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Zweimal gelandet?

Einen Tag nach der spektakulären Landung mit einem Minilabor auf einem Kometen haben Forscher Donnerstagfrüh wieder Kontakt zu dem Landegerät „Philae“ bekommen. Außerdem scheint die Position von „Philae“ trotz der Probleme bei der Landung recht stabil zu sein. Das teilte die Europäische Weltraumorganisation (ESA) in Darmstadt in Deutschland mit. Die ESA macht sich nun auf die Fehlersuche.

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Zwei Harpunen zum Verankern von „Philae“ auf dem Kometen „Tschuri“ waren nicht ausgelöst worden, eine Düse zum Aufsetzen des Labors auf dem Kometen funktionierte nicht. Die Kontrolleure hatten am Mittwochabend vermutet, dass das Labor nach dem ersten Aufsetzen wieder abhob und dann erneut landete. Der Chef des ESA-Flugbetriebs im Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt, Paolo Ferri, ging am Donnerstag aber davon aus, dass „Philae“ trotzdem auf dem Kometen bleiben wird. Es sei derzeit noch „schwierig zu verstehen, was während und nach der Landung geschehen ist“, so Landemanager Stephan Ulamec.

Foto der Oberfläche des Kometen "67P/Tschurjumow-Gerassimenko"

APA/dpa/European Space Agency ESA

Die Oberfläche von „Tschuri“ aus zehn Kilometer Höhe

„Alles Spekulation“

„Vielleicht sind wir heute nicht einmal gelandet, sondern zweimal“, so Ulamec weiter. Das sei allerdings Spekulation. Genaueren Aufschluss über die Vorgänge bei der Landung könnten erst weitere Daten bringen, die am Donnerstag die Erde erreichen sollen. Dann dürfte sich auch klären, ob es tatsächlich ein Problem mit der Standfestigkeit von „Philae“ gibt.

In der Nacht hatte es eine Zwangspause gegeben, da sich der Komet und die Raumsonde „Rosetta“, die sich nahe dem Kometen befindet, bewegen. Die auf „Tschuri“ sitzende „Philae“ kann somit nicht immer Kontakt zur Sonde halten, von der aus Signale zur Erde geschickt werden. In den ersten Stunden nach der Landung hätten bereits wichtige Daten gesammelt werden können, sagte Ferri. Neben Fotos sei es etwa gelungen, das Tomographieprojekt „Consert“ zu starten. Dabei durchleuchten „Philae“ und „Rosetta“ den Kometen in Teamarbeit.

Lander wissenschaftlich wenig wichtig

Für „Philae“ ist aufgrund der Kapazität der Batterien ohnehin nur ein kurzer Einsatz vorgesehen. Die Hauptaufgabe soll in wenigen Tagen erledigt sein. Zudem bewegt sich „Tschuri“ Richtung Sonne, womit „Philae“ ohnehin der baldige Hitzetod droht. Laut Wolfgang Baumjohann, Direktor des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das an fünf Instrumenten von „Rosetta“ und „Philae“ beteiligt ist, könnten aber bereits die ersten von „Philae“ zur Erde gesendeten Fotos und Daten wichtige Erkenntnisse bringen. Dem Experten zufolge dürfe man auch nicht vergessen, dass die „Rosetta“-Sonde das eigentliche Hauptgerät der Mission sei: So spektakulär die Landung von „Philae“ auch sei, der Lander sei nur „das Sahnehäubchen“.

„Historischer Tag“

Für ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain steht fest, dass man es mit einem historischen Tag zu tun habe. „Wir sind die Ersten, denen das gelungen ist. Daran wird man sich erinnern.“ Das Ziel solcher Missionen sei, die Erde besser zu verstehen. „Wir hoffen auf Antworten zum Ursprung des Lebens auf der Erde“, meinte der Darmstädter ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb, Thomas Reiter. Nach einer mehr als zehnjährigen Reise durch das Sonnensystem erreichte die „Rosetta“-Sonde mit „Philae“ an Bord am 6. August den Kometen. Seither umkreiste sie auf einer Umlaufbahn den Himmelskörper.

ESA-Mitarbeiter freuen sich über die geglückte Mission

APA/AP/Michael Probst

Jubel im ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt

Knapp nach 17.00 Uhr war es soweit

Der Start des mit Spannung erwarteten Landungsprozesses begann Mittwochfrüh mit der erfolgreichen Abkopplung des Landegerätes von „Rosetta“. Während des Landevorgangs gegen 17.00 Uhr MEZ fuhr „Philae“ schließlich seine drei spinnenartigen Beine aus. Am Nachmittag wurde im Kontrollzentrum in Darmstadt ein erstes Foto präsentiert, das „Philae“ kurz nach der Abtrennung von „Rosetta“ gemacht hatte.

Visualisierung der Rosetta-Sonde

ESA/Rosetta/Philae/CIVA

Das erste von ESA veröffentlichte Bild nach der Abtrennung von „Rosetta“

Für Aufregung sorgten vor dem „Go“ aus dem ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt Probleme mit einer der Landungsdüsen. Laut ESA-Angaben stellte sich in der Nacht auf Mittwoch heraus, dass sich ein Antriebssystem nicht aktivieren ließ. „Diese Kaltgasdüse oben auf dem Lander scheint nicht zu funktionieren“, so Ulamec im ESA-Blog. Dennoch habe man beschlossen, „Philae“ wie geplant von „Rosetta“ aus auf die letzte Etappe zum Kometen zu schicken.

Vergleich mit Mondlandung 1969

Reiter bezeichnete die Aussichten auf einen Erfolg im Vorfeld auf etwa 50 Prozent. Gleichzeitig wurde die Mission von der ESA auch als Meilenstein bezeichnet. Manche Experten verglichen das Landemanöver mit der Mondlandung 1969. ESA-Generaldirektor Dordain sprach von einem „großen Schritt für die menschliche Zivilisation“.

Blick in die „Kinderstube des Sonnensystems“

Mit der Mission wollen Forscher Daten über die Entstehung des Sonnensystems erhalten. Der Komet, der mehr als eine halbe Milliarde Kilometer von der Erde entfernt ist, ähnelt in seiner Form einer Plastikente. Untersuchungen während der Mission haben bereits ergeben, dass der Brocken streng riecht - zum Beispiel wegen Schwefelwasserstoffs nach faulen Eiern. Mit einem Volumen von etwa 25 Kubikkilometern zählt er zu den eher kleineren Kometen.

Aufnahme der Sonde "Philae"

ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA

„Philae“ beim Landeanflug auf „Tschuri“

Geht alles nach Plan, soll die Mission einen Blick in „die Kinderstube des Sonnensystems“, das vor 4,6 Milliarden Jahren entstand, gewähren. Kometen sollen weitgehend unveränderte Materie aus dieser Zeit enthalten - sie gelten als Boten der Vergangenheit. Die Forscher erhoffen sich auch Hinweise auf die Entstehung des Lebens. „Rosetta“ und „Philae“ haben zusammen etwa 20 Instrumente an Bord, um „Tschuri“ unter die Lupe zu nehmen.

Wissenschaftler sind nun jedenfalls gespannt, welche Geheimnisse sie 67P/Tschurjumow-Gerassimenko entlocken können. Bodenbeschaffenheit, Temperatur und die Zusammensetzung des Kometenkerns - all das ist von größtem Interesse. Damit wollen die Forscher zur Lösung eines alten Rätsels beitragen: „Es ist eher die Frage ‚Wo kommen wir her?‘ statt ‚Wo gehen wir hin?‘“, sagte Ulamec.

Am 2. März 2004 gestartet

„Rosetta“ legte in den vergangenen zehn Jahren rund 6,5 Milliarden Kilometer im All zurück. Die Sonde war am 2. März 2004 mit einer Ariane-5-Rakete von der Weltraumstation Kourou in Französisch-Guayana gestartet. Die Mission soll bis Ende 2015 dauern. „Philae“ wird seine Arbeit aber früher einstellen.

Mit an Bord der spektakulären Mission ist auch Know-how aus Österreich: Die komplexe Außenhaut der Sonde stammt vom größten heimischen Raumfahrtunternehmen RUAG Space Austria - mehr dazu in science.ORF.at. Auch bei jener Ankerharpune, mit der sich „Philae“ am eisbedeckten Kometen festkrallen sollte, handelt es sich um Technologie aus Österreich - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Bisher war zwar noch keine Sonde auf einem Kometen gelandet, die „Rosetta“-Mission erinnert aber an ein Projekt Japans: 2005 hatte die Weltraumsonde „Hayabusa“ Bodenproben eines Asteroiden aufgenommen. Fünf Jahre später landete sie wieder auf der Erde.

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