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Provokation vor G-20-Gipfel

In einer neuen Machtdemonstration hat Russland vor dem G-20-Gipfel vier Kriegsschiffe seiner Pazifikflotte vor die Küste Australiens verlegt. Die Royal Australian Navy beobachte die Lage, teilte das Verteidigungsministerium in der Hauptstadt Canberra mit. Am Samstag beginnt das Treffen der 20 Industrie- und Schwellenländer in der Küstenstadt Brisbane.

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Der russische Präsident Wladimir Putin wird bei dem zweitägigen Gipfel erwartet. Die russischen Schiffe kreuzten außerhalb des australischen Hoheitsgebiets. In Australien ist man bemüht, die russische Präsenz herunterzuspielen. „Die Bewegung dieser Schiffe steht völlig im Einklang mit den Vorschriften der internationalen Gesetze, wonach sich Militärschiffe in internationalen Gewässern frei bewegen können“, teilte das australische Ministerium mit. Es sei nicht das erste Mal, dass Russland bei Gipfeltreffen mit seiner Marine präsent sei.

Presse: „Gruß aus Moskau an Brisbane“

Die Schiffe waren von Wladiwostok im äußersten Osten Russlands bereits im Oktober gestartet - darunter der Raketenkreuzer „Warjag“ und das große U-Boot-Abwehrschiff „Marschall Schaposchnikow“. Aufgabe der Marine sei es, Flagge zu zeigen, wie russische Medien berichteten.

Kommentatoren werteten die Anwesenheit der Kriegsschiffe als Moskaus „Gruß“ an den Gastgeber Brisbane. Der australische Regierungschef Tony Abbott hatte wegen Russlands Politik im Ukraine-Konflikt Putin vom G-20-Gipfel ausladen wollen. Die Zeitung „Courier Mail“ argwöhnte, dass der Russe (Putin, Anm.) verärgert sei über Abbott. „Stoppt die Boote!“, schrieb das Blatt auf seiner Titelseite.

MH17: Abbott will Entschuldigung von Putin

Abbott hatte von Putin beim Asien-Pazifik-Gipfel (APEC) am Dienstag eine Entschuldigung für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 im Juli im Kriegsgebiet Ostukraine gefordert. Abbott sprach sich mit Putin in Peking für eine sorgfältige und rasche Aufklärung des schweren Flugzeugunglücks aus. Abbott nahm sich in seiner angekündigten Konfrontation mit Putin laut Medienberichten kein Blatt vor den Mund.

Mit Blick auf den Abschuss eines iranischen Flugzeugs 1988 sagte die Sprecherin: „Der Premierminister sagte, die USA hätten sich, nachdem sie aus Versehen eine Passagiermaschine abgeschossen hatten, entschuldigt und angemessene Entschädigung gezahlt“, zitierte sie das Nachrichtenportal des Medienhauses News Corp. Australia. „Er empfahl Präsident Putin, diesem Beispiel zu folgen.“

Ermittlungen verlängert

Die internationalen Ermittlungen zum Absturz von MH17 werden um neun Monate bis August 2015 verlängert. Darauf hätten sich die Mitglieder des gemeinsamen Untersuchungsteams JIT geeinigt, teilte das australische Justizministerium am Donnerstag auf seiner Website mit. Der australische Justizminister Michael Keenan sagte, dass die schwierige Sicherheitslage an der von prorussischen Separatisten kontrollierten Absturzstelle die Arbeit behindere. Die Federführung der Ermittlungen haben die Niederlande. Das Land hatte die meisten Opfer zu beklagen.

Die Passagiermaschine MH17 war im Juli mit 298 Menschen an Bord über dem Konfliktgebiet vermutlich von einer Rakete getroffen worden. Unter den Toten befinden sich auch Dutzende Australier. Russland weist jede Beteiligung zurück und verlangt, die Ergebnisse der internationalen Untersuchung der Tragödie abzuwarten.

UNO und OSZE: Ende der Waffenruhe droht

Unterdessen hat sich die Lage in der Ukraine wieder verschärft. Die knapp zwei Monate alte Waffenruhe droht nach Einschätzung sowohl der UNO als auch der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammenzubrechen. Gleichzeitig verstärken sich Vorwürfe an die Adresse Moskaus, es beliefere die Separatisten in der Ostukraine mit schweren Waffen und schicke Soldaten zur Unterstützung.

Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, sprach am Mittwoch (Ortszeit) von „fortgesetzten, andauernden und eklatanten Verletzungen des Protokolls von Minsk durch Russland und seine Stellvertreter“. Möglicherweise würden weitere russische Politiker auf die Sanktionsliste gesetzt, fügte sie am Mittwoch in Washington hinzu.

Massive Truppenbewegungen

Psaki bezog sich mit ihrer Kritik auf NATO-Berichte über massive Truppenbewegungen Russlands. Kolonnen mit russischen Panzern, Artillerie, Luftabwehrsystemen und Kampftruppen bewegten sich in der ostukrainischen Unruheregion, sagte der NATO-Oberbefehlshaber und US-General Philip Breedlove in Sofia. Moskau schüre den Konflikt weiter.

Russland wies die Vorwürfe scharf zurück. Die Anschuldigungen seien „nichts als heiße Luft“, sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. „Das alles basiert nicht auf Fakten.“ Die Separatisten widersprachen ebenfalls Berichten über militärische Unterstützung aus Russland. Bei den Konvois, die unter anderem von OSZE-Beobachtern gesehen wurden, handle es sich um Kolonnen der Aufständischen und nicht um russische Truppen, sagte Separatistenführer Boris Litwinow in Donezk.

Vorwürfe und Gegenvorwürfe

„Der einzige Grund, warum noch kein offener Krieg begonnen hat, ist die Zurückhaltung der Ukraine“, sagte der UNO-Botschafter Kiews, Juri Sergejew, bei einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats in New York. Sergejew warf Russland vor, mit Truppenbewegungen und Waffenlieferungen an die moskautreuen Separatisten eine friedliche Lösung des Konflikts zu torpedieren. Der russische UNO-Diplomat Alexander Pankin kritisierte die Vorwürfe aus Kiew als „propagandistische Fälschung“. Russische Truppen und Technik befänden sich auf russischem Gebiet. Er warf der Ukraine vor, selbst verstärkt Militär in die Ostukraine zu verlegen.

Kiew: Immer mehr Angriffe

Aus dem Krisengebiet Donbass berichtete die Pressestelle der ukrainischen „Anti-Terror-Operation“ von mehr als 40 Angriffen auf ihre Einheiten durch die Aufständischen innerhalb von 24 Stunden. Vier Soldaten seien getötet und 18 verletzt worden, teilte das Militär mit. Die Separatisten sprachen von Artillerieangriffen der Regierungstruppen unter anderem in der Großstadt Donezk. Die OSZE berichtete am Mittwochabend, innerhalb der vergangenen Woche seien 665 Menschen in Militärkleidung in beiden Richtungen über die russisch-ukrainische Grenze gegangen. Das sei die bisher höchste beobachtete Zahl seit Beginn des OSZE-Beobachtermandats, hieß es. Waffen hätten die Beobachter nicht gesehen.

Warnung vor „Katastrophe“

„Wir sind tief besorgt, dass die schweren Kämpfe der Vergangenheit jederzeit wieder ausbrechen könnten. Das wäre eine Katastrophe für die Ukraine“, sagte UNO-Vize-Untergeneralsekretär Jens Anders Toyberg-Frandzen am Mittwoch vor dem UNO-Sicherheitsrat in New York. „Jeden Tag sterben Menschen, manchmal sogar Schulkinder. Die Situation könnte kaum instabiler sein.“

„Keine Seite ist ohne Schuld. Wir sehen die Verantwortung aber vor allem bei den Separatisten in der Ostukraine“, sagte der Däne. Die „Wahlen“ der Rebellen in der Ostukraine und Berichte über die Lieferung schwerer Waffen aus Russland seien das größte Problem bei der Lösung des Konflikts. Die landesweite Wahl, der sich viele in der Ostukraine verweigert hätten, habe Grund zur Hoffnung gegeben. „Doch der Geist der Erneuerung durch die Wahl und eine reformwillige Führung ist überschattet durch die Kompromisslosigkeit der Führer in der Ostukraine.“

OSZE: Gebietsgewinne für Separatisten

Die Waffenruhe gebe es „mehr und mehr nur noch auf dem Papier“, sagte OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier am Mittwoch in Brüssel. Die Separatisten haben nach Einschätzung der OSZE zuletzt deutliche Geländegewinne erzielt. „Wenn man sich anschaut, wo die Positionen beider Seiten im September waren, und wenn man das mit dem vergleicht, wo sie jetzt sind, dann sieht man, dass sich die Linie in Richtung Westen verschoben hat“, sagte er. In einigen Gebieten habe sich die Linie um Dutzende Kilometer verschoben.

Die prowestliche Zentralregierung in Kiew teilte mit, sie bereite sich auf eine neue Offensive der moskautreuen Separatisten vor. Dazu hätten die Aufständischen in den vergangenen Tagen Verstärkung aus Russland erhalten, so Verteidigungsminister Stepan Poltorak. Von der OSZE hieß es, dass sich die humanitäre Situation jeden Tag verschlechterte. Nicht nur, dass die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen jeden Tag steige, ihr Schicksal werde auch durch den einbrechenden Winter immer bitterer.

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