Themenüberblick

Nachbarländer überfordert

Syrische Zivilisten sind einem Bericht zweier Flüchtlingsorganisationen zufolge zunehmend in dem Bürgerkriegsland gefangen, weil das Ausland die große Zahl an Flüchtlingen nicht mehr bewältigen kann. Sämtliche Grenzübergänge seien derzeit praktisch nicht mehr passierbar.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) und das Internationale Flüchtlingskomitee (IRC) lobten in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht einerseits die „großzügige Gastfreundschaft“ der Nachbarländer Libanon, Jordanien, Irak und Türkei. Diese hätten aber zunehmend Probleme, die Masse an Hilfesuchenden zu bewältigen, und daher die Aufnahme von Flüchtlingen drastisch zurückfahren müssen, heißt es in dem Bericht mit dem Titel „No Escape“ (Kein Entkommen).

Flüchtlingslager

Reuters/Hosam Katan

Flüchtlingscamp im syrischen Asas nahe der Grenze zur Türkei

Internationale Unterstützung unzureichend

Die „offiziellen und informellen“ syrischen Grenzübergänge seien derzeit für Männer, Frauen und Kinder aus Syrien „praktisch geschlossen“, berichteten der NRC und das IRC weiter. Gründe dafür seien die gestiegenen humanitären Anforderungen in Syrien und den Nachbarländern, nationale Sicherheitsbedenken und auch die „unzureichende internationale Unterstützung“. Im Jahr 2013 verließen der UNO zufolge im Monat rund 150.000 Syrer ihr Land. Im Oktober 2014 seien es nur knapp 18.500 gewesen, beklagten die Organisationen.

Millionen Flüchtlinge aufgenommen

Mit 1,2 Millionen registrierten Flüchtlingen trägt der Libanon im Verhältnis zu seinen 3,6 Millionen Einwohnern die größte Last. Der Großteil der Syrer lebt nicht in Lagern, sondern integriert in den Gemeinden. Auch für Jordanien mit seinen 6,5 Millionen Einwohner bedeuten die 620.000 registrierten Flüchtlinge aus Syrien, die überwiegend im Norden in großen Lagern leben, eine Herausforderung. Hinzu kommen rund 600.000 weitere Syrer, die in den Gemeinden verteilt leben.

Wildes Flüchtlingslager im Libanon

ORF.at/Peter Prantner

Flüchtlingslager in der Bekaa-Ebene im Libanon

In der Türkei sind mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien angekommen. Überwiegend leben sie in Lagern entlang der Grenze im Süden. In der Türkei hält sich vermutlich ein recht hoher Anteil nicht registrierter Flüchtlinge auf. Rund 140.000 Syrer sind nach Ägypten sowie mehrere hunderttausend in die relative Sicherheit der Kurdengebiete im Norden des Irak geflohen.

Kritik an Briten und Franzosen

Vor allem die Länder, die keine Grenzen mit Syrien hätten, seien nun am Zug, hieß es in dem Bericht. Vor allem der Westen habe in der Vergangenheit Solidarität „sowohl mit der syrischen Bevölkerung als auch mit den Nachbarländern“ vermissen lassen. Die Organisationen beklagten unter anderem, dass Frankreich und Großbritannien nur zur Aufnahme von wenigen hundert syrischen Flüchtlingen bereit seien. Auch die USA müssten mehr tun.

Hilfsorganisationen hätten immer wieder davor gewarnt, dass die Kapazitäten der Nachbarländer schon am Ende seien und dass es eine bessere internationale Verteilung brauche, so NRC-Generalsekretär Jan Egeland: „Was wir jetzt sehen, ist das Resultat unseres Versagens, der Region die nötige Hilfe zukommen zu lassen. Wir beobachten nun den völligen Zusammenbruch der internationalen Solidarität mit Millionen syrischen Zivilisten.“

Appelle von Miliband

Auch IRC-Präsident David Miliband, ehemaliger britischer Außenminister und Bruder von Labour-Parteichef Ed, rief die westlichen Länder auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Länder sollten sich dazu bekennen, statt 50.000 doch 130.000 Menschen zu beherbergen. Für Großbritannien würde das nur 1.000 zusätzliche Flüchtlinge bedeuten - angesichts der Situation in den Nachbarländern Syriens eigentlich eine lächerlich geringe Zahl. Der Konflikt hatte im Frühjahr 2011 begonnen. Rasch weitete er sich zu einem Bürgerkrieg zwischen Aufständischen und den Regierungstruppen aus. Mittlerweile kämpfen auch mehrere dschihadistische Gruppierungen gegeneinander.

Links: