Poroschenko warnt vor Krieg mit Russland
Beim G-20-Gipfel im australischen Brisbane hat man am Wochende vergeblich auf Entspannung in der Ukraine-Krise gewartet. Ungeachtet vieler Krisengespräche zeigten sich die Fronten im Anschluss verhärtet. Russland ortet weiterhin viele Differenzen, die USA warnen vor einer zunehmenden Isolierung Moskaus, und in der Ukraine wird selbst ein Krieg gegen Russland nicht ausgeschlossen.
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Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete ein mehrere Stunden dauerndes Gespräch mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zwar als nützlich - in einem Sonntagabend übertragenen ARD-Interview warnte Putin aber auch vor ernsten Folgen, sollte Deutschland an Sanktionen gegen Russland festhalten. Ein Ende der Turbulenzen könnte es Putin zufolge jedenfalls nur geben, wenn der Westen anfange, auch Russlands Interessen zu achten.
Putin hatte den G-20-Gipfel vorzeitig vor Bekanntgabe der Abschlusserklärung verlassen. Mit der Ukraine-Krise habe das nichts zu tun, sagte Putin gegenüber der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Aber der Heimflug dauere 18 Stunden, und am Montag müsse er wieder arbeiten. „Man braucht mindestens vier oder fünf Stunden Schlaf.“
Obama droht mit neuen Sanktionen
US-Präsident Barack Obama warnte Russland unterdessen vor einer anhaltenden Isolation wegen des Ukraine-Konflikts. Wenn Putin weiterhin internationales Recht verletze und gegen Abkommen zur Lösung der Krise verstoße, bleibe Russland von der Weltgemeinschaft isoliert, so Obama zum Abschluss des G-20-Gipfels. Zugleich drohte er indirekt mit neuen Sanktionen.
Die USA beschäftigten sich demnach kontinuierlich mit Möglichkeiten, den Druck notfalls zu erhöhen. Bereits zum Auftakt des Treffens der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer am Samstag hatte auch die EU mit neuen Sanktionen gedroht.
Merkel warnt vor Flächenbrand
Überraschend deutlich warnte auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor einem großen Flächenbrand durch die Ukraine-Krise: „Die Ukraine-Krise ist wahrlich keineswegs allein eine regionale Angelegenheit. Nein, an diesem Beispiel sehen wir: Sie betrifft uns alle.“ Für Georgien, Moldawien und Serbien sah sie besondere Risiken.
Die Außenminister der 28 EU-Staaten wollen am Montag in Brüssel über eine angemessene Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Konflikt beraten. Nach Angaben von Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird es unter anderem darum gehen, ob gegen ostukrainische Separatisten Sanktionen wie Einreiseverbote und Kontensperrungen erlassen werden können. Eine Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland stehe aber noch nicht auf der Tagesordnung.
Moskau schickt erneut Hilfskonvoi
Mehr als angespannt bleibt auch das Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine. Putin warf seinem ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko einen neuen schweren Fehler vor. Dieser hatte am Samstag angeordnet, in den von blutigen Kämpfen erschütterten Gebieten Donezk und Lugansk die Finanzierung von Staatsbetrieben und Behörden zu stoppen.
Das sei praktisch eine „Wirtschaftsblockade“ der Region, sagte Putin. Für ihn sei es wichtig, die Interessen der russischsprachigen Bevölkerung im Südosten der Ukraine zu schützen, so Putin weiter. Für Aufregung sorgte Moskau unterdessen erneut mit der Entsendung eines 70 Fahrzeuge umfassenden Lkw-Konvois mit Hilfsgütern in die ostukrainischen Krisenregionen.
„Szenario für totalen Krieg“
„Wir wollen nichts mehr als Frieden, aber wir müssen uns leider derzeit auch mit den schlimmsten Szenarien befassen“, so Poroschenko, der laut „Bild“-Zeitung (Montag-Ausgabe) vor einem Krieg mit Russland warnte: „Ich habe keine Angst vor einem Krieg mit russischen Truppen, und wir haben uns auf das Szenario für einen totalen Krieg vorbereitet.“
Moskau warf Poroschenko der Zeitung zufolge vor, sämtliche Absprachen zur schrittweisen Überwindung des Konfliktes zu brechen. „Wir sind bereit für Kompromisse und glauben, dass der Konflikt nicht militärisch gelöst werden kann. Russland dagegen verspricht etwas und tut am nächsten Tag genau das Gegenteil.“ Kiew und der Westen werfen Moskau vor, die prorussischen Separatisten in der Ostukraine militärisch zu unterstützen. Der Kreml streitet eine Beteiligung an dem Konflikt zwischen der Führung in Kiew und prorussischen Separatisten ab.
Behördenrückzug angekündigt
Eine Anfang September in Minsk vereinbarte Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien ist immer wieder gebrochen worden. Der Konflikt hat sich nach der Abhaltung von „Wahlen“ durch die Rebellen in ihren Hochburgen Lugansk und Donezk vor zwei Wochen weiter verschärft. Poroschenko kündigte am Samstag die Einstellung sämtlicher staatlicher Leistungen in den von Rebellen kontrollierten Gebieten im Osten des Landes an. Die Regierung sei beauftragt worden, innerhalb einer Woche alle „Aktivitäten staatlicher Unternehmen, Institutionen und Organisationen“ in den Gebieten zu stoppen, in denen „Anti-Terror-Operationen laufen“.
Das Dekret soll sich auch auf Schulen, Krankenhäuser und Notfalldienste beziehen. Zudem solle die Nationalbank im Laufe eines Monats die Zusammenarbeit mit Geschäftsbanken im Gebiet der „Anti-Terror-Operation“ einstellen, hieß es. Die so eingesparten Gelder sollen den Angaben zufolge aber als „humanitäre Hilfe“ in die betroffenen Gebiete zurückfließen.
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