Ein Spielzeug ist ein Film ist ein Spielzeug
Die Rechnung ist einfach: Bei einem Blockbuster mit erwachsenem Zielpublikum verkauft Hollywood eine oder zwei Kinokarten pro Haushalt, bei kindgerechten Filmen aber mindestens zwei. Schließlich findet der Nachwuchs noch nicht alleine nach Hause. Als Zwischenstopp bürgert sich dabei das Spielzeuggeschäft ein, nach der Devise: Wenn man den Film daheim nicht nachspielen kann, existiert er nicht.
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Dafür, dass Kino und Spielwarenhandel verschmelzen, gab es spätestens im letzten Herst einen schlagkräftigen Beleg. Entgegen der üblichen Praxis, dass sich Spielzeugfirmen bei Filmstudios um Lizenzrechte anstellen, ging einer der großen Spielwarenhersteller den umgekehrten Weg: Hasbro („G.I.Joe“, „Transformers“, „Monopoly“) nahm den Kauf des von Steven Spielberg gegründeten Filmstudios DreamWorks in Angriff. Die Absicht war klar: Der Animationsfilmspezialist sollte Hasbro-Produkte auf der großen Leinwand ins richtige Licht rücken.
Am Anfang war das Spielzeug
DreamWorks war nach einigen mäßig erfolgreichen Filmen („Turbo“, „Die Abenteuer von Mr. Peabody & Sherman“) ein relativ leichtes Opfer für Hasbro. „Financial Times“ und „Wall Street Journal“ berichteten, dass Hasbro die DreamWorks-Aktionäre mit der Überzahlung des derzeitigen Aktienwertes um ein Drittel lockte. Gemessen am damaligen Kurs war die renommierte Firma aber immer noch 1,9 Milliarden Dollar (1,5 Mrd. Euro) wert. Hasbros Kriegskasse ist aber gut gefüllt - dank vieler erfolgreicher Merchandising-Produkte.
Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Hasbro den Schritt macht. Die Firma war eine der ersten, die das Werbepotenzial von kindgerechtem Bewegtbild entdeckten und Werbung als Unterhaltung tarnten: Das noch bis 1984 geltende Verbot von TV-Werbung im US-Kinderfernsehen münzte die Firma etwa in einen Wettbewerbsvorteil für sich selbst um und gab Comics und Serien selbst in Auftrag, die ausschließlich der Präsentation ihrer Produkte dienten - eben „G.I.Joe“, „Transformers“ und auch „My Little Pony“.
Zusammen können wir die Galaxie beherrschen
Dass Kinofilme auch als rund zweistündige Dauerwerbung - für die auch noch die Kunden selbst zahlen - verstanden werden können, hat Hasbro ebenfalls schon früh verstanden. Als „Star Wars“-Mastermind George Lucas Mitte der 1970er Jahre in Hollywood abschätziges Kopfschütteln erntete, weil er auf seine Honorare wenig Wert legte, aber unbedingt alle Merchandising-Rechte an der Filmserie behalten wollte, fand er in Hasbro den Partner für die Übernahme der Kinderzimmer dank der profitablen Seite der Macht.
Der „Star Wars“-Deal änderte die Branche von Grund auf. Und er hatte wiederum direkt mit dem Interesse von Hasbro an DreamWorks zu tun: Lucas hat „Star Wars“ inzwischen im Paket an den Disney-Konzern verkauft, der ohnehin schon davor voll auf die Spielzeug-Kino-Dualität gesetzt hat - mit den hauseigenen Prinzessinnen, den Pixar-Figuren von „Nemo“ bis „Toy Story“ und zuletzt vor allem mit den zugekauften Superhelden aus dem Marvel-Verlag. Und auch Lego („Lego Star Wars“) muss sich nach Neuem umsehen.
Analog nachgespielte Videospiele als letzter Schrei
Der Lego-Konzern, vor ein paar Jahren noch am Rande des Abgrunds, hat sich mit seinen Merchandising-Linien saniert. Das kreative Spiel mit den frei verbaubaren Plastikblöcken fällt bei dem Spielwarenhersteller kaum noch ins Gewicht, angesichts der Umsätze mit Superhelden (sowohl von Marvel als auch vom konkurrierenden Verlag DC Comics), und weiteren Filmspielsets („Herr der Ringe“, „Harry Potter“, in Lizenz von Disney „Prinzessinen“ sowie „Lone Ranger“ und andere mehr).
Dass Lego schließlich seinen eigenen Film „Lego - The Movie“ machte, war da nur logisch. Dessen Erfolg beflügelte die Firma noch mehr. Jüngst dehnte sich das Lego-Merchandising auf das analoge Nachbauen von Videospielen („Minecraft“) und bald auch auf TV-Serien („The Big Bang Theory“) aus. Die Öffentlichkeit hat offenbar noch lange nicht genug: Laut der auf Kundenvotings beruhenden Site Lego Ideas will die Öffentlichkeit auch „Jurassic Park“, „Ghostbusters“, „Zurück in die Zukunft“, „Dr. Who“ und mehr nachspielen.
Auch der letzte Fels in der Brandung fällt
Gerade die jüngsten Lego-Neuzugänge mit ihrem Schwerpunkt auf den 80er Jahren legen nahe, dass zumindest manche Eltern den Spielzeugwünschen ihrer Sprösslinge wegen eigener Verspieltheit nachgeben - wie etwa auch der von (physiologisch) erwachsenen Menschen dominierte Sammlermarkt beweist. Bisher hätte man den deutschen Playmobil-Hersteller Geobra-Brandstätter als Fels in der Brandung der verfilmten Spielzeuge sehen können, doch seit Herbst war auch das zumindest vorbei: Wie das Branchenblatt „Variety“ berichtete, soll 2017 der erste Playmobil-Film in die Kinos kommen.
Dabei sagte Playmobil-Erfinder Horst Brandstätter noch letztes Jahr in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu seinem 80. Geburtstag, dass er Filmspielzeug ablehne: Das sei für Kinder immer nur vorübergehend interessant. Er wolle hingegen, dass sein Spielzeug die Fantasie anrege und „vererbt“ werde. Und schließlich, so der bekannt bodenständige Firmenpatriarch, bekomme man bei Lizenzspielzeug keine ordentliche Ware für den Kaufpreis, weil man wegen der Lizenzen „ein Drittel mehr bezahlt, das ist eine Menge Geld“.
Lukas Zimmer, ORF.at
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