Gebührensenkung statt Negativsteuern
Der neue ÖVP-Obmann, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, ist am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ nicht von seinem Ultimatum für eine Steuerreform nächsten März abgerückt. „Wird dem Wähler immer wieder signalisiert, es kommt eine Reform, und sie kommt dann nicht, wird er enttäuscht sein“, sprach Mitterlehner der Koalition nach diesem Datum jede Glaubwürdigkeit ab, auch „wenn sie formal weiterbesteht“.
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Auf die Frage, ob bei einem Scheitern einer gemeinsame Reform eine Neuwahl drohe, wollte Mitterlehner nicht eingehen. „Ich will keine Neuwahldiskussion“, sagte der Minister. Angesprochen auf konkrete ÖVP-Vorschläge zur Steuersenkung, verwies Mitterlehner auf die geplante Expertenrunde und die noch nicht eröffneten Verhandlungen mit der SPÖ. Es habe keine Sinn, sich über Medien einzelne Themen auszurichten, so Mitterlehner mit einem Seitenhieb auf die SPÖ, die zuletzt mit ihren Forderungen bei den Landeshauptleuten für Wirbel gesorgt hatten.
Sechs Mrd. Euro nur bei „Wunder“
Beim Volumen der Steuerreform hält Mitterlehner fest, dass man sich auf fünf Milliarden Euro - „nicht sechs“ - geeinigt habe. Sechs Milliarden Euro könnten es nur sein, wenn die Konjunktur gut laufe: „Vielleicht haben wir ja ein Wunder.“ Nun gelte es, alle Vorschläge, etwa auch jene der Deregulierungskommission, zu prüfen. Mitte März nächsten Jahres soll die Steuerreform stehen.
Von einer Negativsteuer für Menschen, die aufgrund ihres geringen Einkommens gar keine Steuer zahlen, hält Mitterlehner gar nichts. Vielmehr müsse man hier im Bereich der Gebühren versuchen, eine Entlastung zu schaffen. Das könnte Bürgern 100 Euro mehr in der Geldbörse bringen, so der Minister. Als Beispiel brachte Mitterlehner die Erhöhungen der Stadt Wien, die zuletzt weit über der Inflationsrate lagen.
Pensionsautomatismus und Steuertricks
Das Streitthema Studiengebühren wollte Mitterlehner nicht ansprechen, zumal sich diese nicht im Regierungsabkommen fänden. Grundsätzlich sei es jedoch zu diskutieren, betonte der Minister, in dessen Ressort auch die Universitäten fallen. Reden wollte er hingegen über die Pensionsautomatik - also längeres Arbeiten bei einer steigenden Lebenserwartung - und die Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters an jenes der Männer.
Auf die Frage, wie man Steuertricks bei großen Konzernen künftig begegnen soll, antwortete der Wirtschaftsminister, er könnte sich einen Mindeststeuersatz anstelle von Bandbreiten vorstellen. Ein Satz von zum Beispiel 15 Prozent sei besser als eine Bandbreite von einem bis 30 Prozent, was „lächerlich“ sei, so Mitterlehner. Bei der Neuordnung sollten ohne Ausnahmen „alle mit gleichen transparenten Regeln arbeiten“, wünscht sich Mitterlehner.
Mit Wohnbauinitiativen gegen Konjunkturflaute
Zur Konjunktursituation in Österreich hofft Mitterlehner, „dass die Prognosezuwächse stärker sind als vorprognostiziert“. Das Problem der Konjunkturschwäche sei kein österreichisches, sondern bestehe in Europa und weltweit - wegen der geopolitischen Konflikte sei nämlich die Stimmung sehr negativ, so der Minister darauf angesprochen, dass Österreich eventuell in eine Rezession schlittern könnte. „Die EU hat positive Einschätzungen und viele andere auch“, hielt er dem entgegen.
Als Investitionsstütze für die Unternehmen hoffe er auch auf das Paket, das Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerade schnüre. Zudem ziehe man die Breitbandmilliarde vor, plane Investitionen durch die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), „und auch im Wohnbau gibt es eine eigene Gruppe, die aktiv ist“. Mitterlehner: „Ich bin schon optimistisch, dass wir in den nächsten Monaten eine bessere Entwicklung haben.“
Kritik von allen Seiten
Mitterlehners Auftritt in der „Pressestunde“ sorgte am Sonntag durchwegs für Kritik. So ortete die SPÖ bei der ablehnenden Haltung zur Negativsteuer etwa eine „kurzsichtige Klientelpolitik“. In der Wiener SPÖ wehrte man sich gegen „peinliche Ratschläge“ Mitterlehners und den Vorwurf, dass die Gebühren in der Bundeshauptstadt zu hoch seien. Das verärgerte auch die Grünen. „Das ist ein unseriöser Unfug, weil sich die Gebühren an den hoffentlich effizienten Dienstleistungen der Gebietskörperschaften zu orientieren haben“, sagte Grünen-Finanzsprecher Werner Kogler.
Die FPÖ hingegen begrüßte den Vorstoß Mitterlehners, dass die Länder die Gebührenschraube zurückdrehen sollen. Sie sieht in der Forderung nach Einführung einer Pensionsautomatik jedoch eine „gefährliche Drohung“. Überhaupt Antworten von Mitterlehner vermisste das Team Stronach. Auch Klubobfrau Kathrin Nachbaur kritisierte die Pensionsautomatik, um mittels höheren Pensionsantrittsalters bei den Ausgaben zu sparen.
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