letzten Jahren ist mit den zumindest auf den ersten Blick kostenlosen Facebook-Games und Handyspielen großen Spielen wie „WoW“ allerdings harte Konkurrenz erwachsen. In den vergangenen Jahren verzeichnete auch „WoW“, das monatlich derzeit rund 13 Euro kostet, einen Rückgang bei den Spielern, wobei die Position an der Spitze des Genres unverändert blieb. Viele Spieler der ersten Stunde haben mittlerweile allerdings nicht mehr so viel Zeit für ihr Spiel, sie sind in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls älter geworden und haben Familie.

Das letzte MMO

Die regelmäßigen Updates sind wohl auch der Grund, warum sich „WoW“ nach dieser gerade im digitalen Bereich sehr langen Zeit, immer noch an der Spitze hält: Gegen die eingeschworene Spielerbasis und die regelmäßigen Verjüngungskuren in Form von Updates haben selbst Spiele mit klingenden Namen wie „Star Wars“ oder „Herr der Ringe“ bisher kein Rezept gefunden. Auch das im MOMA in New York ausgestellte „EVE Online“ führt ein Nischendasein, weit abgeschlagen hinter dem Branchenriesen.

Eine Fortsetzung, die aufgrund des technischen Fortschritts auch bei noch laufenden Onlinespielen nicht ungewöhnlich ist, scheint derzeit nicht in Sicht. Das lange als Nachfolger vermutete Projekt „Titan“ wurde dieses Jahr jedenfalls endgültig gestrichen, stattdessen setzt Entwickler Blizzard jetzt auf „Overwatch“ - einen Ego-Shooter. „World of Warcraft“ könnte damit nicht nur das erste MMO dieser Größe gewesen sein, sondern auch das einzige bleiben.

Florian Bock, ORF.at

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