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Die fremde Welt von Glanz und Gloria

Ein Prozent der Österreicher hält 40 Prozent des Privatvermögens. Die Gazetten und TV-Society-Magazine zeigen eine glitzernde Parallelwelt, in der sich alles um Schmuck, Mode und Charity dreht. Mehrere Bücher und eine Ausstellung versuchen, einen neuen Zugang zu den Superreichen zu finden.

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Die Selbstinszenierung der „High Society“ versucht die Hamburger Schau „Fette Beute“ mit Fotografien zu hinterfragen, historisch und bis heute. Kuratorin Esther Ruelfs gegenüber dem ORF-Fernsehen: „In der kritischen Fotografie hat man sich sehr auf die Armut konzentriert. Man kann genauso viel über die Gesellschaft sagen, wenn man auf den Reichtum schaut.“ Manche der Fotos zeigen die Flecken auf den Kleidern nach der Völlerei, gelangweilte Gesichtsausdrücke - das hässliche Antlitz der Reichen, wenn man so will.

Rolf Sachs beim Cricket-Spielen in St. Moritz

picturedesk.com/Fotoswiss/Action Press

Rolf Sachs (r.) beim Kricketspielen

Was für die Fotografie stimmt, gilt für sozial engagiertes Kulturschaffen allgemein und auch für Journalismus. Als simpelste Beschreibung der Ungleichheit gilt: Auf der einen Seite fehlt das Geld, auf der anderen Seite befindet es sich. Und letztere Seite ist unterbelichtet. In den vergangenen eineinhalb Jahren sind gleich drei Bücher erschienen, die in diesem Sinne versuchen, den Bereich hinter dem Glitzern auszuleuchten.

„Psychologie des Geldes“

Das jüngste Beispiel liefert der ARD-Redakteur Dennis Gastmann, Jahrgang 1978. Er war als Auslandskorrespondent in verschiedenen Ländern tätig und hat bereits zwei Bücher geschrieben, eines über seinen Fußmarsch von Hamburg nach Canossa, eines über skurrile Gespräche und Begebenheiten, gesammelt in aller Welt. Nun, in „Geschlossene Gesellschaft“, versuchte Gastmann, in eine ebensolche einzudringen. Um den internationalen Jetset ging es ihm, beziehungsweise Deutsche und Österreicher, die ihm angehören.

Im Klappentext ist von der „Psychologie des Geldes“ die Rede. Um dorthin vorzudringen, muss man sich dem Reichtum zunächst physisch nähern - und das ist gar nicht so leicht. Gastmanns Buch beschäftigt sich über weite Strecken mit der schwierigen Kontaktanbahnung, durchaus unterhaltsam und abenteuerlich. Wie er monatelang mit PR-„Wachpersonal“ kommunizieren muss, wie man ihn zu „Testinterviews“ mit Semiprominenz schickt, wie er von einem alten Schulfreund im Nobel-Secondhand-Laden passend eingekleidet wird.

Auf Beobachtungsposten mit Sekt

Und dann dringt er ein in die „geschlossene Gesellschaft“, so weit man ihn eben lässt. Ein Interview im Büro hier, ein Gespräch zu Hause dort, dann wieder auf „Beobachtungsposten“ mit Sekt bei einer Party oder beim Polo. Gastmann ist kein Insider - und tut auch nicht so. Von einer „Psychologie des Geldes“ zu sprechen ist übertrieben. Aber er sammelt Eindrücke und gibt sie in Form intelligent und witzig kommentierter Anekdoten wieder. Das klingt nicht nach dem üblichen Geschwätz über Promis - Gastmann hat einen anderen Hintergrund, einen aufgeklärten, frischen Blick.

Rolf Eden mit zwei Frauen

Reuters/Thomas Peter

Rolf Eden in seinem Element

Teilnehmende Beobachtung nennt man das, Hunter S. Thompson hatte dafür den Begriff Gonzo-Journalismus geprägt. Dort, wo Gastmann den harten Hund raushängen lassen möchte wie Thompson, hapert es jedoch mitunter. Thompson war räudig, das entsprach seinem Wesen. Aber Gastmann scheint im Grunde ein ganz ein Lieber zu sein, der niemanden brüskieren will. Negativ formuliert ist er streckenweise streichelweich, positiv formuliert beherrscht er die Kunst, einer Story ihre Ambivalenz zu lassen. Die Devise „Wo er hinschlägt, wächst kein Gras mehr“ gilt für ihn nicht. „Auch Reiche brauchen Liebe. Auch Reiche sind Menschen“, merkt er an einer Stelle an. Das hätte wohl auch niemand bezweifelt.

Rolf Eden lädt Müll ab

Aber was sind seine Erkenntnisse? Grob gesagt, lässt sich zwischen Geldadel und echtem Adel unterscheiden. Die beiden scheinen nicht zusammenzugehören. Rolf Eden ist ein Beispiel für den Geldadel, reich geworden mit Nachtclubs und Immobilien. Eine halbe Stunde lang lässt Gastmann Eden seinen üblichen, für die Presse vorbehaltenen Müll abladen, von wegen dass er gerne ins Puff geht und den Prostituieren es eh taugt, Sex zu haben, und ähnlichen schon längst nicht mehr skandalträchtigen Schrott.

Buchhinweise

Dennis Gastmann: Geschlossene Gesellschaft. Ein Reichtumsbericht. Rowohlt, 302 Seiten, 20,60 Euro.

Gustav A. Horn: Des Reichtums fette Beute. Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert. Campus Verlag, 270 Seiten, 24,90 Euro.

Christian Rickens: Ganz oben. Wie Deutschlands Millionäre wirklich leben. Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten, 18,95 Euro.

Chrystia Freeland: Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite. Westend, 368 Seiten, 23,70 Euro

Aber Gastmann schaut genauer hin. Er erzählt Edens Biografie. Als jüdisches Kind musste der mit seinen Eltern vor den Nazis ins Gebiet des heutigen Israel fliehen, nahm bei seiner Rückkehr nach dem Krieg jeden Job an, den er kriegen konnte, bis er ein Lokal eröffnete und sein neues Ego als König des Nachtlebens erfand. Und im Gespräch, nachdem die Puffgeschichte durch ist, zeigt sich ein anderer Rolf Eden. Einer, der trotz seines hohen Alters noch immer jeden Tag gewissenhaft ins Büro geht und jeden neuen Mieter seiner Immobilien selbst checkt. Ein Streber im Partypuffkostüm.

Bewunderer, Neider, Psychologen

Ein ähnlich gelagerter Fall, auch wenn sein Playboy-Gehabe mehr von einem Gentleman hatte, war Industriellenerbe Gunter Sachs. Gastmann konnte das Vertrauen von dessen ältestem Sohn Rolf gewinnen, der sich - vom Jetset-Leben abgesehen - einen Namen als Designer und Künstler gemacht hat. Der Journalist beobachtet ihn bei mehreren Gelegenheiten und beschreibt den Spagat zwischen schräger Kunst auf der einen und Bobfahren im Promimekka St. Moritz auf der anderen Seite; Tiefgang und Oberfläche, wenn man so will.

Ausstellungshinweis

„Fette Beute. Reichtum zeigen“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, bis 11. Jänner

Gastmann schlägt bei seinen Promis eine dreigeteilte Beurteilung vor. Im Fall von Rolf Sachs: Für Bewunderer ist er ein Freigeist, für Neider ein Nichtsnutz, der für seinen Reichtum nie arbeiten musste, für Psychologen ein Mann, der unter seinem übermächtigen, verstorbenen Vater und unter dem frühen Tod der Mutter leidet. Selbst entscheiden mag sich Gastmann nicht. Fast wirkt es, als ob er sich schämt, Sachs zu mögen. Die gemeinsame Bobfahrt stellt er sogar ganz an den Anfang seines Buches.

Fummel, fummel, kille, kille

Der Geldadel, das sind die Prolos, wirklich nobel wird es erst beim echten Adel. Da geht es viel stilvoller zu. Gastmann schaffte es, eine Einladung für eine Aids-Charity-Gala auf Marbella zu ergattern und diese gemeinsam mit Gunilla von Bismarck und Bea von Auersperg zu besuchen. Hier geht man behutsam miteinander um, die Leute wirken in Gastmanns Erzählung offen, frech, überdreht und verrückt, aber auf ihre Art und Weise höflich. Die Stimmung kippt, als alle besoffen sind.

Dann rennt der Schmäh zwar noch immer nicht niveaulos und verletzend, aber doch deutlich unter der Gürtellinie. Man begrapscht einander, macht anzügliche Witzchen und scheint unendlich stolz drauf zu sein, dass die bürgerliche Spießermoral für einen nicht gilt. Schließlich heißt es: „Kaiser, König, Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann.“ Und die Regeln der unteren gelten für die darüber nie. Auch eine Form von Distinktionsgewinn: nach dem Stopfleberessen in Designerfummeln aneinander herumfummeln.

Nur Prolos haben Versace-Teller

Vom Geldadel distanziert man sich - wenn auch nicht ganz. Bea von Auersperg schwärmt für Gunter Sachs, der habe Stil gehabt - im Gegensatz zu Rolf Eden und Modezar Harald Glööckler, der sei nämlich „derb, ordinär und gewöhnlich und gehöre nicht dazu, weil er a) nicht adlig und b) nicht sonderlich vermögend sei und c) von Versace-Tellern esse. ‚Weißt du, was ich damit meine? Bei mir zu Hause möchte ich im Tod keine Versace-Teller haben, so was hat keinen Stil, daran erkennt man den Geldadel. Adel und Geldadel sind wie Feuer und Wasser. Ich habe einen Heidenrespekt vor dem, was der Mann als Designer geleistet hat. Aber Glööckler und all die anderen werden niemals dazugehören. Im Leben nicht.‘“

Es ist eine komplizierte Welt, an deren Pforten Gastmann geklopft hat. Betrüger, Blender, Hochstapler und Trittbrettfahrer sind schwer von jenen zu unterscheiden, die einfach nur zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen getroffen haben (richtig im Sinne von geldvermehrend) und deshalb Kohle scheffeln ohne Ende, ganz abgesehen von den vielen, denen die Gunst der goldenen Geburt zu ihrer Eintrittskarte in den Jetset verholfen hat. Unterm Strich gesehen könnte man sagen: Gastmanns Bild von den Superreichen ist ein bisweilen irritierendes und trauriges, um dann wieder ins Banale zu kippen.

Deutsche Millionäre besser als andere?

Ein ähnliches Buch hat Christian Rickens geschrieben: „Ganz oben. Wie Deutschlands Millionäre wirklich leben“ und kommt nach seinen Beobachtungen zu einem positiven Schluss: „Wir sind in Deutschland mit unseren Millionären gar nicht so schlecht bedient - zumindest im internationalen Vergleich. Die Reichen in Deutschland geben sich nur selten einem derart ostentativen Luxuskonsum hin wie ihre Standesgenossen in anderen Weltregionen. Auch reiche Müßiggänger gibt es in Deutschland kaum. Die deutsche Oberschicht definiert sich quer durch alle Milieus vor allem über ihre Arbeit.“

Zwei weitere Bücher widmen sich dem Thema eher von der gesamtgesellschaftlichen, wirtschaftspolitischen Seite und kommen zu weniger freundlichen Ergebnissen. Wirtschaftsjournalistin Chrystia Freeland beobachtete die Superreichen 20 Jahre lang und arbeitete akribisch heraus, wie Reichtum durch Verklüngelung und Gier immer mehr Reichtum schafft und in den Händen weniger konzentriert - zum Nachteil aller anderen.

„Jeder soll ein Stück vom Kuchen haben“

Gustav A. Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der deutschen, gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, bringt es in seinem Buch „Des Reichtums fette Beute. Wie Ungleichheit unser Land ruiniert“ auf den Punkt: „Jeder soll ein Stück vom Kuchen haben. Nur auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass sich immer mehr Reichtum zusammenballt. Reichtumsklumpen erhöhen die Risiken einer Volkswirtschaft.“ (Wie Rickens zitiert nach Deutschlandfunk.)

Als Fazit bleibt eine Erkenntnis, die so alt und banal ist, wie sie sich nahezu unmöglich auf irgendeine Weise auswirkt: Reiche sind auch nur Menschen - und weil durchschnittliche Menschen gierig sind, müsste man ihnen mit Gesetzen einen Riegel vorschieben, damit sie den Kuchen nicht alleine aufessen und für andere nur Krümel bleiben. Weil aber diejenigen durchschnittlichen Menschen, die Gesetze beschließen, mit den durchschnittlichen Menschen, die über Millionen oder gar Milliarden verfügen, befreundet sind ... und so weiter. Überraschende Schlüsse darf man sich bei diesem Thema keine erwarten. Ein paar unterhaltsame Anekdoten und ein paar Fakten für die nächste Partydiskussion sind drinnen.

Simon Hadler, ORF.at

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